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"Stiftung Zurückgeben": Helfen mit dem Geraubten

Gegründet von der Tochter Albert Speers hat sich die „Stiftung Zurückgeben“ ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Mit Werten, die mit der Arisierung der Nazi-Zeit in deutsche Hände gerieten, will sie jüdischen Künstlerinnen helfen.

Auf der Brühlschen Terrasse über der breit dahin fließenden Elbe, von den Dresdnern stolz „Balkon Europas“ genannt, waren Juden ab 1940 unerwünscht. Heute steht dort eine Parkbank mit gläserner Sitzfläche. Das Wort „Hinsehen“ ist aus der durchsichtigen Lehne ausgeschnitten, dort wo in der Nazizeit gestanden hätte: „Nur für Arier!“ Drei solcher Parkbänke hat die Künstlerin Marion Kahnemann in Dresdner Grünanlagen aufgestellt. Unterstützt wurde sie dabei von der „Stiftung Zurückgeben“, die gestern von ihr geförderte Projekte im Jüdischen Museum in Berlin vorstellte und die im Untertitel die Adressaten ihrer Hilfe offenbart: „Stiftung zur Förderung jüdischer Frauen in Kunst und Wissenschaft“.

Die Stiftung will „etwas Unmögliches und zugleich Selbstverständliches“ erreichen, sagt Mitbegründerin Hilde Schramm: Wiedergutmachung an den in der Nazizeit beraubten und ermordeten Mitbürgern. Die Idee zu der Stiftung entstand, als die Erziehungswissenschaftlerin Gemälde erbte, die ihr Vater Albert Speer in der Nazizeit vermutlich aus arisiertem jüdischem Besitz erworben hatte. Speer war nicht nur Hitlers Leibarchitekt, sondern als Berliner Generalbauinspektor ab 1938 für die Räumung jüdischer Wohnungen verantwortlich.

Jüdisches Eigentum wurde in der Nazizeit unter der Bevölkerung aufgeteilt, fast alle profitierten davon. Die Beraubten sind tot, aber ihren Nachkommen kann man helfen. Exemplarisch benutzte Hilde Schramm den Verkaufserlös der Gemälde aus Speers Besitz, um die „Stiftung Zurückgeben“ mit Gründungskapital auszustatten. Seit 1996 hat sie 77 jüdische Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen mit insgesamt 200 000 Euro unterstützt. Gefördert wurde die Autorin Viola Roggenkamp, damit sie ihren Roman „Familienleben“ über eine jüdische Nachkriegskindheit fertig stellen konnte. Auch ein Führer zu Ausflugszielen mit jüdischem Bezug im Berliner Umland, Aufnahmen von Musik jüdischer Komponistinnen oder ein Film über Straßenkinder in Odessa zählen zu den geförderten Projekten.

Die Museologin Vera Bendt erzählte von ihren Forschungen über einen Thoravorhang, der 1985 in der Kreuzberger Synagoge am Fraenkelufer gefunden wurde. Die hiesige Jüdische Gemeinde tat sich schwer damit, das Kultobjekt nach Mannheim zurückzugeben. Dort entfaltete es dann jedoch ab 2002 überraschende Wirkung: Weitere Gegenstände aus der zerstörten Hauptsynagoge tauchten auf, die Stifterfamilie des Vorhangs bekam wieder einen Platz in der Geschichte der Stadt. Nun soll aus der Recherche ein Buch werden, spannend wie ein Krimi.

Obwohl die „Stiftung Zurückgeben“ von namhaften Beirätinnen wie der Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich, der früheren Kultursenatorin Adrienne Göhler und der Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun mitgetragen wird, reichen die Spenden nicht aus, alle förderungswürdigen Anträge zu berücksichtigen. In diesem Jahr sind 20 000 Euro für sechs neue Vorhaben da, darunter drei Tanzprojekte von May Kipsker, Meredith Nadler und Layla Zami. Anat Manor arbeitet an einem Dokumentarfilm über die jüdische Pädagogin Malka Haas, Ofri Lapid plant eine Videoinstallation über Archäologie in Israel und Shlomit Baris Tulgan möchte ein mobiles jüdisches Puppentheater in Berlin gründen. So holt die Frauenstiftung ein wenig von der Lebendigkeit und Vielfalt jüdischen Kulturlebens zurück.

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