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Lustig. Das Comedytrio Y-Titty ist erfolgreich auf Youtube.

© Promo

Youtube-Stars: Im Internethimmel

Sie nennen sich Y-Titty, Koko von Kosmo oder Gronkh. Auf Youtube sind sie Stars, ihre Videos werden millionenfach angeklickt. Doch der Traum vom großen Erfolg erfüllt sich nur für die wenigsten.

Jeden Morgen derselbe Anblick. Jeden Morgen steht Ellie Cole an der Bushaltestelle. Sie wartet. Setzt ihre Kopfhörer auf. Wippt vor sich hin. Dann schwingt sie behutsam ihre leicht übergewichtigen Hüften und beginnt zu tanzen. Monatelang beobachtet Kellnerin Jane Rowland diese kleine Choreografie des Alltags. Dann greift sie zur Kamera, filmt die tanzende Britin und lädt das Video auf Youtube hoch. Zwei Millionen Klicks folgen und Cole wird zum neuen Youtube-Star.

Doch anders als bei einer Lana Del Rey war ihr Auftritt nicht geplant. Weder Rowland noch Cole folgten einem bestimmten Marketing. Ihr Clip ist weder professionell aufbereitet noch dramaturgisch durchgeplant. Es ist ein Amateurvideo, das von der Community entdeckt und in die Sichtbarkeit geklickt wurde. Coles Erfolg ist ein Zufall und damit ein Paradestück der Youtube-Kultur.

Youtube kreiert Erwartungshaltungen

„Das Portal ist zwar kein Ort der Dichter und Denker“, sagt Medienexperte Professor Hendrik Speck von der Fachhochschule Kaiserslautern: „Aber es generiert Erwartungshaltungen.“ Neben süßen Kätzchen, TV-Parodien und amateurhaften Einblicken in den Alltag entstehen Erfolgsgeschichten, die sogar über Youtube hinaus fortgeschrieben werden. Das Portal ist zum medialen Sprungbrett geworden und so verdient Cole mit ihrem Clip nicht nur Geld, sondern wurde fürs Musical entdeckt und schaffte es zu Markus Lanz in die TV-Show „Menschen 2013“.

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Doch auch im deutschsprachigen Raum etablieren sich erste Sternchen: Y-Titty, Gronkh, HalfcastGermany, Daaruum oder Koko von Kosmo. Namen, die lange nur eine bestimmte Szene kannte und die jetzt auch im TV und in den Charts zum Begriff werden. Auch ihre Erfolge waren nicht geplant, doch anders als Cole luden sie ihre Clips gezielt hoch. Die Jungs von Y-Titty begannen schon während der Schulzeit Blödel-Videos zu drehen und Filme wie „Twilight“ zu parodieren. Auf Youtube kam ihr Humor an, ihre Fangemeinde wuchs, 2012 wurden sie für den Echo nominiert. Y-Titty wurde zur Marke.

Koko von Kosmo hat es ebenfalls geschafft. Sie ist eine der „Schminkfeen“, wie Speck es formuliert. Seit 2008 gibt sie ihren rund elf Millionen Fans regelmäßige Tipps in Sachen Beauty und baute sich eine eigene Kosmetiklinie auf. Die Videos des 22-jährigen Simon Desue von HalfcastGermany kommen auf knappe zwei Millionen Klicks. Neben seinen Online-Auftritten wurde Desue in den Schulunterricht eingeladen. Aus Amateuren werden Vorbilder.

Die Hoffnung, vom Nichts zum Niemand aufzusteigen

Wie bei „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Germany’s Next Top Model“ umweht nun auch Youtube die Hoffnung, vom Niemand zum Jemand aufzusteigen und ein paar Sekunden von Andy Warhol „15 minutes of fame“ abzugreifen. Doch anders als im Fernsehen gehe es auf Youtube demokratisch zu, sagt Christoph Krachten, Mitbegründer des Online-TV-Anbieters Mediakraft Networks: „Hier kommt jeder zu seinem Publikum.“ Und anders als bei DSDS habe Youtube sein Versprechen bereits eingelöst und eine Vielzahl von Erfolgsbiografien hervorgebracht, sagt Krachten mit dem Verweis auf Frau Kosmos. Das Portal ist zur Verheißung geworden. Jeder kann es hier versuchen. Jeder kann es schaffen. Youtuber sind deshalb auch nicht bloß Streamer oder Uploader. Sie sind Künstler. Einzigartig. Talentiert. Vielversprechend. Ein Image, das Youtube für sein Marketing zu Nutzen weiß.

