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Ex-Bundespräsident Christian Wulff erklärt sich bei Maybrit Illner im ZDF.

© Tsp

Christian Wulff bei Maybrit Illner: Eine Stilfrage

Ex-Bundespräsident Wulff tritt das erste Mal wieder in einer Talkshow auf. Er selbst stilisiert sich gerade gerne zum politischen Märtyrer, der gehen musste, weil mächtigen Medienhäusern seine Haltung zum Islam nicht passte. Die Talkgäste wollen ihm das nicht durchgehen lassen.

Von Robert Birnbaum

Maybrit Illner gibt sich redlich Mühe, aber es ist nicht einfach. Christian Wulff fühlt sich umfassend im Recht. Das macht einen Studiogast selbst dann relativ schwierig, wenn es sich nicht um einen ehemaligen Bundespräsidenten handeln würde. Es geht gerade um die Sache mit dem Haus-Kredit. Illner will wissen, warum er nicht einfach gleich zu Anfang alles auf den Tisch gelegt habe, was es darüber zu sagen gab.

Wulff guckt sie mit einem streng nachsichtigen Lächeln an. „Ich versteh' ja, dass Sie jetzt versuchen, die Schuld auf denjenigen zu schieben...“- der Satz kommt nicht zum Ende, aber es ist ohnehin klar, was er bedeuten soll: Sie, Frau Illner, sind eben auch bloß so eine von diesen Journalisten.

Illner lässt sich nicht abbügeln, aber einfach ist es wirklich nicht. Zum ersten Mal seit seinem Rücktritt sitzt Christian Wulff wieder in einer Talkshow, als Gäste dabei die frühere Grünen-Politikerin Antje Vollmer und Heribert Prantl, Chef-Kommentator der „Süddeutschen Zeitung“. Vollmer erklärt den Fall Wulff kategorisch zur Schmuddelkampagne und Machtdemonstration der „Bild“-Zeitung. Ansonsten nickt sie Wulff aufmunternd zu. Es bleibt also den beiden Journalisten überlassen, gelegentlich dann doch Zweifel anzumelden an der Weltsicht des Hauptgasts.

Wulff stilisiert sich neuerdings zum politischen Märtyrer

Das ist, man muss es so sagen, bitter nötig. Wulff sieht sich ungerecht behandelt in den Wochen vor und nach seinem Rücktritt – was zweifellos stimmt. „Eine solche Jagd hat es in der Geschichte der Republik noch nicht gegeben“, hält Prantl selbstkritisch für eine ganze Branche fest, die sich zum Schluss nicht scheute, einen Bobbycar zum Bestechungsobjekt hochzujazzen. Aber dass Wulff jede Recherche in seinen Privatverhältnissen zur Ungeheuerlichkeit erklärt, findet der Journalist nicht in Ordnung - es habe sehr wohl einen Verdacht auf Korruption gegeben, dem nachzugehen war.

Auch dass Wulff sich neuerdings zum politischen Märtyrer stilisiert, der angeblich gehen musste, weil mächtigen Medienhäusern seine Haltung zum Islam nicht passte, mögen ihm die beiden nicht einfach durchgehen lassen. „Ich glaube nicht an ein Komplott“, sagt Prantl. Er rede ja gar nicht von einem Komplott, sagt Wulff. Das stimmt, macht die dünn belegte  Verschwörungstheorie aber auch nicht besser.

Doch Wulff, das wird an diesem Abend klar, sieht sich nun einmal umfassend im Recht. Man hat ihn gejagt und zum Abschuss freigegeben, kein einziger der Vorwürfe hat vor Gericht standgehalten, so sieht er das - jetzt setzt er seine Jäger auf die moralische Anklagebank.

Wulff räumt Fehler ein

Dass er selber Fehler gemacht habe, räumt er zwar immer wieder ein. Aber sie klingen aus seinem Mund allesamt wie lässliche Lappalien. Ja, er hat sich zu besseren Zeiten tief mit der „Bild“-Zeitung eingelassen, den Boulevard mit Bildern und Privatgeschichten gefüttert. Ja, er hat den „Bild“-Chef angerufen: „Das war vertrauensselig.“ Da wird Prantl die Geschichte vom naiven Gutmenschen dann aber doch langsam zu bunt: „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Und Sie sind darin umgekommen.“

Wulff lächelt wieder streng nachsichtig. Später wird er seufzen: „Wenn man heute weiß, dass von den Vorwürfen nichts geblieben ist außer Stilfragen ...“ Es ist vielleicht der wichtigste Satz des Abends, den 2,60 Millionen Zuschauer (Marktanteil 13,7 Prozent) verfolgten. Denn er stimmt, wenngleich anders, als Wulff es sich eingestehen will. Nicht das Strafrecht ist der Maßstab dafür, ob einer als Politiker im höchsten Staatsamt taugt, sondern exakt das, was leider immer noch blieb – Stilfragen.

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