zum Hauptinhalt
Von Fall zu Fall.  Dieses Bild vom Tatort des Terroraktes in Ansbach brachte der Tagesspiegel in seiner Ausgabe vom Dienstag auf der Titelseite.

© dpa

Update

Diskussion über Reaktion auf Anschläge: Attentäter-Album

Französische Medien wollen keine Fotos von Terroristen mehr zeigen. In Deutschland sieht das anders aus. Eine absolute Selbstverpflichtung lehnen Zeitungen und TV-Sender ab.

Animiert das potenzielle Nachahmer, wenn in den Medien Fotos von Terroristen gezeigt werden? Ist es für Attentäter eine „posthume Glorifikation“, wenn ihre Gesichter in Zeitungen und im Fernsehen erscheinen? Französische Medien sind dieser Meinung und wollen keine Bilder mehr von islamistischen Attentätern veröffentlichen. Das haben nun unter anderem die Abendzeitung „Le Monde“, die katholische Tageszeitung „La Croix“ und Frankreichs größter Nachrichtensender BFMTV angekündigt.

Man wolle damit eine „posthume Glorifikation“ der Attentäter verhindern, schrieb der Chefredakteur der „Le Monde“, Jérôme Fenoglio. Der Nachrichtensender BFMTV schloss sich dem an: „Wir wollen kein Terroristen-Album erstellen.“ Insbesondere die Fotos, auf denen die Täter lachten, seien unangebracht neben den Bildern der Opfer. Eine tiefgründige Berichterstattung über das Profil und den Werdegang der Täter verhindere dies nicht. „Le Monde“-Chef Fenoglio forderte zudem zu einer weiteren Debatte über die Terror-Berichterstattung auf. Dies sei unerlässlich, um die „Strategie des Hasses“ der Terroristen zu zerbrechen.

Am vergangenen Sonntag hatte die Berliner Boulevardzeitung „B.Z. am Sonntag“ auf ein Foto des Amokläufers von München auf der Titelseite verzichtet. Statt eines Täterfotos zeigte das Blatt dort eine weiße Fläche und die Headline: „Dein Foto kommt nicht auf unseren Titel!“ In einem Gastbeitrag bei meedia.de verteidigte „B.Z.“-Chefredakteur Peter Huth diese Maßnahme: „Auch im Web gab es Kritik, vor allem, weil wir das Foto des Täters auf den Innenseiten zeigten und auch seinen Namen nannten. Das aber ist für mich kein Widerspruch. Dem Täter nicht den prominentesten Platz zu geben und trotzdem über ihn zu berichten, funktioniert.“

Wie sehen das andere deutsche Zeitungen und Fernsehsender? Gibt es da Überlegungen in Richtung Selbstverpflichtung, Fotos von Attentätern nicht zu zeigen? Axel Springer teilt für alle Medienmarken der Springergruppe, also auch für die „Bild“, mit: „Ein verantwortlicher Umgang mit Fotos und anderem Material heißt für uns: Wir berichten frei, immer basierend auf Einzelentscheidungen. Natürlich muss vermieden werden, was aus Tätern Helden oder Märtyrer macht oder zu Folgetaten ermuntert. Aber bei Axel Springer wird es keine Grundsatzentscheidung geben.“

Mit dem Grundsatz ähnlich sieht das die Wochenzeitung „Die Zeit“. „Die Zeit und Zeit online verzichten seit jeher auf Darstellungen, die zur Überhöhung von Gewalttätern beitragen könnten. Eine absolute Selbstverpflichtung, gar keine Bilder etwa von Terroristen oder Amokläufern zu zeigen, wollen wir aber nicht eingehen. Wenn es uns journalistisch geboten erscheint, müssen stets wir die Möglichkeit haben, dies zu tun, und wollen dies weiter im Einzelfall entscheiden können“, sagen Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“ und Jochen Wegner, Chefredakteur Zeit online.

Die „FAZ“ sei bei Bildern schon immer zurückhaltend gewesen, sagt „FAZ“-Nachrichtenchef Peter Sturm. „Insofern könnte man fast sagen, dass Le Monde jetzt mit uns geht. Aber im Ernst: Weder in Würzburg noch in München oder Ansbach hatten wir Fotos der Täter in der Zeitung. Und darüber gab es auch keine ernsthafte Diskussion. So werden wir es sicher auch in Zukunft halten.“ Etwas anderes sei es mit den Namen von Tätern. „Da ändern französische Medien ja offenbar gerade ihr Vorgehen. Wir kürzen in aller Regel den Nachnamen ab. Ganz ohne Namen wird es wohl nicht gehen.“

Wie halten es die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender? Kai Gniffke, Erster Chefredakteur ARD-aktuell, sagte dem Tagesspiegel: „Nach Beratung durch namhafte Kriminologen und Psychologen verzichtet ARD-aktuell bei Amokläufen komplett auf erkennbare Fotos der Täter, sodass es nicht zu einer Heroisierung kommt, die sie anstreben und die außerdem Nachahmer zu ähnlichen Taten animieren kann.“ Bei politisch, respektive religiös motivierten Terroranschlägen gälten diese Grundsätze zwar nicht, dennoch halte sich ARD-aktuell auch hier bei Täterfotos sehr stark zurück, da es bei den Persönlichkeitsmerkmalen der Täter durchaus Schnittmengen zu Amoktätern gebe. „Einen generellen Verzicht auf Täterfotos bei Terroranschlägen gibt es aber nicht“, sagte Gniffke.

Für das ZDF betonte dessen stellvertretender Chefredakteur Elmar Theveßen: "Die ,Le Monde'-Entscheidung hat auch im ZDF für Diskussionen gesorgt. Alle Fotos von Terrorverdächtigen, Terroristen und Amokläufern unkenntlich zu machen, kommt für uns aber weiterhin nicht in Frage." Ein solcher Schritt könnte als Zensur empfunden werden – und die Täter würden im Auge des Zuschauers Teil einer gesichtslosen, grauen Masse. "Wir prüfen deshalb weiterhin im Einzelfall und auf Grundlage des geltenden Rechts, ob wir die Bilder verpixeln oder nicht. Wir wollen aber die Gründe, warum wir uns für oder gegen das Zeigen eines Bildes entschieden haben, transparenter in Beiträgen oder Moderationen kommunizieren", sagte Theveßen dem Tagesspiegel.

Psychologen wie der Franzose Yann Auxemery gehen davon aus, dass es bei Amokläufen, Massenmorden oder Terrorakten vermehrt zu Nachahmungstaten kommt. Demzufolge weisen Massenmörder und Terroristen oft narzisstische Persönlichkeitsstörungen auf. Ihnen ginge es vor allem auch um Aufmerksamkeit, und sei es posthum. Die in den USA publizierte Studie „Terrorismus und die Medien“ belegt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Umfang der Berichterstattung über Terroranschläge und der Zahl von Nachfolgeanschlägen im selben Land. „Wir müssen neu über sensationsgetriebene Berichterstattung über Terrorismus nachdenken“, so der Autor Michael Jetter. „Und aufhören, Terroristen gratis eine Medienplattform zu liefern.“ In Deutschland hat der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann Medien aufgefordert, Bilder von Attentätern zu verpixeln. Würden Fotos von Terroristen gezeigt, animiere das potenzielle Nachahmer.

Zur Startseite