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Schwarze Tage. Uli Hoeneß (Thomas Thieme, links) sitzt in München vor Gericht – Szene aus dem ZDF-Dokudrama.

© ZDF

Als Dokudrama und mit Humor: Mein Hoeneß, dein Hoeneß – unser Uli

Ein ZDF-Dokudrama und eine Sat-1-Komödie befassen sich mit dem Fußballer, Bayern-Boss, Steuersünder. In einem sind sich beide sicher: Uli Hoeneß kommt wieder.

Fühlt sich das Herz des Zuschauers zu solchem Wahn bereit? Und wie. Erstens ist der einstige Bayern-Boss Uli Hoeneß auch ohne Ball der wahnsinnigste Fall in einer wahnsinnigen Branche. Dieser Metzgersohn, den Börsenspielsucht und Steuerhinterziehung in der Öffentlichkeit zu Hackfleisch gemacht haben, der bekannteste Knastbruder diesseits und jenseits von Bayern, und überhaupt unser aller Bruder im Fach Spießertum und Hinterher-alles-besser-gewusst-Haben. Und doch so genial, wie wir alle wären, wenn man uns ließe.

Zweitens, am wichtigsten, stehen zwei Fernsehproduktionen an, die für den Zuschauer ziemlich unabweisbar sind. Das ZDF-Doku-Drama „Uli Hoeneß – Der Patriarch“ am Donnerstag, das Juan Moreno, Annette Ramelsberger und Johanna Behre zusammengestellt haben und dessen fiktive Anteile Christian Twente inszeniert hat, stammt aus bester Feature-Kunst des Zweiten (verantwortliche Redakteure: Peter Arens, Stefan Brauburger, Stefan Mausbach). Mühelos wird mit einer großen Anzahl von Zeitzeugen aus dem Fußballerischen, von Psychologen, Journalisten, Politikern, Jugendfreunden, mit Originalaufnahmen und nachgestellten Szenen vor allem vor Gericht das Bild eines Getriebenen herausgearbeitet, der sich selbst sucht, um sich von seinem hinter vielen Sprüchen unsichtbar gewordenen Größen-Ich zu erlösen.

Udo Honig verschießt den entscheidenden Elfmeter im EM-Finale 1976 (Wilson Gonzales Ochsenknecht, den älteren Udo Honig spielt sein Vater Uwe Ochsenknecht) – Szene aus der Sat-1-Komödie.
Udo Honig verschießt den entscheidenden Elfmeter im EM-Finale 1976 (Wilson Gonzales Ochsenknecht, den älteren Udo Honig spielt sein Vater Uwe Ochsenknecht) – Szene aus der Sat-1-Komödie.

© Sat 1

Der Film geht den Weg des ehrgeizigen Jungen aus Ulm mit historischen Zeugnissen nach. Als langmähniger Jugendspieler tobt er übers Feld seines ersten Vereins. Dann wird er Bayern-Kicker, Aufnahmen zeigen ihn als großes Talent vor der ZDF-Torwand, ein Ball fliegt sauber in die linke obere Ecke. Der beim entscheidenden Elfmeter der Europameisterschaft (1976) allerdings in den Belgrader Nachthimmel. Hoeneß wird schon mit 27 Jahren Sportinvalide. Das Knie.

Angekommen aber ist der Fußball-„Ulisses“ in einem Nachfußball-Zuhause nicht. Wie auch, so jung ist er noch.

Die Filmemacher haben ein Interview ausgegraben, das Hoeneß mit 22 gab: „Meine Freunde, die studieren, müssen sich nicht mit solchen Sachen wie einer Einkommensteuer beschäftigen.“ Eine Leidenschaft schimmert durch diesen Satz. Die Steuer ist es nicht, wie wir heute wissen. Es ist das Geld. Die neue Reise geht zu dieser Circe, ein Entkommen erscheint unmöglich. Das Ende ist ziemlich schrecklich.

