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Arbeitskleidung eines Afghanistan-Korrespondenten: Bei Reportagefahrten außerhalb von Kabul trägt Christoph Reuter das landestypische Gewand. Foto: Privat/dapd

© dpa

Kriegsreporter: Brille ab, Mütze auf

Allein am Hindukusch: Wie der letzte deutsche Korrespondent in Afghanistan, Christoph Reuter, arbeitet.

Ursprünglich hätte Christoph Reuter Afghanistan bereits verlassen sollen. Vor zwei Wochen hatte der Journalist offiziell seinen letzten Arbeitstag in Kabul. Doch nach dem Anschlag von Talokan, bei dem erstmals auch ein deutscher General verletzt wurde, berichtet der 43-Jährige nun noch etwas länger vom Hindukusch. So bleibt Reuter, der bislang für den „Stern“ gearbeitet hat und künftig als Nahost-Berichterstatter für den „Spiegel“ schreiben wird, erst einmal der letzte deutsche Korrespondent in Afghanistan.

In der Hauptstadt Kabul selbst gibt es keine größeren persönlichen Einschränkungen, abgesehen davon, dass man die Stadt nur 50 Kilometer nach Süden verlassen kann und auch nach Osten und Westen nur bedingt. „Es ist ein bisschen wie Saigon in den frühen 70ern“, sagt Reuter. Er lebt in einem etwas älteren Stadtviertel. Viele Häuser wurden noch mit dicken Lehmmauern gebaut. Das Gebäude, in dem Reuter wohnt, stammt aus den 70er Jahren und verfügt über einen Garten. Innerhalb der hohen Mauern befindet sich auch ein kleines Haus für den Wächter. „Ein Haus, in dem sich keiner aufhält, zieht Einbrecher an“, sagt Reuter. Eine Waffe trägt der Wächter mit Nebenjob Gärtner nicht. „Legal ist nur schwer an eine Waffe zu kommen. Und eine illegale Waffe könnte als Vorwand dienen, einen missliebigen Korrespondenten auszuweisen“. Ein wirksamer Schutz ist ohnehin nur schwer möglich. „Wenn die Taliban einen Anschlag planen wie vor zwei Jahren auf das UN-Gästehaus, dann spielt es keine Rolle, ob das Gebäude von einer Kamera überwacht oder von mehreren Wächtern geschützt wird. Das sind ja keine schlecht bewaffneten Einzeltäter, sondern zu allem entschlossene Killertrupps“, beschreibt der Korrespondent die Sicherheitssituation.

Dennoch fühlt sich Reuter nicht besonders gefährdet. Ein Türschild mit der Aufschrift „Deutscher Journalist“ gibt es nicht, genauso wenig wie ein funktionierendes Meldewesen. Überhaupt vertraut Reuter auf seine Erfahrung. „Ich bin bereits seit 2002 immer wieder für Reportagen in Afghanistan gewesen, so dass die Tätigkeit als Korrespondent kein Sprung ins kalte Wasser für mich war“, sagt Reuter auf die Frage, ob er vor seinem Einsatz ein Sicherheitstraining für Journalisten absolviert habe. Tatsächlich folgte das erst später vor Ort, unter anderem für die Versicherung, wie Reuter sagte.

Seine Schutzvorkehrung besteht in angemessener Kleidung. „Bei Fahrten nach Kundus, Jalalabad oder in den Süden ist es mittlerweile besser, nicht als Ausländer erkannt zu werden. Dann heißt es: Brille ab, Mütze auf und das landestypische Gewand anziehen.“ Der weiße Toyota Corolla seines afghanischen Assistenten fällt ohnehin nicht auf, dieser Typ ist eines der häufigsten Fahrzeuge in Afghanistan.

Von freier und ungehinderter Berichterstattung kann aber insgesamt nicht die Rede sein. „Man überlegt sich genau, was man veröffentlicht und womit man besser wartet, bis man hier nicht mehr wohnt.“ Er habe erlebt, wie andere Kollegen in Schwierigkeiten gerieten durch Geschichten über Schmiergeldforderungen im Staatsapparat. „Man weiß nie, wie die Leute reagieren, denen man auf die Füße tritt.“ Dabei sei die Informationsbeschaffung selbst kein Problem, „wenn man Leute kennt“. Aber es ist extrem mühsam, zu diesem Themenkomplex gerichtsverwertbare Dinge zu bekommen, weil es viel weniger Aktenvorgänge gibt. Vieles geschehe mündlich, es gebe kaum Banküberweisungen, das Geld werde beim Geldwechsler vorbeigebracht, erzählt Reuter.

Ob offizielle Stellen Journalisten bei der Arbeit behinderten, sei schwer zu sagen. Häufig wisse man nicht, ob etwas aus Absicht oder Unfähigkeit geschieht. „Wenn es geht, vermeiden wir es, mit den Pressestellen der Ministerien zu tun zu haben. Wir recherchieren lieber bei Leuten, die Leute kennen, die Leute kennen, die im Ministerium arbeiten.“

Zu den Taliban Kontakt aufzunehmen, ist erstaunlicherweise gar nicht so schwierig. Über Mobiltelefon funktioniere das „kurios gut“. Mit persönlichen Kontakten sind die Korrespondenten nach mehreren Entführungsfällen hingegen zurückhaltend geworden. Man wisse nicht, ob Absprachen eingehalten würden. Stattdessen werden afghanische Kollegen mit Fragekatalogen losgeschickt, um Auskünfte zu bekommen.

Dass er künftig als Auslandskorrespondent von unterschiedlichen Orten des Nahen Ostens und nicht mehr fest aus Kabul berichten wird, bedauert Reuter nicht. Er habe nicht das Gefühl, dass hier ein Staat geschaffen wird, der über den Abzug der Isaf-Truppen hinaus Bestand hat. „Die Konflikte sind nach wie vor nicht gelöst.“

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