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Von wegen ratlos.  Alexander Kluge wurde vergangene Woche bei der Preisverleihung „Journalisten des Jahres 2016“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

© dpa

Alexander Kluge wird 85 Jahre alt: Stachel im Fernsehfleisch

Geschichtenerzähler, Quotenkiller, Unternehmer und natürlich auch ein kluger Rat in Sachen Donald Trump: Alexander Kluge zum 85. Geburtstag.

Es ist ja immer noch so, dass so mancher RTL-Zuschauer irritiert ist, wenn er nach dem „Nachtjournal“ beim Kölner Privatsender dranbleibt und sich das Magazin „10 vor 11“ anschaut. Thema am Montag, ab 0 Uhr 30: „Der Weg von der Genfer Kirchenzucht zu den Idealen des Westens. Der Historische Theologe Dr. Görge Hasselhoff berichtet.“ Zu verdanken ist die Sendung der Firma eines Mannes: Alexander Kluge, Filmemacher, Schriftsteller, Fernsehunternehmer, einer der einflussreichsten Intellektuellen der Republik, zuletzt auch ehrenpreishalber „Journalist des Jahres“. Kluge wird am Dienstag 85 Jahre alt, und allein die Tatsache, dass es ihm gelang, sich Ende der 1980er beim boomenden Privatfernsehen mit seiner Produktionsfirma dctp Sendefenster zu sichern, macht ihn zu einer Medienfigur ersten Ranges.

Seit 1988 geht das schon so. Mit Sendungen wie „10 vor 11“, „News & Stories“, „Prime-Time-/Spätausgabe“ und dem „Mitternachtsmagazin“ hat das Medienunternehmen dctp vier Kulturmagazine für RTL, Sat1 und Vox produziert. Das Magazin „Spiegel TV“ stammt aus seinem Haus. Private Sender sind vertraglich verpflichtet, einen Anteil ihrer Sendezeit kulturellen Themen zu widmen.

Diese Zeiten werden von Gremien an Dritte wie dctp weitergegeben. Wer das noch nie gesehen hat: In den Sendungen fungiert Kluge als Fragesteller „aus dem Off“, ihm sitzt ein Gesprächspartner in durch Bluescreen-Technik hinzugefügter Szene gegenüber, Helge Schneider zum Thema Oper beispielsweise. Die Kameraperspektive zeigt ununterbrochen den Interviewpartner. Oft wird die Sendung mitten im Interview beendet.

„Die Menschen haben zweierlei Eigentum"

Angenehm subversives Fernsehschaffen, worauf Leben und Werk von Alexander Kluge natürlich nicht zu reduzieren ist. 1932 in Halberstadt geboren, Kind des Krieges, Studium der Geschichte, Kirchenmusik und Jura, Volontär bei Fritz Lang, Autorenfilmer mit „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“ oder „Abschied von gestern“, zahlreiche literarische Arbeiten, für die er den Georg-Büchner-Preis erhielt.

„Die Menschen haben zweierlei Eigentum: ihre Lebenszeit und ihren Eigensinn“, sagte Kluge einmal, und wer den Projektemacher bei einer Lesung, einem Gespräch oder einer Fernseh-Vorführung erlebt hat, kann sich kaum vorstellen, dass dieser funkelnde Eigensinn irgendwann weniger wird. „Besser Quotenkilller als Quotennutte“ sagt Kluge zu seinem dctp-Fernsehen.

Natürlich hat der Jubilar in diesen Tagen auch einen klugen Rat in Sachen Donald Trump und Fake News, wie er der dpa verriet. Die Welt sei in Aufruhr. Jeder fühlt sich im Recht, schiebt anderen die Schuld zu. Wie soll man es da schaffen, dass sich alle wieder zuhören?

„Wir brauchen alles, was wir an Geschichten wissen, um das einreihen und vor allem Ausgänge finden zu können.“ Erzählen ist für den Schriftsteller „Information plus Gefühl“, ein Verbinden von Fakten, die sonst nicht zueinanderfänden. „Andernfalls haben Sie die postfaktische Welt, in der gelogen wird und Menschen hinter Rattenfängern hermarschieren.“ Mögen wir noch viele jener Erzählungen hören, ob bei RTL oder anderswo.

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