Dem Zuschauer zerbricht der Richterstab

Die Sensationen des Millionen-Monopoly lassen sich bald nicht mehr hinter der Fassade des Ehrbaren verstecken. Die über den Börsen-Pager fliegenden Finger des Süchtigen zerstörten das kleine Glück des Alltags, die Schafskopfrunden unter Kameraden, das Essen am Familientisch, die Rücksicht auf die Sorgen der Ehefrau – das Doku-Drama ist ein schonungsloser Krankenbericht. Zugleich bekommt man klammheimliches Mitleid mit diesem selbstgerechten und zugleich wehleidigen Mann auf der Anklagebank, den Thomas Thieme als zusammengesunkenes Fleisch, halb erloschen und halb noch voller vulkanischer Energie wunderbar ambivalent spielt. Dem Zuschauer zerbricht mitunter der Richterstab – was kann Fernsehen mehr leisten?

Aber das ist noch nicht alles in dieser Woche der Hoeneßiade auf dem Bildschirm. Das Beste kommt noch. Ausgerechnet dort, wo das deutsche Fernsehen sonst durch die Dürre schreitet, im Genre Humor, gelingt homerisches Gelächter, unbeschwerte Schadenfreude, die Abwesenheit allen teutonischen Ernstes.

Der wahre Uli Hoeneß.
Der wahre Uli Hoeneß.

© dpa

Am letzten Drehtag der „Udo Honig Story“ (8. September, Sat 1) wurde der Tod von Helmut Dietl gemeldet, erinnert sich der Ufa-Fiction-Produzent Joachim Kosack. An Übersinnliches glaubt der gestandene Fernsehmann nicht, aber irgendetwas vom Geist der alten Kräfte, die uns begleiten, vielleicht schon. Kossack und seinem Team – Regisseur Uwe Janson (der mit Friedemann Goez auch das Drehbuch schrieb), mit wunderbaren Schauspielern wie Uwe Ochsenknecht, Heiner Lauterbach, Hannes Jaenicke und Gisela Schneeberger – ist ein Dietl-beseeltes Glanzstück gelungen. Herrlich blöd, herrlich kalauesk, herrlich spottmild.

Am liebsten dirigiert er den Knastchor

Herr Honig (Ochsenknecht), der verurteilte Steuersünder, bezieht die JVA. Sie sieht von außen aus wie ein Operettenschloss – nachts leuchtet immer der gute Mond. Die Wärter tragen Fantasieuniformen wie vom Zirkus. Der Direktor (völlig königlich-bayerisch regrediert: Heiner Lauterbach). Er dirigiert am liebsten den scheinheilig-beflissenen Knastchor: „In einem kühlen Grunde, da geht ein Mühlenbach.“

Für Honig, den Neuhalunken, geht dagegen noch nicht gleich alles. Zwar ist er nach Fan-Art von seinen Knastgenossen gebührend enthusiastisch begrüßt worden, aber er muss sich erst mit den Häftlingshierarchien arrangieren. Geduldig und listig knüpft Uli Odysseus seine Fäden. Dem Häftlingszyklopen (Martin Feifel) apportiert er artig seinen Pudding-Nachtisch und wickelt ihn wie den Direktor in seine Expansionsbestrebungen ein, aus der Gefängnisbäckerei einen profitablen Betrieb zu machen.

Die Gefängnispsychologin (Shadi Hedayati) ist gegen die Geldvermehrungssucht Honigs machtlos. Beim Herrn Direktor flimmern schon bald die Börsenschirme. Seinen naiven Zellengenossen (Max von Thun) richtet Honig zum Autor seiner Biografie ab. Wenn Franz Kaiser (mit schlangenlistiger Naivität: Hannes Jaenicke) oder Paul Greitner (Wolfgang Fierek) zu Besuch kommen, freut sich das Herz des Kalauophilen ebenso wie wenn von Helmut Mehrwert vom Magazin „Locus“ die Rede ist. Die Schneebergerin als Honig-Ehefrau ist, wie sollte es anders sein, eine Penelope-Gestrenge voller Erfahrung. Sie kennt ihren Mann, dessen Honig im Kopf die Zahlen bleiben werden.

Das Doku-Drama und die Komödie sind sich in ihren Schlusseinstellungen sicher: Er kommt wieder. Die „Ulissee“ wird noch ein langes Buch.

„Uli Hoeneß – Der Patriarch“, ZDF, Donnerstag, 20 Uhr 15; „Die Udo Honig Story“, 8. 9., Sat 1, 20 Uhr 15

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