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Anke Engelke: Die Kracher-Lady

Ein Grund, sich die Berlinale-Eröffnung im Fernsehen anzuschauen: Anke Engelke. Ihr Motto: Lampenfieber: nein; Improvisation: ja.

Die Präsentation einer Fernseh-Gala, wie zuletzt die der Goldenen Kamera, ist so eine Sache. Selbst ein Hape Kerkeling droht vorne auf der Bühne in Ehrfurcht vor den ausgezeichneten Schauspielern oder Moderatoren zu erstarren. Oder vor den Veranstaltern. Bei der Übertragung der feierlichen Eröffnung der 63. Berlinale heute Abend auf 3sat dürfte das abwechslungsreicher werden. Der Grund: die Moderatorin. Bereits zum siebten Mal stellt sich Anke Engelke im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz vor einem Millionenpublikum auf die Bühne. Man kann sicher sein, sie wird an der Seite von Festivaldirektor Dieter Kosslick einem Wong Kar-wai – Regisseur und Jurypräsident– auf kluge, witzige Weise einen formidablen Auftritt bescheren.

Unvergessen der Abschluss der letzten Berlinale, wo es die Moderatorin schaffte, den Bitte-Danke-Rhythmus der Preisverleihung mit Witz und Charme zu durchbrechen. Engelke hatte gerade die Kategorie „Beste Schauspielerin“ angekündigt: „präsentiert von meinem Ex-Mann. Jake Gyllenhaal“. Der verstand offenbar nicht wirklich, dass sich diese deutsche Moderatorin gerade über ihn lustig machte. Denn das hatte Engelke schon vorher festgestellt: „Er hat kein Dings im Ohr!“ Später tanzte die Moderatorin mit Dieter Kosslick.

„Wie bei jeder Veranstaltung ist die Vorbereitung wichtig“, sagt Anke Engelke zu ihrem Sondereinsatz. „Ablauf, Ehrengäste, Jury, das kann man alles auswendig lernen.“ Alles andere sei unberechenbar: Kosslick, das Publikum, die Stimmung im Raum. Diese Mischung mache den Abend zu einem Erlebnis. Ihre Einstellung: „Lampenfieber nein, Ehrfurcht ja, Spickzettel nein, Improvisation ja.“

An diesem Job bei einem der wichtigsten Filmfeste der Welt haben sich auch schon Katrin Bauerfeind, Charlotte Roche oder Heino Ferch probiert. Engelke hat sich am längsten gehalten. Wieder mal ein Grund also, die Fähigkeiten der in Montreal geborenen Komikerin, Schauspielerin, Musikerin und Entertainerin zu bestaunen. Und sich darüber zu wundern, dass im deutschen Fernsehen öffentlich-rechtliche Moderatoren reihenweise mit großem Brimborium angekündigte Formate in den Sand setzen, während eine der Besten ihrer Zunft „lediglich“ zu Event-Moderationen herangezogen wird. Wie zur Berlinale oder am kommenden Donnerstag zum deutschen Vorentscheid des „Eurovision Song Contest“, „Unser Song für Malmö“, live aus Hannover. Engelke ist bekennender Fan des Song Contests. Gemeinsam mit Stefan Raab und Judith Rakers hatte sie 2011 durch den Eurovision Song Contest in Deutschland geführt und allen die Schau gestohlen. Unvergessen auch 2009 ihre Moderation des Deutschen Fernsehpreises an der Seite von Bastian Pastewka – als Volksmusik-Duo Wolfgang & Anneliese.

Ein Verriss einer Engelke-Produktion ist nicht erinnerbar. Da schadet es der Karriere auch nicht, wenn sich die Moderatorin bei Sat1, in Nachfolge von Harald Schmidt an einen Late-Night-Talk wagt und konzeptionell scheitert. Offenbar blüht die 47-Jährige im ganz großen Rahmen auf. Im Mai 2012 gehörte die fließend Französisch und Englisch sprechende Moderatorin zur deutschen Jury für den Song Contest in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Als Jurysprecherin gab sie die deutschen Abstimmungsergebnisse im Finale bekannt. Engelke nutzte als einzige der 42 Jurysprecher die Aufmerksamkeit des Millionenpublikums, um auf die Menschenrechtslage in Aserbaidschan hinzuweisen. Bei der Liveübertragung der Punktevergabe sagte sie in englischer Sprache: „Heute Nacht konnte ja niemand für sein eigenes Land abstimmen. Aber es ist gut, abzustimmen, und es ist gut, eine Wahl zu haben. Viel Glück auf eurer Reise, Aserbaidschan. Europa schaut auf euch.“ In Deutschland schauen nicht nur Comedy-Fans freitagabends „Ladykracher“ bei Sat1, wo Engelke neben einer kurzen Moderation Sketchfilme zeigt. Sie ist an der Produktion beteiligt. In allen Sketchen spielt sie mit. 2011 erhielt sie dafür den Deutschen Fernsehpreis. Schauspielerinnen wie Friederike Kempter schwärmen von der Kollegin Anke Engelke.

Mit Schwärmen hält sich die Moderatorin bei der Berlinale eher zurück. Diese gewisse Widerständigkeit, Chuzpe und Courage, die Engelke bei ihren Fernseharbeiten mitbringt, ist ein gutes Gegengewicht zum Glamour und Star-Gewese, den das Filmfestival in Berlin bis in die „Tagesthemen“ hinein trägt. Wenn es ein Wort gibt, was Engelke in den nächsten Tagen bei der Berlinale-Berichterstattung kaum in den Mund nehmen dürfte, ist es das Wort „Star“. „Das ist mir meistens wurscht, ob einer ein ,Star‘ ist oder nicht“, sagt die Moderatorin. Nur bei Philip Seymour Hoffman war ihr schwindelig. „Der Rest ist Mensch.“

„Berlinale 2013 – Die Eröffnung“,

3sat, 19 Uhr 20

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