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Dein Bauch – mein Kind. Shanti (Tillotama Shome, links) und Nina (Julia Jentsch) freuen sich über Shantis geglückte Befruchtung.

© Christian Hartmann/BR

ARD-Film: Der fremde Bauch

„Monsoon Baby“: Ein verzweifeltes Paar engagiert in Indien eine Leihmutter. Dann kommen die Zweifel

Der Wunsch ist übermächtig. Nach so vielen Jahren und so vielen vergeblichen Versuchen, dass Nina (Julia Jentsch) schwanger wird. Von Mark (Robert Kuchenbuch), mit Mark. Alles probiert, alles versucht, eine Adoption kommt für das Paar dennoch nicht infrage. „Ich will kein fremdes Kind. Ich will mein Kind“, sagt Nina. Für das Paar Richtung 40 gibt es nur noch eine Lösung in der Not: Leihmutterschaft. In Deutschland verboten, in Indien erlaubt. Da setzt er ein, der ARD-Film „Monsoon Baby“. Nina und Mark treffen ein in Kalkutta. Schon jetzt greift das Konzept der Autoren Florian Hanig und Andreas Kleinert, der auch Regie führt. Was das junge deutsche Paar erleben wird, das erlebt auch das Publikum. Der Eintritt in diese sagenhafte, fremde Kultur, der Weg in die Klinik, die Begegnung mit der durchaus pragmatischen, geschäftsmäßigen Ärztin Kamalika (Swaroopa Gosh). Dass sie jetzt noch nach Bollywood-Manier heiraten müssen, geschenkt. Und die Leihmutter Shanti (Tillotama Shome), die Mark aus einem Trio auswählt, ist glücklich, weil sie jetzt Geld für die eigene Familie, das eigene Kind bekommt. Ein Geschäft, das alle Seiten glücklich machen soll.

Dann aber, nach der Rückkehr nach Deutschland, kommen Zweifel. Eltern, Freunde und Verwandte werden informiert, doch nicht aufgeklärt. Nina ist schwanger, verrät Mark. Um die Lüge einer „normalen Schwangerschaft“ aufrechterhalten zu können, besorgt Mark Plastikbäuche in verschiedenen Größen. Vor allem jedoch wächst eine Frage: War die Entscheidung richtig? Nina, die gelernte Krankenschwester, fährt wieder, aber diesmal allein, nach Kalkutta.

„Monsoon Baby“ wirkt auf den Zuschauer wie eine realistische Fiktion, solchen Effekt erreicht der Film neben einer im dokumentarischen Gestus eingesetzten Kamera (Andreas Höfer) über seine raffinierte Inszenierung. Das Publikum erlebt und erfährt mit, was Nina und Mark erfahren. Wo sie eintauchen in die Armut, die Sinnlichkeit, die Menschenwelt, die Leihmütterszene Indiens, da taucht der Zuschauer mit ein. Die Kameraderie (nicht Kumpanei!) führt alle ins Auf und Ab und direkt ins Dilemma, denn der Film bleibt bei der Übertragung der befruchteten Eizelle in den Körper der jungen Shanti nicht stehen. Freude wird Problem, Problem wird Verstörung.

Fragen wie jene eingangs von Mark – „Kennen die Frauen die Risiken einer Schwangerschaft?“ – könnten einen „hirnigen“ Diskursfilm heraufkommen lassen. Davon ist „Monsoon Baby“ weit entfernt. Für und Wider bis zum ArmReich-Gefälle, zu Aspekten der Globalisierung summieren sich, sie treten jedoch nicht vor das filmische Werk. Nina und Mark sind Menschen aus Fleisch und Blut, ihre Geschichte wird zur Reise-Erzählung für das Publikum. Beziehung verbindet sich mit Leihmutterschaft, Nina mit Shanti, Deutschland mit Indien, Perspektiven- und Rollenwechsel in einer Spiralbewegung. Und wenn man genau hinschaut, schwebt über allem die Frage nach dem Glück des Einzelnen und möglichst vieler. Daheim und in der fremden Welt.

Julia Jentsch und Robert Kuchenbuch haben Kraft und Kapazität für eine intensive Menschendarstellung, die alles Künstliche vermeidet. Nina und Mark kommen zum Zuschauer, ohne je aufdringlich zu werden. Auch das wird ein Verdienst von Regisseur Kleinert sein. Seine Regie stilisiert und destilliert nicht, sie – nennen wir es mal so – generiert sinnlichen Realismus. Halbdistanz wird ganze Nähe. Joachim Huber

„Monsoon Baby“, ARD, Mittwoch, um 20 Uhr 15

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