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Es war einmal ... 1998, da waren die ARD und das Team Telekom nicht nur über einen Werbevertrag ganz dicke miteinander. Das war die große Zeit von Jan Ullrich (obere Reihe, Mitte), der vom ARD-Mann Hagen Boßdorf ein ums andre Mal interviewt wurde. Foto: dpa

© picture-alliance / dpa

ARD-Sportchef Balkausky im Interview: „Jan Ullrichs Erfolge – gruselig“

Axel Balkausky ist der Sportkoordinator der ARD. Im Tagesspiegel-Interview spricht er über Doping, ein Recht auf Fußball und Geiz beim Tennis.

Herr Balkausky, derzeit läuft die Leichtathletik-Weltmeisterschaft. Doping ist dort ein beherrschendes Thema wie auch beim Schwimmen und Radfahren. Selbst der Fußball gerät ins Visier. Welche Konsequenzen ziehen Sie?

Zunächst mal sind wir nur Berichterstatter. Von der Tour de France berichten wir nicht mehr live. Die Zuschauer waren müde und fragten sich, wem sie noch glauben können. Die Diskussion ums Dopen gefährdet den Sport.

Inwiefern?

Der Zuschauer fragt sich doch inzwischen auch, ob man über 100 Meter in der Leichtathletik ungedopt gewinnen kann. Da sind alle Verbände gefordert, die Glaubwürdigkeit wiederherzustellen oder zu erhalten. Auch im Fußball. Hier geht es schlicht um die Sicherung der Existenzgrundlagen des Sportes.

Wie reagieren die Zuschauer auf den Ausstieg aus der Liveberichterstattung bei der Tour?

Grundsätzlich haben die Zuschauer positiv reagiert. Aber es gibt natürlich heuer Stimmen, die beklagen, dass man in diesem Jahr nicht die deutschen Erfolge bei uns live sehen konnte. Und das Perverse ist ja, dass die Dopingerfolge Jan Ullrichs zunächst einen positiven Effekt hatten. Viele haben sich fürs Fahrradfahren begeistert. Nur wie er das geschafft hat – das ist gruselig.

Sie mussten auf dem Rechtemarkt gerade eine Niederlage einstecken. RTL hat ARD und ZDF die Übertragungsrechte für die Qualifikationsspiele der deutschen Fußball-Nationalelf für die EM 2016 und die WM 2018 weggeschnappt.

Wir sind von vielen Zuschauern beschimpft worden, wie es sein kann, dass sie die Länderspiele nicht mehr öffentlich-rechtlich sehen können. Neben Information, Kultur und Unterhaltung müssen wir im Sinne unseres Auftrags auch Sport und vor allem auch Fußball im Programm haben. Es kann ja nicht sein, dass das am härtesten umkämpfte Gut, das es in der deutschen Sportberichterstattung gibt, anderen überlassen wird.

Damit sind Sie von den Rechteverkäufern berechen- und erpressbar…

Halt, halt. Das ist kein Automatismus. Das hat man ja gerade gesehen, dass wir nicht jeden Preis zahlen. Wenn die Privaten wollen – und RTL wollte kurzfristig etwas Großes, Programmliches tun – verlieren wir auch mal Rechte. Da hat man uns überboten. Wenn es wirtschaftlich nicht geboten ist, können wir nicht Unsummen zahlen.

Wie gefüllt ist denn die Kriegskasse?

Ich werde keine Zahlen nennen. Ich kann nur sagen, dass die ARD-Intendantinnen und -Intendanten den Sportetat für 2013 bis 2016 erheblich gekürzt haben. Auch für Kernrechte gilt: Wir müssen nicht jedes Recht zu jedem Preis haben. Aber natürlich werden wir weiter in den Fußball investieren. Spitzensport und Spitzenfußball gehören ins öffentlich-rechtliche System. Aber bei den Olympischen Spielen haben die Privatsender nicht mal ernsthaft mitgeboten.

Die Gremien des MDR werfen Ihnen allerdings vor, zu viel Ihres Sportetats für Fußball auszugeben, nämlich 70 Prozent. Den Schuh, dass Sie zu wenigen Sportarten Platz geben, ziehen Sie sich also nicht an?

Genau. Wir zeigen 50 Sportarten im Ersten und mit den Dritten gemeinsam werden es sogar 100. Diese Vielfalt bietet kein anderes Vollprogramm auf der ganzen Welt. Auch die hoch gelobte BBC zeigt nur drei der vier Hauptsportarten. Der gesamte Sport hat bei uns im Programm nur einen Anteil von sechs bis acht Prozent, macht aber fast ein Fünftel unserer Marktanteile aus.

