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Die vielen und der eine. Die Homepage der ZAV-Künstlervermittlung ist voll von Schauspielern, die Arbeit suchen. Ein Star wie Til Schweiger kann sich seine Rollen dagegen aussuchen.

© dpa

Bonjour, Tristesse: Harte Zeiten für Schauspieler

Nicht nur wegen Til Schweiger gilt der Schauspielerberuf als glamourös. Aber für die meisten Schauspieler ist die Wirklichkeit in Deutschland anders: Die Gagen sinken, die Rollen schwinden.

Schon jetzt hat Til Schweiger als neuer „Tatort“-Kommissar einen Rekord gebrochen. Der Krimi, der gerade in Hamburg gedreht wird, wird mit rund zwei Millionen Euro der teuerste „Tatort“ aller Zeiten. Die hohen Produktionskosten werden jedoch vermutlich nicht nur dadurch verursacht, dass Regisseur Christian Alvart eine Art „Lethal Weapon an der Waterkant“ plant und statt der üblichen 22 Drehtagen 24 angesetzt wurden, sondern auch an Schweigers Gage. Denn der 48-jährige Star gehört zu den wenigen Topverdienern der deutschen Schauspielbranche. Das ist erst mal schön für Schweiger. Die meisten seiner Kollegen wird das weniger freuen.

Die Pressestelle des NDR versichert zwar, dass wegen des Schweiger-Engagements „an keiner Stelle Schauspieler einen Cent weniger bekommen“. Andererseits, gibt Bernhard Hoestermann zu bedenken, „fehlt das Geld dann natürlich im Gesamtbudget für die Fernsehspiele, was sich dann negativ auf die Gagen der Schauspieler im Mittelfeld auswirkt.“ Hoestermann ist seit 1990 Inhaber der gleichnamigen Schauspieleragentur in Berlin-Kreuzberg, zu seinen Klienten gehören unter anderem Jessica Schwarz, Thomas Kretschmann und Robert Stadlober. „Die Einkommensschere zwischen den wenigen, von denen man glaubt, nicht auf sie verzichten zu können, und den vielen anderen wird immer größer“, sagt Hoestermann. Das ist in anderen Berufsgruppen im Moment genauso, nur fällt dieses Missverhältnis bei Schauspielern, deren Dasein man mit Glamour und Luxus verbindet, besonders auf. Es ist dieser krasse Gegensatz zwischen dem Glanz der Roter-Teppich-Läufer und der Tristesse der vielen Tausend, denen stetig die Gagen gekürzt werden.

Bei der ZAV-Künstlervermittlung, die direkt der Bundesagentur für Arbeit angegliedert ist, sind jene registriert, die sich die Privatagenturen mit Vermittlungsgebühren zwischen zehn und 15 Prozent nicht leisten können oder wollen. Bei der provisionsfreien ZAV sind bundesweit ungefähr 5000 Schauspielerinnen und Schauspieler registriert, gerade wurde die Kartei jedoch kräftig ausgedünnt, sagt Jörg Brückner, Teamleiter der ZAV in Berlin. „Alle, die zwei Jahre lang kein Engagement hatten, fliegen raus.“ Wie viele der registrierten zurzeit arbeitslos sind und wie viele Schauspieler es insgesamt in Deutschland gibt, kann er nicht sagen. Die Dunkelziffer ist hoch, und da die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist, kann sich jeder so nennen. Allein auf der Kölner Castingplattform „Filmmakers“ sind tausende Profile hinterlegt, und das ist nur eine Plattform unter vielen.

„Bis Mitte der 1990er Jahren haben die Privatsender einigen Schauspielern noch Geldsäcke hinterhergeworfen, um sie von den Öffentlich-Rechtlichen wegzulocken“, sagt Hoestermann. „Heute betrachten die Sender das als den großen Sündenfall und gehen mit den Gagen deutlich nach unten.“ Am Vorabend, also vor 20 Uhr 15, würden bei vielen Serien grundsätzlich zwischen zehn und 25 Prozent weniger gezahlt als in anderen Produktionen desselben Senders. „Wer da mitspielen will, muss eben mit weniger zufrieden sein.“

Im Moment gäbe es ein absolutes Gagendumping, bestätigt Hans-Werner Meyer. Der 48-jährige Schauspieler hat zahlreiche Hauptrollen gespielt, darunter in der ZDF-Serie „Die letzte Spur“, in „Tsunami – Das Leben danach“ mit Veronica Ferres (ZDF) und „Beate Uhse – Das Recht auf Liebe“ mit Franka Potente (ZDF). Er ist viel beschäftigt und zählt sich selbst zu den Privilegierten, „aber große Sprünge machen kann ich nicht“. Gemeinsam mit sechs Kollegen hat er 2006 den Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) gegründet, der sich seitdem für die die Interessen seiner mittlerweile über 2200 Mitglieder einsetzt und vor allem die Gagen-Talfahrt aufhalten will. Aktuell befindet sich der BFFS in Tarifverhandlungen, in der er unter anderem eine tarifliche Anfängergage fordert, „die deutlich über der Gage von Tieren liegt“, sowie die Wiedereinführung von Wiederholungshonoraren und Erfolgsbeteiligungen.