Für den 2011 produzierten Film „Life in a Day“ von Ridley Scott und Kevin Macdonald waren Youtuber der ganzen Welt aufgerufen, am 24. Juli 2010 ihren Alltag zu filmen und online zu stellen. Das Ergebnis waren 80 000 Videos, die Scott und Macdonald zu einem 90-minütigen Film zusammenschnitten. Ein dokumentarisches Experiment ohne feste Dramaturgie, in dem die Regie zur Bastelstunde wird. Eine Hommage an die Szene der Amateure.

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Doch dieses Bild der Laienkultur hat sich geändert. Youtubes diesjähriger Jahresrückblick ist kein amateurhafter Zusammenschnitt einschlägiger Clips, sondern ein professionell produziertes, dramaturgisch perfekt inszeniertes Video. Eine glamourös inszenierte Parodie der Medienszene 2013. Bekannte und unbekannte Youtuber schwingen ihre Hüften zum Rhythmus des Harlem-Shakes, spielen mit Harry Potters Zauberstab, karikieren TV-Highlights wie die Serie „Breaking Bad“ und reihen sich ein in den Himmel der Stars und Sternchen. Hier gibt es keine verwackelten Kameras, keine ungefilterten Hintergrundgeräusche. Jede Szene sitzt passgenau. Hier wird die Arbeit von Profis vorgestellt.

Im Youtube der Marketing-Profis wird Erfolg programmierbar

Youtube ist heute mehr als ein Versprechen. Unter dem Motto „Lernen. Gestalten. Entfalten“ bietet die Plattform seinen Künstlern kostenlose Online-Kurse an, um ihnen das technische Know-how zu vermitteln. Neben den Grundlagen des Filmschnitts erhalten sie Einblicke ins Urheberrecht, lernen den Content zu optimieren, Kanalstrategien zu entwickeln und mit Hilfe der Youtube-Partnerschaft Geld zu verdienen. Das Programm NextUp geht zudem auf die individuellen Bedürfnisse der Youtuber ein. NextUp bietet Schulungen zu Themen wie dem Drehen von Reportagen oder dem Erstellen von Videotagebüchern an, die von Mentoren begleitet werden. Das Dilettantentum ist zur Profession aufgestiegen, aus Spaß ist Ernst geworden und anders als bei Ellie Cole hat sich der Zufall zur optimierbaren Größe gemausert.

Wie erfolgreich diese Angebote sind, lässt sich bislang jedoch schwer sagen. Auf der finanziellen Seite fehlt die Transparenz und im Falle der Star-Skala kann Thorsten Binder von der Produktionsfirma 99pro, die sich ebenfalls mit Aufbau und Vermarktung von Youtubern beschäftigt, noch keine gezielten Aussagen zum Fortschritt ihrer Klienten machen. Bei Youtube heißt es hingegen, dass bereits Tausende von Videos jährlich bis zu sechsstellige Beträge verdienten und auch Krachten verweist gerne auf die Erfolg von Kosmos und Y-Titty.

Der Medienexperte Speck bezweifelt jedoch, dass die Youtuber mit ihren Kanälen wirklich so erfolgreich sind. „Monetär handelt es sich da wohl eher um eine Form der Taschengeldökonomie“, sagt er. Denn wenn es in der Szene darum geht, Erfolge zu veranschaulichen, wird gerne auf die Klicks, Views und Kanalabos verwiesen. Doch gerade diese Zahlenspiele führen laut Speck leicht in die Irre. Denn ähnlich wie im Fernsehen, so weiß auch hier niemand, was hinter den Klicks steckt. „Ob die User die Beiträge wirklich bis zu Ende schauen, kann niemand sagen.“ Zudem müssten die Werbespots oft bis zum Ende angesehen werden, um wirkliche Einnahmen zu erzielen. Auch dies spiegelten die Views nicht wieder. Von den sogenannten Bildungsangeboten hält Speck ebenfalls nichts: „Diese Seminare lohnen sich doch nur für die Anbieter. Um wirklich erfolgreich zu werden, müssen die Youtuber sich eine externe Präsenz aufbauen und wie Y-Titty zur Marke werden.“ Doch dies sei auch heute nur den wenigsten vergönnt.

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