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Shakespeare-Darsteller Kenneth Branagh hat der Figur von Kommissar Wallander eine neue, versöhnliche Seite hinzugefügt.

© ARD Degeto

"Der Feind im Schatten" im TV: Wallanders Abschied

Nach Krister Henriksson begegnet nun auch Kenneth Branagh dem „Feind im Schatten“. Die ARD strahlt zu Weihnachten die letzten drei Wallander-Krimis aus.

Die Zeichen sind unübersehbar, selbst seine Suspendierung akzeptiert Kommissar Kurt Wallander in der Verfilmung von „Der Feind im Schatten“. Der schwedische Polizist aus der Feder von Henning Mankell hat in einem Restaurant seine Waffe auf dem Stuhl liegen lassen, ein kleines Mädchen findet sie, zum Glück passiert nichts Schlimmeres. Wenig später erhält Wallander von seinem Arzt die Diagnose Alzheimer. Mit drei neuen Wallander-Verfilmungen, von denen „Der Feind im Schatten“ die dritte ist, beendet die ARD zu Weihnachten ein Stück Fernsehgeschichte.

Im Oktober dieses Jahres ist Henning Mankell im Alter von 67 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Wallanders letzter Fall, mit dem sich Mankell von seiner berühmtesten Figur literarisch verabschiedet hat, wurde 2009 veröffentlicht – also lange bevor ihm die Krebs-Diagnose gestellt wurde. In Wallanders Alzheimererkrankung und seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst eine Parallele zu Mankell zu sehen, ist somit abwegig. Seine eigene, zuletzt tödliche Krankheit hat er vielmehr in seiner Autobiografie „Treibsand“ verarbeitet.

Die Wallander-Verfilmungen mit Krister Henriksson, die in Deutschland von der ARD ausgestrahlt wurden, beruhten nur zum Teil auf den Romanen.
Die Wallander-Verfilmungen mit Krister Henriksson, die in Deutschland von der ARD ausgestrahlt wurden, beruhten nur zum Teil auf den Romanen. Für die anderen Episoden steuerte Henning Mankell neuen Ideen bei.

© ARD

Bei dem ersten der drei abschließenden Wallander-Filme der BBC mit dem Shakespeare-Darsteller Kenneth Branagh in der Titelrolle handelt es sich um „Die weiße Löwin“. Der zugrunde liegende Roman stammt von 1993 und war der dritte aus der Wallander-Reihe. Er steht zugleich für Mankells Liebe zu Afrika. Ein weißer Löwe steht dort für ein Zeichen der Hoffnung. Fürs Fernsehen wurde die Handlung in die Gegenwart transportiert, in der Wallander von Südafrika aus per Skype mit seiner erwachsenen Tochter Linda kommuniziert. „Die weiße Löwin“ war 1997 übrigens die erste Wallander-Verfilmung im deutschen Fernsehen, allerdings mit Rolf Lassgård in der Hauptrolle.

Die beiden anderen Filme „Lektionen der Liebe“ und „Der Feind im Schatten“, die nun in der ARD laufen, haben dagegen tatsächlich den letzten Wallander-Roman zur Grundlage. Es ist eine glückliche Fügung, dass Kenneth Branagh den Wallander-Zyklus im Fernsehen beendet. Nicht weil er ein besserer Wallander-Darsteller wäre. Vielmehr hatte jeder Typus seine Berechtigung. Rolf Lassgård kam Henning Mankells Romanfigur wohl besonders nahe. Wie er das Alkoholproblem des schwedischen Kommissars darstellte, seine Unfähigkeit, nach dem Ende seiner Ehe eine neue Beziehung zu einer Frau aufzubauen, seine Melancholie und seine Depressionen. Bei Lassgård konnte man zusehen, wie Kurt Wallander die Last auf seinen Schultern zusetzte und bedrückte. Allerdings fragte man sich bei diesem Schauspieler mitunter, wie seine Figur dennoch so effektiv sein konnte, wenn es um die Arbeit ging.

Mit Rolf Lassgård als Kommissar Kurt Wallander begannen die TV-Verfilmungen von Henning Mankells Kriminalromanen.
Mit Rolf Lassgård als Kommissar Kurt Wallander begannen die TV-Verfilmungen von Henning Mankells Kriminalromanen.

© ZDF

Dieses Problem hatte Krister Henriksson als zweiter Wallander-Darsteller nicht. Bei Henriksson waren die Energie und der unbedingte Wille des Polizisten, ein Verbrechen aufzuklären, jederzeit spürbar. Seine Wallander-Filme unterschieden sich jedoch auch in anderer Weise von der Reihe mit Lassgård und später mit Branagh. Für viele Folgen mit Krister Henriksson hatte Henning Mankell Ideen jenseits der Roman-Reihe geliefert. Doch als es dann um den Abschied von Wallander ging, war auch dieser Schauspieler ganz nah bei Mankells ursprünglicher Figur.

Mit "Der Feind im Schatten" schließt sich der Kreis

Beinahe zwei Jahre ist es her, dass Krister Henriksson als Kurt Wallander ein letztes Mal als Ermittler im Einsatz war. Doch erst jetzt, wenn Kenneth Branagh in der Rolle des schwedischen Kommissars dem „Feind im Schatten“ begegnet, schließt sich der Kreis, wird ein letztes Mal ein neuer Wallander im deutschen Fernsehen ausgestrahlt – jedenfalls nach derzeitigem Stand der Dinge, denn wer will ausschließen, dass später nicht ein weiterer TV-Sender oder ein Streamingdienst wie Amazon oder Netflix auf die Idee kommt, die so ungemein populäre Figur wieder aufleben zu lassen. Wallander hat wie kaum ein anderer ausländischer Polizist gerade den Nerv oder besser gesagt das Herz des deutschen Publikums bewegt, egal ob nun mit Lassgård, Henriksson oder Branagh als Darsteller.

Was die Beliebtheit und Popularität angeht, ist Wallander am ehesten noch mit der von Georges Simenon geschaffenen Figur des Kommissar Maigret zu vergleichen, auch wenn dazwischen viele Jahrzehnte liegen. Neben den Kinofilmen mit Jean Gabin wurden in Frankreich 88 TV-Folgen mit Jean Richard gedreht, zu Maigret gab es ebenfalls eine BBC-Reihe mit Rupert Davies in der Titelrolle. Sowohl die englische als auch die deutsche Reihe wurde in Deutschland vom ZDF ausgestrahlt.

Dass gerade Kenneth Branagh den vorläufigen Schlusspunkt unter die TV-Ära von Wallander setzt, passt vor allem deshalb so hervorragend, weil der in Nordirland geborene Schauspieler sowohl Wallanders melancholische Seite als auch die zielstrebige Vitalität des Kommissars verkörpert – und nun zum Abschluss auch dessen Krankheit, mit der sich Wallander Stück für Stück aus dem Leben verabschiedet. Es hat etwas zutiefst Versöhnliches, wie Branagh den Schweden auf dessen Leidensweg darstellt, wie er Mankells Figur neue Seiten hinzufügt. Aber auch Mankell hat eine gewisse Milde gezeigt. Wallanders Tochter Linda hält fest zu ihrem Vater – als vor fast 20 Jahren die ersten Verfilmungen mit Rolf Lassgård ins Fernsehen kamen, hatte man für Wallanders Zukunft alles erwartet, aber sicherlich nicht diese Entwicklung.

„Kommissar Wallander“, – „Die weiße Löwin“, Freitag; „Lektionen der Liebe“, Samstag; „Der Feind im Schatten“, Sonntag; alle ARD um 21 Uhr 45

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