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Stolzer Gewinner: Regisseur Kim Ki-Duk mit dem Goldenen Löwen von Venedig.

© Reuters

Venedig Filmfestival: Kim Ki-duk erhält Goldenen Löwen

Religiöses ist der neue Schmuck: Kim Ki-duk erhält den Goldenen Löwen beim Filmfestival von Venedig. Der Silberne Löwe geht an Ulrich Seidl.

Am Schluss ertönte Gesang, immerhin kein Kirchenlied. „Arirang“, das der Regisseur Kim Ki-duk in der Sala Grande zur Feier seines Goldenen Löwen anstimmte, ist ein koreanisches Volkslied, so beliebt, dass es dort mitunter anstelle der Nationalhymne erklingt. Offenkundig zog er damit auch den Schlussstrich unter eine schwere Schaffenskrise. Letztes Jahr hatte Kim Ki-duk sie, in Cannes, sehr eigenwillig in „Arirang“ dokumentiert: Einziger Darsteller war er selbst, zurückgezogen im Winter in einer Hütte im Gebirge.

Nun ist er mit „Pietà“ wieder mittendrin im Weltfilmgeschäft, und er strahlt. Den Preis freilich bekommt er für seinen bislang düstersten Film. Ein Schuldeneintreiber, der seine Klienten brutal verstümmelt, bekommt Besuch von einer Frau, die sich als seine Mutter bezeichnet. Ihre fortwährende Selbstbezichtigung, ihn früh verlassen zu haben, öffnet ihn selbst für die enorme Schuld, die er in seinem kurzen Leben angehäuft hat. Die Folge: ein gemeinsamer Leidensweg, Selbstverstümmelung, Tod.

Die Pietà des Titels, ein ikonografischer Topos der Kunstgeschichte, ist bei Kim Ki-duk allerdings eher metaphorisch als christlich religiös zu verstehen. Mit konkreten Muttergottes-Statuen dagegen hantiert Ulrich Seidl in „Paradies: Glaube“, wofür er den Spezialpreis der Jury erhielt. Zugleich nutzte der Österreicher die Gelegenheit für ein kühles Dementi: „Ich bin keineswegs ein Gotteslästerer“, sprach er in den Saal – und erinnerte damit an eine Szene, in der eine fanatische Katholikin ein Kruzifix unter die Bettdecke nimmt und masturbiert. Das erzürnte eine katholische Organisation in Italien derart, dass sie Seidl prompt wegen Blasphemie anzeigte.

Die religiösen Themen, die diese 69. Mostra am Lido dominierten, standen auch bei der Preis-Gala am Samstagabend im Mittelpunkt. Als heimlicher Sieger mochte sich der Amerikaner Paul Thomas Anderson fühlen, der für sein Sektenführer-Psychogramm „The Master“ den Silbernen Löwen gewann; den Darstellerpreis teilten sich Joaquin Phoenix und Philip Seymour Hoffman, der die Auszeichnungen stellvertretend für die abwesenden Mit-Preisträger entgegennahm. Dabei kam es zu einer spektakulären Panne. Seidls und Seymour Hoffmans voluminöse Trophäen waren verwechselt worden, beim eiligen Austausch auf der Bühne ging eine zu Boden.

Man mag das Malheur bei der schmucklosen Zeremonie als Symbol für ein insgesamt schmuckloses Festival verstehen. Insofern wirkt auch die Wahl der von Michael Mann geleiteten Jury kohärent und konsequent. Man mag beklagen, dass Olivier Assayas für sein kluges Generationenporträt „Après Mai“ nur den Drehbuchpreis erhielt; und Hadas Yaron, die für ihre Hauptrolle in Rama Burshteins massiv für die Wertewelt des orthodoxen Judentums werbendem Film „Fill the Void“ ausgezeichnet wurde, erntete unter den Journalisten, die die Übertragung im Pressesaal verfolgten, sogar ein paar Buhs. Aber das ist morgen vergessen. Und jetzt alle: Arirang! Jan Schulz-Ojala

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