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Das #guardiancoffee ist im Boxpark-Einkaufzentrum in Shoreditch untergebracht.

© Tsp

Cafés gegen Leserschwund: "Guardian" und "Monocle" betreiben eigene Coffeeshops

Kaffee am Morgen und Redakteure zum Anfassen. "Guardian" und "Monocle" suchen in eigenen Cafés die Nähe zu den Lesern. In der Schweiz hat am Züricher Flughafen das "NZZ-Café" eröffnet.

Die Zukunft des Journalismus liegt im Kaffee. Diesen Eindruck könnte man zumindest gewinnen, wenn man die neuen Coffeeshops in London anschaut. Im Mai eröffnete die Tageszeitung „Guardian“ einen kleinen Coffeeshop im hippen Viertel Shoreditch, in einer der angesagtesten Ladenzeilen der Stadt. Kurz zuvor hatte das Magazin „Monocle“ im eher vornehmen Stadtteil Marylebone ein Café aufgemacht. Die Idee, über die Café-Kultur Leserbindung oder sogar Neugewinnung zu betreiben, ist keinesfalls neu. Schon länger gibt es in London ein Café des „National Geographic“-Magazins. Und die „Neue Zürcher Zeitung“ hat am vergangenen Freitag am Züricher Flughafen das „NZZ Café“ eröffnet.

Ob in Kanada, Japan oder Tschechien, überall eröffnen Zeitungs- und Magazinverlage Cafés – und verlegen sogar ihre Redaktionssitzungen in die verlagseigenen Kaffeehäuser. Ein Zeichen, dass man sich dem Leser öffnen will, auf Begegnung setzt. Themenvorschläge am Kaffeetisch sind dabei durchaus erwünscht.

In seinem neu eröffneten „#guardiancoffee“ setzt der „Guardian“ auf ein neues Konzept der Zeitungs- und Kaffeehauskultur. Nicht die Printausgabe steht im Vordergrund, sondern das Digitale. Im Boxpark in Shoreditch – einem Einkaufskomplex aus Schiffscontainern, die man für drei Monate zum Pauschalpreis von 5000 Pfund (rund 5700 Euro) mieten kann – hat der „Guardian“ in drei Containern seinen Coffeeshop eingerichtet. Die gedruckte Ausgabe der Zeitung sucht man in dem schuhkartonartigen Café vergeblich. Stattdessen befinden sich fest montierte iPads auf den Tischen, die ausschließlich ein Angebot zeigen: nämlich das des „Guardian“.

Eine Monitorwand zeigt den aktuellen Kaffeeverbrauch an. Wer gerade über den Coffeeshop twittert, ist ebenfalls zu sehen; daneben werden Meldungen aus der Technologie-Redaktion angezeigt. Aber nicht nur die Leser sollen das neue Café nutzen, auch die IT-Redaktion soll die Location für Interviews und Recherchen nutzen. Jemima Kiss, Leiterin der Technologie-Abteilung des „Guardian“, hofft, dass #guardiancoffee den Journalismus zugänglicher und offener macht. „Wir wollen Journalisten tiefer in die entscheidenden Gruppen einbetten, über die wir schreiben“, sagt sie.

Im Café der Zeitschrift "Monocle" geht es noch um Gedrucktes.

Von iPad & Co. will das Magazin „Monocle“ hingegen gar nichts wissen, und das merkt man auch seinem Café an. „Monocle“ ist ein internationales Nachrichten- und Lifestylemagazin, das vom kanadischen Journalisten und Unternehmer Tyler Brûlé 2007 gegründet wurde. In den Regalen an den Wänden des Cafés stehen aktuelle und ältere Ausgaben des Hefts. Alles ist sehr japanisch angehaucht, und das ist kein Zufall: Bereits 2011 eröffnete „Monocle“ erfolgreich in Tokio sein erstes Café. Das Konzept wurde nun auch für London übernommen.

In einem kleinen Hinterzimmer läuft das eigene Online-Radio von „Monocle“, der Fernseher an der Wand ist stumm geschaltet, die aktuellen Börsenkurse wandern über den Bildschirm. „Wir wollten einen Platz schaffen, der für ein Treffen zum Morgenkaffee genauso geeignet ist wie für ein ausgedehntes Mittagessen am Wochenende oder für ein Glas Prosecco nach Feierabend“, sagt Chefredakteur Brûlé. Die „Monocle“-Fans scheinen das Café gut anzunehmen, was auch daran liegen könnte, dass die Zeitschrift dort zum halben Preis verkauft wird, wenn man einen Kaffee trinkt.

Die Reaktion auf #guardiancoffee war zumindest beim Start in der anvisierten Twittergemeinde sehr unterschiedlich. Während die einen den Innovationsgeist des „Guardian“ lobten, rechnete ein britischer Blogger aus, dass #guardiancoffee alle zwei Minuten einen Kaffee verkaufen müsse, wenn der Coffeeshop langfristig schwarze Zahlen schreiben soll. Ob sich die Café-Konzepte der Verlage langfristig tragen und wirklich zu mehr Leserbindung führen, ist derzeit aber wohl noch Kaffeesatzleserei. (epd)

Christiane Link

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