Für das nicht gezeigte Finale der Damen in Wimbledon haben Sie viel Prügel bezogen. Wie man hört, waren Sie nur bereit, zunächst 100 000 und dann 300 000 Euro an Sky zu zahlen. Warum der Geiz?

Ich werde die Zahlen nicht kommentieren. Aber glauben Sie mir: Die 300 000 wären verdammt viel für eine Stunde Programm und im Nachhinein weiß ich auch, dass Sky nie ernsthaft bereit war, dieses Spiel an uns zu verkaufen. Das war nur Show. Das passiert uns nicht noch einmal. Als Sky vor vier Jahren die kompletten Wimbledon-Rechte erwarb, hat keiner ahnen können, dass 2013 eine Deutsche im Finale stehen wird.

Nun können Sie es besser machen. Die Rechte ab 2014 sind auf dem Markt. Haben Sie Ihr Gebot schon abgegeben?

Ja, in diesen Tagen erwarte ich sogar schon die Entscheidung. Aber ARD und ZDF haben nicht für alle Spiele geboten, sondern für ein gemeinsames Paket. Da geht es um die zweite Turnierwoche.

Wann bieten Sie um die nächsten Fußballturniere?

Wenn Sie auf den Markt kommen. Meines Wissens sind noch nicht alle Rechte für die EM 2016 verkauft. Erst danach geht die Uefa an die Vermarktung von 2020.

Warum zeigen Sie so viel vom Motorsport-Wettbewerb DTM?

Erst mal waren die Rechte durchaus umkämpft, die Leute strömen in Massen zu den Rennen, wir haben zweistellige Marktanteile, und die DTM ist eine verlässliche Klammer für unsere Sportnachmittage. Außerdem sind die drei wichtigsten deutschen Autohersteller dabei. Die Rechte laufen noch zwei Jahre.

Wie sehr ist das ZDF Konkurrent oder Partner?

Vor allem Partner. Wir selbst hätten allein gar nicht die Sendeflächen, um alles zu zeigen. Konkurrenz gibt es bei der Auswahl der besten Tage bei Großereignissen. Am Ende ist das Verhältnis zu ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz aber so gut, dass sich keiner für seine Einkäufe von den eigenen Leuten verprügeln lassen muss.

Trotzdem haben die Mainzer die Champions League und die ARD nicht?

Für uns war von vorneherein klar, dass uns nur die Nationalmannschaft, Bundesliga und DFB-Pokal interessieren. Gerade in der ersten Runde kommen wir doch unserem föderalen Auftrag sehr nach.

Die Sehgewohnheiten verändern sich durch die mobilen Geräte. Sie müssen entsprechende Rechte erwerben.

Das lineare Fernsehen wird noch lange der wichtigste Treiber bleiben. Der TV-Konsum steigt ja noch immer von Jahr zu Jahr. Ich glaube aber auch, dass die Politik sehr genau darüber nachdenken muss, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft konkurrenzfähig sein kann. Noch informiert man sich auf dem Tabletcomputer nur im Second Screen.

Sie waren früher selbst bei Sat 1. Tut es Ihnen leid, wie der Sender jetzt so ohne großen Fußball vor sich hindümpelt?

Fußball bei Sat 1 war fürs Privatfernsehen ein enormer Treiber. Nun muss sich Sat 1 fragen, ob und wie man das Thema in Zukunft umsetzt.

Haben Sie Angst, dass RTL bei seinen Länderspielen neue Qualitätsstandards setzt?

Nein, wirklich nicht. Denn in den vergangenen Jahren hat die ARD bei Länderspielen in jeder Beziehung einen hohen Qualitätsstandard gesetzt. RTL wird das sicher auch tun. Wir überprüfen uns aber ständig selbst und sind in dieser Hinsicht durchaus selbstbewusst.

Der Platz von Monica Lierhaus in der Sportmoderation ist immer noch verwaist. Wann gibt es da eine neue Personalie?

Warten Sie ab. Bei den Frauen hat es in der Tat eine kleine Delle gegeben. Aber auch Monica Lierhaus hatte Zeit, sich zu entwickeln, und die sollte man den Talenten, die wir haben, auch geben.

Das Gespräch führte Jörg Seewald.

Axel Balkausky ist Sportkoordinator der ARD und entscheidet mit, welche Sportarten im Ersten gezeigt werden. Privat ist

der 51-Jährige ein Fan

des Fußballvereins

Werder Bremen.

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