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Der Krieg bringt sie zusammen. Mata Hari (Natalia Wörner, links) lässt sich im März 1916 von Elsbeth Schragmüller (Nora Waldstätten) als deutsche Spionin anwerben.

© NDR/Beate Wätzel/vincent tv

Dokudrama um Mata Hari: Tanz die Spionage!

Der ARD-Film "Mata Hari - Tanz in den Tod" kontrastiert die Erotikkünstlerin mit deutscher Geheimdienstoffizierin.

Datiert ist ihr Tod auf den 15. Oktober 1917. An diesem Tag wurde Mata Hari in Vincennes von einem französischen Erschießungskommando hingerichtet. Was vor bald hundert Jahren geschah, bereitet die ARD schon am Sonntag auf – das Erste will das Erste sein. „Mata Hari – Tanz mit dem Tod“ heißen die 90 Minuten um die berühmteste, tatsächlich erfolglose Spionin des Ersten Weltkriegs. Aber weil die geborene Margaretha Geertruida Zelle aus Leeuwarden so berühmt war, ließ sich ihr Tod propagandistisch verwerten: Die Deutschen stellten die Hinrichtung als mitleidlose Tat der bestialischen Franzosen dar, deren Geheimdienst wiederum eine spektakuläre Enttarnung feierte.

Dieser Mata-Hari-Film will aber kein Biopic sein, vielmehr ein Dokudrama. Regisseur Kai Christiansen, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat, wendet hier das dramaturgische Verfahren an, das ihm schon bei der ebenfalls von der Sandra-Maischberger-Firma Vincent TV verantworteten Produktion „Der gute Göring“ (2016) zupass kam: Der feiste, brutale Nazi-Reichsmarschall wurde durch seinen schmächtigen Bruder konterkariert, der vielen Juden das Leben gerettet hat. Bei „Mata Hari“ ist die Figurenkonstellation ähnlich: hier das untergehende „Auge der Sonne“ (Natalia Wörner), dort die deutsche Geheimdienstoffizierin Elsbeth Schragmüller (Nora Waldstätten), die bloß „Fräulein Doktor“ genannt wird. Zwei allerdings ungewöhnliche Frauen, die sich im März 1916 begegnen und dann eine „Beziehung“ bis zum Tod Mata Haris im Oktober 1917 haben werden. Der Film rekonstruiert sie in einer Melange aus viel Drama, etwas Dokumentation und ganz wenig Tanz.

Mata Hari muss sich prostituieren

Mata Hari, in den Metropolen einst gefeiert und teuer bezahlt für ihren „Schleiertanz“, muss erkennen, dass ihre Karriere dem Ende entgegeneilt. Jetzt, mit bald 40 und unverändert luxusgetrieben, muss sie sich für erwiesene Großzügigkeiten längst revanchieren, ja prostituieren. Da kommt Elsbeth Schragmüller ins Bild, promoviert, vermännlicht, erste deutsche Offizierin überhaupt. Weil des Kaisers Armee Frauen im Militärdienst lieber verborgen hält, ist sie nur „Fräulein Doktor“. Schragmüller wirbt Mata Hari an, die als Holländerin den Pass eines neutralen Landes besitzt. Und sie soll immer noch ein Ohr in den (Offiziers-)Kreisen von Paris haben. Eine geborene Spionin ist sie nicht, mehr eine naive, von Geldnöten getriebene. Der Versuch, sich auf der deutschen und auf der französischen Seite zu verdingen, endet mit Verrat und Tod der Doppelagentin. So wie der Feldwebel zu Mutter Courage in Bertolt Brechts Stück sagt: „Will vom Krieg leben/Wird ihm wohl müssen auch was geben.“ Was auch für Elsbeth Schragmüller gilt: Sie soll für das Eiserne Kreuz vorgeschlagen werden, die Oberste Heeresleistung lehnt ab, eine solche Auszeichnung war für Frauen nicht vorgesehen.

„Mata Hari – Tanz in den Tod“ bringt die Doppelgeschichte der auf ihre Weise emanzipierten, auf jeden Fall unangepassten Frauen, die den Krieg für sich nutzen wollen und doch von ihm benutzt werden, in eine spannende Balance. Die intuitive Tänzerin, die taxierende Strategin. Mata Hari sagt zu ihr: „Sie leben wie eine Nonne, und ihr Herrgott ist der Krieg.“ Da wankt die Schragmüller kurz.

Natalia Wörner spielt Mata Hari, Nora Waldstätten spielt Elsbeth Schragmüller. Das ist schon physiognomisch ein Statement. Die fast 50-jährige Wörner zeigt die historisch deutlich jüngere Mata Hari im Glanz verblühender Schönheit; Regie, Kamera und Licht gehen diskret vor. Das passt schon, auch die echte Mata Hari kam aus derUnschärfe, gerade was ihre Jahre in Sumatra anging, sie war ein wandelndes „Sagenpaket“. Wörner lässt ihrer Figur Raum für Schuld wie Unschuld, für Berechnung wie Brechung.

Sumatra sieht nach Baumarkt aus

Dr. Elsbeth Schragmüller ist mit Nora Waldstätten porengenau besetzt: mimisch regungslos, straff in Haltung und Ausdruck. Zynisch ist sie nicht, effizient und erfolgreich will sie sein. Zwei kurze Rückblenden – sie verabschiedet ihren Verlobten in den Krieg, sie erhält die Nachricht von seinem Tod – sollen markieren, wieso sie wurde, was sie ist.

Der Film zeigt keinen Zweikampf zweier Frauen, vielmehr schiebt er den Kontrast in den Vordergrund, den Kontrast, was Frauen im Untergang einer Epoche (Mata Hari) und im Aufbruch einer Epoche (Elsbeth Schragmüller) möglich war. Beider Grenzen werden sehr sichtbar. Regisseur Christiansen arrondiert im Zentrum zwei Frauenpersönlichkeiten, und er lässt das (militärische) Umfeld – besetzt mit Patrick Joswig, Robert Schupp, Francis Fulton-Smith – nicht abfallen. Die Produktion hat hier ihren sichtabren Ehrgeiz. Kriegsbilder kommen über Archivmaterial in den Film, Innenaufnahmen atmen Studioluft und Sumatra-Szenen sehen nach Baumarkt aus. Lässlichkeiten im Blick auf das Gesamtergebnis.

„Mata Hari – Tanz in den Tod“, ARD, Sonntag, 22 Uhr

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