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Mit Markus Hesselmann können Sie auch auf seiner Facebook-Seite diskutieren und ihm bei Twitter folgen.

© Tsp

Vom Netz genommen (1): Schöner streiten im Internet

Markus Hesselmann stellt seine neue Kolumne vor, in der er aufgreifen will, was auf Tagesspiegel.de und unseren Social-Media-Seiten sowie anderswo im Internet diskutiert wird. Aber erst einmal fragt er: Wie können wir die Qualität der Debatten gemeinsam verbessern?

Von Markus Hesselmann

"Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht." Das, was der Duden hier definiert, will keiner haben, da sind wir uns einig. Es ist das Ende jeder vernünftigen Diskussion. Inzwischen aber wird das Wort "Shitstorm", um das es hier geht, inflationär verwendet. Wer diskussionsmüde ist oder selbst in der Kritik steht, kann Themen, die im Internet mit Euphorie und Engagement von vielen Menschen debattiert werden, auf diese Art vom Tisch wischen. Sexismus-Debatte? Shitstorm! Plagiatsdebatte? Shitstorm! Debatte um rassistische Begriffe in Kinderbüchern? Shitstorm! Der Shitstorm-Vorwurf kann der Debattenkultur genauso schaden wie der tatsächliche Shitstorm. Denn wer will schon weiter argumentieren, wenn um ihn herum angeblich nur Dreck fliegt?

Dabei sind Diskussionen doch immer auch Arbeit. Es macht Mühe, seine eigene Ansicht plausibel zu machen und für sich etwas mitzunehmen aus der Vielzahl und Gegenläufigkeit der Äußerungen und Meinungen. Eben nicht nur im Internet, sondern auch in Talk-Shows, Konferenzen, Kneipen-Gesprächen, manchmal sogar daheim am Esstisch mit Freunden und Familie:

Hier möchte ich künftig dazu beitragen, dass Sie und wir etwas mitnehmen können aus unseren Debatten. Immer freitags greife ich noch einmal auf, was auf Tagesspiegel.de, auf unseren Seiten bei Facebook, Twitter, Google Plus oder auch anderswo im Netz an Spannendem diskutiert wird. Zum Auftakt möchte ich Sie, liebe Leserinnen, liebe Leser, ganz direkt fragen: Wie können wir die Qualität der Debatten gemeinsam verbessern? Wie können wir schöner streiten im Internet?

Ich habe vor, dann auch immer wieder Leserinnen- und Leserkommentare zu zitieren, die wir in der Redaktion für anregend, inspirierend, inhaltlich weiterführend, originell oder einfach witzig halten. Und bitte nicht falsch verstehen: Es geht nicht darum, dass der Tagesspiegel nicht in voller Härte kritisiert werden dürfte. Im Gegenteil: Wir bitten darum! Es wäre nur schön, wenn die Kritik mit Argumenten und am besten auch Beispielen untermauert wäre. Denn dann können wir Journalisten etwas damit anfangen, daraus lernen und nach Möglichkeit in Ihrem Sinne etwas ändern.

Auf meiner Facebook-Seite gab es kürzlich eine kleine Debatte. Ich hatte gerade wieder einen ziemlich ermüdenden Schlagabtausch mit Pauschalisierungen der Marke: Die Politiker, Die Medien, Die Fußballprofis, Die Sonstnochwiegruppierten hinter mir und wollte einfach mal die Frage aufwerfen, wie wir denn dahin kommen könnten, wirklich inhaltlich zu diskutieren - ohne Pauschalisierungen, Herabwürdigungen, Unterstellungen, Verschwörungstheorien, Kampagnenvorwürfe etc. Und ob das überhaupt geht... Diese Debatte würde ich hier auch gern im Tagesspiegel.de-Forum mit Ihnen führen. Nutzen Sie dazu bitte wie immer die Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite.

Als Anstoß für die Debatte möchte ich einige der Facebook-Kommentare zitieren - und damit natürlich auch wieder zur Diskussion stellen. Mir ist bewusst, dass die Situation bei Facebook etwas anders ist, schon wegen der geringeren Anonymität, weil ja größtenteils mit Klarnamen diskutiert wird. Dennoch denke ich, dass die zitierten Meinungen allgemeingültig genug sind, um unsere Debatte um die Debattenkultur voranzubringen.

