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Cyberwar: Bedingt abwehrbereit

In einem Arte-Themenabend zum Cyberwar erhalten Europas Schutzvorkehrungen schlechte Noten. Vor allem Israel ist deutlich weiter.

Der Leiter der Ettlinger Stadtwerke nahe der französischen Grenze war geschockt. Ein Hacker war in sein Netzwerk eingedrungen. Es hatte nicht viel gefehlt, und 200 000 Menschen wären ohne Strom und Wasser gewesen. Dass dies nicht passierte, hatte nur den einen Grund, dass Felix „FX“ Lindner zwar ein Hacker, aber kein betrügerischer ist. Vielmehr wurde er von den Stadtwerken damit beauftragt, die Sicherheit des Unternehmens vor Angriffen aus dem Internet zu prüfen.

In Ettlingen ging es um die vergleichsweise simple Frage, ob ein organisierter Angreifer das Licht ausmachen kann. Die erfolgreiche Attacke – am Ende reichte es aus, eine Sekretärin in einem Gästehaus der Stadtwerke abzulenken, um sich einen direkten Zugang zum unternehmenseigenen Netzwerk zu verschaffen – ist für den Film „Netwars –Krieg im Netz“ die Probe aufs Exempel. Das Beispiel zeigt, wie weit die Vernetzung der Gesellschaft reicht – und wie wenig Wert auf die Sicherheit gelegt wird. Jedenfalls in weiten Teilen Europas.

Die Dokumentation von Marcel Kolvenbach, die der deutsch-französische Sender am Dienstag ausstrahlt, gehört zum Arte-Themenabend „Cyberwar – Krieg in der Fünften Dimension“. Der 50-Minuten-Beitrag zum Netwar ist vollgepackt mit Fakten und Analysen. Zahllose Experten sitzen vor unzähligen Monitoren. Die Hacker tragen vorzugsweise schwarze Pullis, die staatlichen Sicherheitsexperten erkennt man am Bürodress.

Sicherheit war kein wesentliches Design-Konzept

Ob in Ettlingen der Strom für einige Stunden ausfällt, ist jedoch nicht der springende Punkt. Dringt nämlich ein Virus wie Stuxnet, der das iranische Atomprogramm beinahe zum Erliegen brachte, in ein Stromnetz ein, könnten die Folgen für die kritischen Infrastrukturen weitaus schlimmer ausfallen. Wird zum Beispiel die Kühlung eines Atomkraftwerkes über längere Zeit unterbrochen, könnte das Trinkwasser verseucht werden. Auch die Industrie ist anfällig, viele Anlagen in Deutschland sind alt. Weil Sicherheit kein wesentliches Design-Konzept war, lassen sie sich häufig nicht mehr absichern, sagt Professor Volker Roth, Experte für IT-Sicherheit an der FU Berlin. Felix Lindner weist in dem Filmbeitrag noch auf ein anderes Problem hin: Als die Anlagen entwickelt wurden, hat man sich zwar viele Gedanken darüber gemacht, wie die Systeme gegen normale Betriebsausfälle abgesichert werden können, an gezielte Angriffe aus dem Internet wurde hingegen nicht gedacht. Anders gesagt: Ein Stück digitaler Code reicht aus, um ganz Europa zurück ins Mittelalter zu bomben. Das behauptet jedenfalls der Arte-Beitrag.

Während Europa noch über eine Strategie zur Sicherung der Infrastruktur nachdenkt, ist man in Israel bereits erheblich weiter. Gegen Raketenangriffe gibt es dort ein mobiles Raketenabwehrsystem – bekannt als Iron Dome oder Eiserne Kuppel. Vor 15 Jahren haben die Israelis zudem erkannt, dass Strom, Wasser und Verkehr durch Hacker angreifbar sind und dagegen einen Cyber-Dome entwickelt. Gehandelt wird dabei nach der Devise „Angriff ist die beste Verteidigung“. Spezialeinheiten operieren dabei hinter den feindlichen Linien, um dort Erkenntnisse über digitale Bedrohungen zu gewinnen. Nach dem Stuxnet-Angriff auf die iranischen Atromanreicherungszentrifugen wurde darüber spekuliert, welche Rolle Israel bei der Suche nach den entscheidenden Schwachstellen hatte. Von offizieller Seite aber erhielt auch dieser Arte-Beitrag dazu keine Aussage.

Wohl aber von der Nato, die um den Schutz ihrer Netze besorgt ist. In Belgien hat das nordatlantische Verteidigungsbündnis eine Abwehrzentrale gegen Cyberbedrohungen ins Leben gerufen. Von tausenden ernsthaften Attacken jährlich auf die Nato-Netze ist die Rede. Dieser Krieg hat längst begonnen. Kurt Sagatz

Themenabend: „Cyberwar – Krieg in der Fünften Dimension.“ Arte, Dienstag. Um 20 Uhr 15: „Netwars – Krieg im Netz, um 21 Uhr 10: „Die Drohne“

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