"Sender und Produzenten unterbieten sich in ihren Standards"

Die vielen und der eine. Die Homepage der ZAV-Künstlervermittlung ist voll von Schauspielern, die Arbeit suchen. Ein Star wie Til Schweiger kann sich seine Rollen dagegen aussuchen. Screenshot: Tsp/Foto: NDR
Die vielen und der eine. Die Homepage der ZAV-Künstlervermittlung ist voll von Schauspielern, die Arbeit suchen. Ein Star wie Til Schweiger kann sich seine Rollen dagegen aussuchen. Screenshot: Tsp/Foto: NDR

© dapd

Ein weiteres Ärgernis für ihn sind sogenannte „Sondergagen“, die bis zu 20 Prozent unter den üblichen Honoraren liegen. „Im Moment unterbieten sich die Sender und Produzenten in ihren Standards“, sagt Meyer. Mittlerweile sei es in der Branche üblich und werde geradezu erwartet, dass für wenig Geld oder gar umsonst gearbeitet wird. „Es wird moralischer Druck ausgeübt, dass man den Nachwuchs unterstützen muss. All das ist in gewisser Weise legitim, wenn es eine Tarifregelung für eine Mindestgage gäbe, unter der keiner arbeiten darf.“ Ein Film müsse ein gewisses Budget haben, um realisiert werden zu können. Wenn es dieses Budget nicht gebe, müsse man sich fragen, ob dieser Film notwendig sei.

„Die Situation für Schauspieler ist härter geworden“, sagt auch Gisela Tatsch-Daust, die über ihre Berliner Agentur Schauspieler wie Jürgen Heinrich und Rolf Hoppe betreut. „Vor zehn Jahren konnte ein Schauspieler noch sehr gut von seinem Beruf leben. Es gab mehr Drehs, es gab Wiederholungsgagen, und Schauspieler konnten Zeiten ohne Engagement mit Arbeitslosengeld überbrücken.“ Durch eine veränderte Gesetzgebung hätten Schauspieler jetzt nicht mehr wie früher drei Jahre Zeit, um 360 Versicherungstage zu sammeln, sondern müssten das in zwei Jahren schaffen, „und das ist eigentlich kaum möglich“. Dafür müsste man jeden zweiten Tag drehen, und das können laut Tatsch-Daust selbst die bekanntesten Stars nicht aufweisen. Dadurch könnten nur Schauspieler Arbeitslosengeld beziehen, die fest am Theater engagiert oder durchgehend in einer Serie beschäftigt seien. Andere, die nur wenige Drehtage haben, bekommen kein Arbeitslosengeld, obwohl ihnen über die Lohnsteuerkarte bei Beschäftigung sehr hohe Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgezogen würden. Zudem werde die Zahl der Produktionen immer weniger, man sehe immer mehr Game- oder Reality-Shows wie „Bauer sucht Frau“ und ähnliche Formate im Fernsehen. „Hochwertige Filme und Serien werden immer seltener produziert“, sagt die Agentin. Eine Schlichtproduktion wie die Daily Soap „Berlin – Tag & Nacht“ beschert RTL II seit Monaten Spitzenwerte. Film-Events und Serien sind immer das größere Risiko für die Sender.

Der Kostendruck der Produktionsfirmen sei heute sehr groß, sagt Claudia Fitz, die gemeinsam mit Ulla Skoglund die Agentur „Fitz + Skoglund Agents“ betreibt. „Oft ist es so, dass wir eine Anfrage von einer Castingfirma bekommen, die Gage des Schauspielers ansagen und der Caster dann das Budget für die Rolle benennt, die meist weit unter der normalen Gage liegt. Dann muss der Schauspieler in Absprache mit uns abwägen, ob er die Rolle trotzdem übernehmen möchte.“

Frau Fitz sagt aber auch: „Wir waren sehr verwöhnt in Deutschland. Die Gagen in England und Frankreich sind zum Beispiel viel niedriger. Wenn unsere Klienten internationale Projekte drehen, zum Beispiel in Großbritannien, werden dort Wochengagen verhandelt, die oft einer deutschen Tagesgage entsprechen.“

Schauspielergagen hängen von der Bekanntheit, der Popularität und der Medienpräsenz ab. Durchschnittlich bewegen sie sich zwischen 500 und 2000 Euro pro Drehtag, Stars wie Til Schweiger, Götz George oder Christoph Waltz verdienten um ein Vielfaches mehr. 500 bis 2000 Euro klingt natürlich erst mal viel, bedenkt man jedoch, dass die meisten Darsteller nur sehr wenige Drehtage im Jahr haben und die Vorbereitungszeit, um das Drehbuch zu lesen und die Rolle zu lernen, oft nicht vergütet wird, schrumpft die hohe Tagesgage schnell zu einem Mini-Jahresverdienst.

„Ich glaube, die Zahl der Schauspieler und Agenturen wird sich verkleinern“, sagt Agentin Fitz, „weil die veränderte Auftragslage in der Filmbranche nicht die große Menge der Schauspieler mit Arbeit versorgen kann.“ Nur die, die sich durchsetzen würden, blieben auf dem Markt. „Es sind vielleicht auch zu viele.“

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