Thorsten Puttenat, nach eigener Auskunft "seit 15 Jahren täglich in Internetzwerken zugange" hat sich eine "recht einfache Ausgangsformel" zurecht gelegt, die er versucht zu befolgen: "Ich bin einer von vielen. Nicht mehr, nicht weniger. Es geht nicht darum, ob ich Recht habe oder nicht, sondern um die Sache, also die Sachlichkeit. Ich werfe meine Meinung ein und das, was ich denke zu wissen. Das war's. Wenn mir jemand widerspricht ist das etwas ganz natürliches und deshalb auch nicht weiter schlimm. Gleiches gilt für den Fall, wenn ich jemandem widerspreche." So weit so gut, doch dann beobachtet der Kommentator häufig folgendes: "Widerspruch aber führt leider viel zu oft zu einer Verteidigungshaltung. Vielleicht auch deshalb, weil man weiß, dass andere mitlesen und man ja seine Frau, bzw. seinen Mann stehen will. Und je nach Be- und Empfindlichkeit hat das seine Auswirkungen."

So wird aus einer Debatte dann schnell ein Schlagabtausch, oft zwischen nur noch zwei Duellanten. Wir können uns vorstellen, dass sich andere mögliche Kommentatoren dann zurückziehen. Wie sehen Sie das, liebe Leserinnen, liebe Leser? Fühlen Sie sich durch solche besonders hartnäckigen Mitdiskutanten abgeschreckt, oder ist es Ihnen egal?

Hardy Prothmann, selbst ein überaus engagierter Diskutant, Blogger und Journalist, argumentiert eher entgegengesetzt. Er "weise Leute immer darauf hin, dass das, was sie schreiben, einen Eindruck bei anderen hinterlässt. Welchen auch immer". Demnach wäre also vielen, die allein und gemütlich am Computer sitzen, nicht in jedem Moment klar, dass sie sich in die Öffentlichkeit begeben haben und dort auch eine öffentliche Wirkung erzielen.

Jedenfalls gebe es einen "wesentlichen Unterschied zwischen der Emotionalität, die in der konkreten, haptischen Begegnung mit einem anwesenden Gegenüber geweckt wird und einer Emotionalität, die nur ein virtuelles Gegenüber hat", analysiert Ulrich A. Sollmann, der sich als Kommunikationsexperte quasi von Berufs wegen in unsere Debatte eingeschaltet hat.

Die Anonymität vieler Foren, auch unseres Leserforums, könnte den Effekt, sich geschützt zu fühlen und aus der Deckung heraus auszuteilen, noch verstärken. Sollten wir also künftig auf Tagesspiegel.de nur noch unter Klarnamen debattieren? Was meinen Sie?

Gefragt von mir, wie sie nicht nur gegen eindeutige Beleidigungen, sondern auch gegen diffizilere Formen wie Unterstellungen oder Pauschalisierungen vorgeht, die sich eben nicht um "die Sache", sondern um Personen oder Personengruppen drehen, bringt Petra Breunig den Begriff "off topic" (am Thema vorbei) ins Spiel: "Ich finde solche Posts, die dann wirklich off topic sind, nervig", schreibt die Kollegin. "Entweder man wartet darauf, dass andere Kommentatoren diese Posts ignorieren oder man greift selber ein. So nach dem Motto: "Das ist zwar ganz nett, was ihr hier schreibt, aber in ursprünglichen Post geht es um was ganz anderes."

In der Tat setzen wir bei Tagesspiegel.de auch im Forum oft auf Selbstregulierung durch andere Kommentatoren. Das funktioniert aber nicht immer. Eine konkrete Frage an Sie, liebe Leserinnen und Leser, wäre nun, ob unsere Moderatoren das Ausschlusskriterium "Am Thema vorbei" noch strenger anwenden sollten, wenn aus inhaltlichen plötzlich persönlich gefärbte Debatten werden.

Und jetzt sind Sie dran, liebe Leserinnen, liebe Leser. Was halten Sie von den Debatten auf Tagesspiegel.de? Wie können wir sie gemeinsam verbessern? Sollten wir die Diskussionen strenger oder weniger streng moderieren? Befördert oder erschwert Anonymität die Debatte? Kommentieren und diskutieren Sie mit. Bitte nutzen Sie dazu die einfach zu bedienende Kommentarfunktion weiter unten auf dieser Seite.

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