zum Hauptinhalt
Nach dem ersten Crash. Der Alleinsegler (Robert Redford) in der Kajüte.

© Universum

Robert-Redford-Film „All Is Lost“: Ein Mann, ein Meer

J. C. Chandors „All Is Lost“ ist ein Katastrophenfilm der besonderen Art, die Geschichte eines Überlebenskampfs - und eine großartige Reflexion über das Meer als unbarmherzige Naturgewalt. Ein grandioses Solo für Robert Redford.

Drei Schimpfwörter, ein Hilferuf und zahllose Varianten von Seufzen und Stöhnen – das ist alles an menschlichen Äußerungen, was der Zuschauer in „All Is Lost“ zu hören bekommt, einem Film, der in jeder Einstellung stets denselben Mann und denselben Schauplatz präsentiert. Eine harte Anforderung ans Publikum, sollte man meinen. Denn es muss den schiffbrüchigen Helden auf seiner ziellosen, lebensgefährlichen Odyssee im Indischen Ozean 106 Minuten lang begleiten – ohne je zu erfahren, wie er da überhaupt hingekommen ist.

Der große amerikanische Schauspielveteran Robert Redford aber, der dieses Jahr 78 wird – und das sieht man ihm trotz aller Bemühungen ums Gegenteil auch an –, macht derlei Sorgen von Anfang an gegenstandslos. Er ist dieser immerselbe einsame Segler, und der erfahrene Darsteller führt die verschiedenen Stadien des Überlebenskampfes äußerst eindringlich vor.

Wenn die Heimat untergeht

Ein Container hat ein Loch in die Seitenwand der Yacht geschlagen, mit der ihr Steuermann allein auf dem Ozean unterwegs ist. Der Container ist ganz am Anfang des Films zu sehen; sein rostroter Anstrich wirkt in seiner schreienden Künstlichkeit nachgerade obszön inmitten des weiten, blaugoldenen Meeres – und die Kamera fährt einmal langsam an der Außenseite des Metallquaders entlang, bevor es zur Kollision mit dem Segelboot kommt, dessen Kapitän schläft. Auch der Container ist beschädigt: Sportschuhe treiben langsam aus seinem Inneren an die Wasseroberfläche.

Der Mann, erwacht vom Aufprall, betrachtet nachdenklich diese funktionslos gewordenen Opfer der Karambolage, während er seine Yacht mit sicheren Handgriffen vorsichtig vom Container löst. Er ist ein guter Segler, also auf alle Eventualitäten vorbereitet. Auch dass die Kajüte unter Wasser steht, bringt ihn nicht aus der Fassung. Voller Elan und Sachkenntnis flickt er die Bordwand mit Glasfasermatte und Polyesterharz, pumpt seine Behausung mit der Hand leer, hängt nasse Sachen zum Trocknen auf, bereitet Essen zu und betreibt sogar ein wenig Körperpflege. Fast scheint es, als bedeutete die Havarie nur eine willkommene Abwechslung in der Monotonie der großen Passage.

Bald aber beschädigt nunmehr ein Sturm das ohnehin nur notdürftig reparierte Boot schwer, und den Segler verlässt der Mut; nach und nach schwindet sein Widerstand, gegen das unausweichlich Scheinende anzukämpfen, Sonne und Trinkwassermangel setzen ihm zu, dann wieder Kälte und Nässe, Schmerzen und vor allem die Einsamkeit. Das Funkgerät ist kaputt, also gibt es jetzt auch niemanden mehr, mit dem er zumindest sprachlich in Kontakt treten kann, und auch sonst scheint sich die Welt auf Minimalreize zu reduzieren. Das Meer. Der Himmel in verschiedenen Wetterlagen. Das sehr überschaubare Innere der leckgeschlagenen Yacht. Und schließlich die Rettungsinsel: Hierhin flüchtet sich der namenlose Mann, nachdem sein Boot endgültig zerstört ist.

„All Is Lost“ - die Geschichte eines Überlebenskampfs

„All Is Lost“ ist die Geschichte eines Überlebenskampfs, aber vor allem eine großartige Reflexion über das Meer. Der Film beraubt es jeglicher romantischer Konnotation und zeigt es stattdessen als unbarmherzige Naturgewalt. Er erinnert an die Beschreibungen von Joseph Conrad, der die spannendsten Romane über das Elend der christlichen Seefahrt im 19. Jahrhundert schrieb – und über die Depression, die ganze Schiffsmannschaften erfasste. Es ist eben keineswegs das Unwetter, das die Seeleute zermürbt, sondern die Flaute bei tagelang gleichmäßig sengender Sonne auf spiegelglatter Wasseroberfläche. Auch der Protagonist in „All Is Lost“ scheint bei schwerer See vitaler als bei strahlendem Wetter. Fantastische Sonnenuntergänge: na und?

Der Ton besteht – abgesehen von den variantenschmalen akustischen Lebenszeichen des Seglers – aus dem Schwappen und Plätschern, Gurgeln und Rauschen des Meeres, aus dem Ächzen und Knarren des Bootes, so lange es noch schwimmt, aus dem Grummeln und Tosen, dem Pfeifen und Sausen des Windes. Auf den Einsatz von Musik, die auch höchst ungemütliche Filme irgendwie gemütlich machen soll, haben die Filmemacher zudem fast völlig verzichtet.

Erschöpfung, Verwahrlosung, Angst, Frustration, Freude, Hoffnung, Verzweiflung, Wut: Bei der Darstellung der physischen und psychischen Zustände des Schiffbrüchigen scheint Robert Redford geradezu über sich hinaus zu wachsen. Vielleicht wollte er – gerade so wie seine Filmfigur das eindrucksvoll vorführt – zeigen, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört? Was zu beweisen war.

In Berlin in den Kinos Blauer Stern Pankow, Cinemaxx, Filmkunst 66, Zoo Palast; OV im Cinestar SonyCenter, Hackesche Höfe und Moviemento

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false