zum Hauptinhalt
Schwierige Patientin. Bloch (Dieter Pfaff) hat Rieke Hollstein (Katharina Schüttler) im Wald gefunden, wo sie einen Baum fällen wollte. Foto: SWR

© SWR/Stephanie Schweigert

ARD-Film: Rauschen im Kopf

Der neue „Bloch“ erzählt von einer jungen Frau mit bipolarer Störung. Dem sensiblen Themenkomplex nähert sich der Film von Michael Verhoeven auf einfühlsame Weise.

Als sie herauseilt aus der Klinik, vor der ein großer, einsamer Baum steht, da geht sie schnellen Schrittes darauf zu und bleibt abrupt davor stehen: In diesem Moment wird der Ton hochgezogen und das Rauschen der Blätter übernatürlich laut. Es mag zugleich auch das Rauschen in Riekes Kopf sein. Dieser Kopf-Rausch. Rieke (Katharina Schüttler) leidet unter einer bipolaren Störung. Das heißt, sie schwankt zwischen zwei für sie nicht beherrschbaren Extremen: zwischen euphorisch-manisch einerseits und depressiv-niedergeschlagen andererseits. Zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Dazwischen gibt es nichts für Rieke, keine Grautöne, keine Abstufungen, keine Kompromisse auch. Nur diese beiden Extreme.

Für das Umfeld von Rieke ist das Leben in Extremen kaum auszuhalten, kaum mitzuleben. Da ist etwa ihr Mann Benno (Christian Näthe), mit dem Rieke die fünfjährige Tochter Emma hat. Benno kümmert sich um Frau und Tochter und hat einen Beruf. Er kann bald nicht mehr, ist ausgebrannt. Dann versucht Rieke, sich erneut umzubringen. Im Wald, hoch oben auf einem Baum, liegt sie wie eine Wildkatze auf einem langen Ast, und es kommen in Retro-Bildern Erinnerungen an ihre Kindheit hoch. Immer wieder ist da dieser Baum. Dann, plötzlich, lässt sie sich einfach fallen. So wendet sich Benno schließlich an den Baden-Badener Psychotherapeuten Maximilian Bloch (Dieter Pfaff), der versuchen wird, Rieke zu einer Therapie und zur entsprechenden Medikation zu bewegen.

Dem sensiblen Themenkomplex der bipolaren Störung respektive manisch-depressiven Erkrankung widmen sich Drehbuchautorin Silke Zertz („Tod einer Schülerin“) und Regisseur Michael Verhoeven („Die weiße Rose“) im neuen „Bloch – Heißkalte Seele“ auf einfühlsame Weise. Die Inszenierung kommen leise und unaufgeregt daher, die Dialoge sind präzise gesetzt. Der Film ruht sehr auf dem Antagonismus zwischen Dieter Pfaffs Bloch und Katharina Schüttlers Rieke – diesem behäbigen Riesen und der zappeligen Fragilen.

Als Rieke zu ihrer allerersten Therapiestunde 58 Minuten zu spät kommt und genervt-erwartungsvoll mit Coffee-to-go-Becher und Strickmütze in Blochs Ledersessel sitzt, entgegnet dieser ihr lediglich, die verbliebenen zwei Minuten seien nun um. Sie könne jetzt wieder gehen. Das wirkt gleichgültig, teilnahmslos. Ist es aber nicht. Einen Satz sagt er ihr noch: „Die Ursache liegt in Ihnen“. Als Rieke wieder zur Tür hinaus ist, da ist alles in Blochs Gesicht abzulesen: seine Fürsorge und Verantwortlichkeit, seine Angst des (eigenen) Scheiterns auch.

„Bloch – Heißkalte Seele“ zeichnet ein feinfühliges Porträt einer tief in sich zerrissenen jungen Frau, die täglich, stündlich nicht weiß, wohin mit sich. Sie kann nichts und niemandem vertrauen, auch keiner eigenen ihrer sehr disparaten Gefühlsregungen. Verstärkt wird Riekes schlechter Zustand von ihrem störrischen Vater, Klaus Hollstein (Rainer Bock). Dem schwierigen Verhältnis zwischen Vater und Tochter liegen die sowohl vom Vater als auch von der Tochter verdrängten Verletzungen zugrunde, die durch durch den Tod von Riekes Mutter offenkundig geworden sind. Der Vater hat sich seine eigene Wahrheit zurechtgebogen, jene Wahrheit, dass die Ärzte seinerzeit bei seiner Frau gepfuscht hätten, also inkompetent seien.

Seitdem hat er zahllose Klagen und Prozesse angezettelt. Er hat geklagt, statt zu trauern. Fatalerweise unterstützt er, parallel dazu, Rieke massiv darin, vollkommen normal zu sein. Alles Übel, das in der Familie wurzeln könnte, wird systematisch ausgeblendet. Uneinsichtigkeit und Unbelehrbarkeit führen dazu, dass sich Vater und Tochter in einem Teufelskreis bewegen, den Bloch erst einmal aufbrechen muss. Riekes Ehemann Benno, von Vater Hollstein lediglich geduldet, und nicht zuletzt Töchterchen Emma sind die Leidtragenden.

Einmal stellt sich Bloch vor einen Baum, der einsam auf weiter Flur steht. Er sinniert über seine Patientin Rieke. Die Kamera geht zurück und zeigt dieses Bild in einer Totalen: der dicke Mann und der Baum. Es ist wie ein gemaltes Tableau. Und zeigt, wie klein der Mensch doch ist, trotz seines Kopf-Kinos.

„Bloch – Heißkalte Seele“, ARD, 20 Uhr 25

Zur Startseite