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Und gleich zum „Brennpunkt“. Unzählige Fotografen, Reporter und Kamerateams aus aller Welt warten auf die Rettung der verschütteten Bergleute in Chile. Foto: Reuters

© REUTERS

Eingeschlossene Kumpel: Chile: Stadionatmosphäre in der Wüste

In der Nacht zu Mittwoch sollen die eingeschlossenen Kumpel an die Oberfläche gezogen werden. Auch der Präsident ist vor Ort. Fernsehsender weltweit haben sich auf die Rettung der Minenarbeiter in Chile vorbereitet.

Wenige Stunden vor Beginn der Rettungsaktion für die 33 verschütteten Kumpel ist Chiles Staatspräsident Sebastián Piñera auf dem Minengelände eingetroffen. Er ließ sich von Bergbauminister Laurence Golborne über den letzten Stand der Vorbereitungen unterrichten. Der erste Kumpel soll möglichst vor Mitternacht am Dienstag Ortszeit (Mittwoch 05.00 Uhr MESZ) an die Oberfläche gezogen werden.

In dem Camp rund um die Kupfermine im chilenischen San José tummeln sich derzeit etwa 1700 Journalisten, Fotografen und Kameraleute aus der ganzen Welt. Seit Wochen beobachten sie die Fortschritte der Rettungsbohrungen und den Zustand der verschütteten Bergleute und ihrer Angehörigen. Es wurde eine riesige Plattform in die Wüste gebaut, nur um den vielen Medienleuten und ihren Kameras einen guten Blick auf den Rettungsschacht zu ermöglichen. Die Befreiung der 33 eingesperrten Minenarbeiter ist das Medienereignis dieser Tage.

Auch in Deutschland war schon viel zu lesen und zu sehen: Die „Tagesthemen“ zeigten, wie das Bohrfahrzeug abfuhr, dessen Tunnel die Bergleute als erstes erreicht hat, Spiegel.de begleitete die Frauen in den Schönheitssalon, wo sie sich für das Wiedersehen aufhübschen ließen. Wenn die Rettung erst beginnt, wird sich alles auf die enge Röhre konzentrieren, aus der die Bergarbeiter ans Tageslicht befördert werden; es wird dann sehr voll werden auf der großen Plattform. N24-Reporter Alexander Privitera ist mit einem Kamerateam vor Ort, er erwartet eine „Stadionatmosphäre“.

Im deutschen Fernsehen wird die Rettung omnipräsent sein. Das ZDF will einen Livestream auf heute.de anbieten, dazu Spezialsendungen um 9 und 12 Uhr mit Live-Kommentierungen der Rettungsarbeiten und Schaltungen zu den ZDF-Korrespondenten. Die ARD will schon um 5 Uhr im „Morgenmagazin“ berichten und ihre über den Tag verteilten Nachrichtensendungen verlängern. Dazu kommt voraussichtlich eine Sondersendung nach den „Tagesthemen“. Der Nachrichtensender N24 hat „den ganzen Tag auf die Ereignisse in Chile ausgerichtet“, sagte Sprecherin Kristina Fassler. Man werde das Hauptprogramm unterbrechen und live nach Chile schalten. „Dann werden wir schauen, was passiert und ganz aktuell entscheiden, ob wir drauf bleiben oder nicht“, sagte Fassler. Denn jede Fahrt der Rettungskapsel dauert eine Stunde. Diese Zeit wird N24 für Interviews nutzen, je nach Nachrichtenlage aber auch wieder auf das normale Programm zurückgreifen. „Die Leitung nach Chile wird aber die ganze Zeit stehen“, so Fassler. Der Livestream auf n24.de soll ohne Unterbrechung weiterlaufen.

Nach der Rettungsaktion wird der Medienansturm auf die Bergarbeiter losgehen – zum Teil auch mit finanziellen Anreizen. Die Angehörigen, so berichtet ein AFP-Fotograf, würden sich zum Teil nur gegen Bezahlung ablichten lassen. „Bild“-Reporter Daniel Böcking erzählt, die Masse an Berichterstattern „erschwere die Bedingungen, mit den Leuten zu sprechen“. Auch ihm sei aufgefallen, „dass zur Zeit sehr viele Journalisten mit Geldscheinen durch das Camp ziehen“. In den nächsten Tagen werden die Geretteten wohl keine Interviews geben. Sie haben mehr als zwei Monate in Dunkelheit und Angst verbracht, danach möchten sie erst einmal ihre Ruhe haben. Der Journalist Alejandro Pino hat sie zwar, noch während sie in der Tiefe saßen, in Interviewtrainings auf den Medienansturm vorbereitet. Dennoch, so berichtet er, wollen sie „erst einmal ein paar Tage mit ihren Familie zusammen sein. Sie haben viel zu erzählen, aber erlaubt es ihnen zuerst, ihre Frauen, Kinder und Enkel fest in den Arm zu nehmen.“

Unter den Journalisten vor Ort geht aber ein Gerücht um: Mario Sepulveda, der Minenarbeiter, der schon die Videobotschaften der 33 Kameraden an ihre Angehörigen kommentierte, soll als einer der ersten nach oben gebracht werden. Viele erwarten, dass er dann eine kurze, patriotische Dankesrede hält. Es wird eine Rede sein, bei der die ganze Welt zusieht.

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