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Bloggerkolumne: Schützt sie vor sich selbst

Keine Frage, Datenschutz ist wichtig. Doch für so manchen Datenschützer in Deutschland ist der Kampf gegen amerikanische Internetkonzerne zur Ideologie geworden, meint unser Autor.

"Wie passt der Börsengang von Facebook zur These, dass Facebook den neuen Faschismus bringt?“, fragte Martin Rost im August dieses Jahres in seinem Blog. Und wer unter dieser Überschrift eine lustige Glosse erwartete, die etwa Kulturpessimisten im Feuilleton der „FAZ“ auf die Schippe nimmt, der wurde enttäuscht. Martin Rost meint das ernst: In dem Pamphlet greift er tief in die Nazi-Vergleich-Kiste („Facebook ist der Führer und fast alle folgen“), wirft mit anti-amerikanischen Verschwörungstheorien um sich („Die CIA agiert als Welt-Gestapo und -Stasi zugleich, lenkt zentral die Staaten und Organisationen dieser Welt“) und entdeckt Parallelen zwischen dem munteren Treiben der Facebook-Nutzer und den Opfern der Massenmordmaschinerie in den Konzentrationslagern der Nazis („Die Opfer liefern selber ein, das ist sozialtechnologisch so genial wie die Quasi-Selbstorganisation der KZ, deren tödlicher Betrieb von relativ wenigen Wachleuten aufrecht erhalten wurde“).

Nun ist das Netz bekanntlich voller Spinner und Verschwörungstheoretiker und man ist versucht, Rosts Traktat einfach unbeachtet in den unendlichen Weiten des Web liegen zu lassen, wäre da nicht der Fakt, dass der Autor des wirren Geschreibsels auf der Gehaltsliste des Bundeslandes Schleswig-Holstein stünde. Martin Rost ist Datenschützer, genauer: Mitarbeiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD).

Dass Rost mit seinen Ansichten ausgerechnet beim ULD in Lohn und Brot steht, ist kein Wunder, denn in den Worten und Taten von Thilo Weichert, dem Leiter des Landeszentrums, kann man ein ideologisches Muster erkennen, das zumindest in eine ähnliche Richtung zeigt, wie der Wirrsinn des Martin Rost. Auch Weichert hat „amerikanische Internet-Konzerne“ – also hauptsächlich Google und Facebook – zu seinen Lieblingsfeinden erklärt. Kürzlich verkündete er stolz, er habe einen Einschreibebrief („mit Rückschein“) an die Facebook-Zentrale in Palo Alto, Kalifornien, USA, geschickt.

Inhalt: die Forderung, binnen zwei Wochen das deutsche Recht des Telemediengesetzes bezüglich der Möglichkeiten, im Internet unter Pseudonym tätig zu sein, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen. Hintergrund: Facebook verlangt von seinen Nutzern, ihre Profile unter echten Namen zu führen und fordert unter besonderen Umständen eine Kopie des Ausweises. Das kann man ärgerlich finden oder sogar gefährlich – schließlich wird Facebook auch von Dissidenten und Demonstranten etwa in der arabischen Welt genutzt. Man kann es aber auch einfach egal finden, denn es ist kein Fall bekannt, in denen Facebook Bürgerrechtler zur Aufgabe ihrer Anonymität nötigte.

Es zeigt sich ein wiederkehrendes Verhaltensmuster: Geht es um amerikanische Konzerne, kann Weichert die Hand nicht vom Alarmknopf lassen. Geht es um Bund oder Länder, die in Sachen Datenschutz umstritten agieren, versinkt Weichert im Bermuda-Dreieck zwischen schweigsam, gnädig und allerhöchstens milde kritisierend. Ob er damit den Bürgern einen großen Dienst erweist, darf man bezweifeln.

Mario Sixtus ist Blogger und Filmer.

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