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Zu PAPIER gebracht: Ein Netz wie in China oder Iran

Ein nationales Internet ist von allen dummen Ideen die allerdümmste, meint unser Autor. Denn das eigentliche Ausspäh-Problem wird damit nicht beseitigt.

Die Idee ist von allen denkbaren Reaktionen auf den NSA-Skandal die allerdümmste: ein deutsches Internet für deutsche E-Mails, zusammengesetzt aus deutschen Kabeln und deutschen Routern, auf deutschem Territorium und unter deutscher Kontrolle; kein Internet, genau genommen, sondern ein deutsches Innennetz: Hiergeblieben! Kein Bit verlässt das Land! Kein Wunder, dass Innenminister Hans-Peter Friedrich diese Idee prima findet. Ins Ohr gesetzt hat dem Innenminister diesen Floh der Telekom-Chef René Obermann, und hinter diesem Vorschlag steckt nichts anderes als der Versuch der Deutschen Telekom, Kapital zu schlagen aus der allgemeinen Verunsicherung, welche die NSA-Affäre unter Bürgern und Politikern gesät hat.

Die Logik dahinter ist simpel: Die Telekom ist der einzige Internetprovider in Deutschland, dessen Netz groß genug ist, um einen nationalen Datenfluss zu gewährleisten. Alle anderen Provider tauschen ihre Daten über den Netzknoten De-Cix, von wo sie auch gerne mal über das Ausland geroutet werden. Ließen sich die Koalitionäre tatsächlich dazu hinreißen, ein deutsches Netz für deutsche Daten gesetzlich festzuschreiben, käme das einem staatlich garantierten Monopol für die Telekom gleich. Die übrigen deutschen Internetprovider müssten sich teure Netzkapazitäten von der Telekom mieten. Für den Bonner Konzern wäre das natürlich eine Traumvorstellung – für alle anderen ein Albtraum.

Dieses „Schlandnet“, wie das Konzept im Netz spöttisch genannt wird, entspräche infrastrukturell eher den Innennetzen des Irans oder Chinas als dem Internet, wie wir es kennen. Zentral ließen sich Zugänge oder Angebote ganz nach Belieben abschalten oder sperren: Das Schlandnet hätte ein eingebautes Zensursystem. Ich möchte dem Innenminister hier nicht unterstellen, das Internet zensieren zu wollen. Allerdings unterstelle ich ihm, durch eine national gefärbte Brille auf den durch Edward Snowden aufgedeckten Datenschnüffel-Skandal zu blicken. In Wahrheit sind nämlich nicht die amerikanischen Geheimdienste das Problem, sondern Geheimdienste überhaupt – auch die deutschen. Denn der BND schnorchelt den deutschen Internetverkehr längst mit, und der Innenminister wünscht sich für seine Geheimdienste eine ähnliche Infrastruktur und ähnliche Befugnisse wie die NSA sie besitzt. In den Augen Friedrichs gibt es ein gutes Ausspionieren deutscher Bürger, nämlich durch deutsche Geheimdienste, und es gibt böses Ausspionieren durch ausländische Dienste.

Dass die Kommunikation der Bürger ausgeschnüffelt wird, ohne richterlichen Beschluss, ohne rechtliche Grundlage und ohne ernst zu nehmende Kontrolle durch das Parlament, dass die deutsche Regierung erst ein wenig rummault, als klar wurde, dass die Kanzlerin genauso ausspioniert wurde wie jeder andere deutsche Bürger auch, das ist der wahre Skandal. Und dabei ist völlig egal, ob die Schnüffler NSA oder BND heißen.

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