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Die acht Jahre alte Kandidatin Alysha wird von Jurymitglied Dieter Bohlen gelobt.

© dapd

DSDS Kids: Kinderzirkus, Zirkuskinder

Dieter Bohlens neues Format DSDS Kids will die Kleinen zu Quotenhits machen - sie haben das erfolgreich unterlaufen. RTL wird hoffentlich bald klar werden, dass dieses Format unethisch und untragbar ist.  

Von Caroline Fetscher

„In Zukunft wird jeder seine 15 Minuten Ruhm haben“ hat Andy Warhol prophezeit. Vielleicht haben die Eltern der neunjährigen Skyla aus Dillingen im Saarland daran gedacht, als sie der Tochter das T-Shirt mit dem rosafarbenen Schriftzug „This is my fifteen minutes“ kauften. Oder sie dachten an den Preis, den die Tochter auf dem Bildschirm ergattern könnte? Das Mädchen trug dieses Shirt, dazu ein weißes Petticoat und pinkfarbenen Leggins, auf den Werbefotos für die am Samstagabend zum ersten Mal ausgestrahlte RTL-Sendung „DSDS Kids“, das ist „Deutschland sucht den Superstar“ im Kinderformat.

Skyla war eines der zehn Kinder im Alter zwischen acht und 13, ausgewählt für dieses Experiment vor der Kamera aus mehr als 38 000 Bewerbern. Von den tele-votenden Zuschauern wurde Skyla „rausgewählt“ - ihr Glück, wie das von sechs weiteren. Denn DSDS Kids hat den unausgesprochenen Auftrag, eine der letzten Ressourcen der Unschuld zu kommerzialisieren, das so genannte Kind. Kinderschutzbund und andere Experten hatten Eltern davor gewarnt, Kleinkinder zu entsenden, und davor immerhin scheint RTL denn auch zurückgescheut zu sein. Konsultiert worden seien das Jugendamt und Kinderpsychologen,  bekundete der Sender.

Hinter den Kulissen von DSDS - Fotos aus dem Backstage-Bereich:

Mit den Quoten der DSDS-Sendung für Jugendliche und junge Pop-Sänger ab 16 ist es bergab gegangen, frischen Drive verspricht sich RTL vom Appeal der Jüngsten, der Unverbrauchten, der Nicht-Routinierten. Also ließ man sie auftreten, Skyla, Samuel, Alysha, Erisa, Gala, Timmy, Pina, Julius, Selina und Besnik - auf „derselben Bühne wie die Großen“, umrauscht von demselben pomphaften Glamour und Getöse. Anders als DSDS sollte es dennoch werden, keineswegs zynisch und hämisch, eine „warmherzige, nette, tolle, ganz neue Jury“  hatte der Show-Chef Dieter Bohlen angekündigt. Nicht „um die knallharte Leistung“ sollte gehen, sondern um Spaß „für die ganze Familie“, und all das werde „unheimlich niedlich, unheimlich unterhaltsam.“ Immer wieder hätten ihn Jüngere bedrängt: „Mensch, Dieter, warum können wir da nicht mitmachen?!“ Nun sei es soweit. Neben Bohlen traten Michelle Hunziker und Dana Schweiger als Juroren auf, dazu ein Moderator und eine kinderfreundliche Backstage-Moderatorin.

Der Moderator erklärte dem Publikum: „Die Kids können es kaum erwarten, für Sie zu singen!“ Der Moderator sagte zu den singenden Kindern, unter anderem: „Und wie sieht`s bei dir aus, kleine Maus? Hast du dich gut vorbereitet?“, „Der Timmy schickt Ihnen eine Granate!“, „Das hast du Hammer gemacht!“, „Du hast richtig gut abgeliefert“. Die Jury-Mitglieder aber sagten zu den singenden Kindern, unter anderem: „Deine Tanzerei, Oberklasse, du siehst toll aus, du performst toll!“ (Bohlen)  „Du bist eine richtige Rock-Röhre“ (Hunziker), „Du bist ja eine Rampensau, Blondinen sind einfach die Besten“ (Hunziker), „Du bist nur immer gut drauf, das find ich großartig“ (Schweiger), „Du siehst tausendmal besser aus als Beyoncé“ (Bohlen), „Acht Jahre alt, und schon eine Hot Mama!“ (Schweiger), „Das ist auch ´ne Kombination, Papa aus Angola, Mama aus Pepsi Cola oder so!“ (Bohlen) „Du gehörst auf die Bühne!“ (Bohlen).

Mit ihrem einstudierten Lächeln und den nachgeäfften Gesten der älteren Pop-Vorbilder – Handküsse, Victory-Zeichen - mühten sich die Kinder, Szenen zu bewältigen, die von Älteren für Ältere entworfen wurden, sie sollten cool, sexy und frech singen, und man kann ihnen sämtlich gratulieren: Nichts davon passierte. Unbewusst haben die Zirkuskinder den Kinderzirkus sabotiert. Kaum eines traf die Tonlagen, wirkte unbefangen oder klang befreit. Die jungen Darsteller waren nicht falsch genug, um die antrainierte Spontaneität zu simulieren, ihre instinktive Angst vor der gigantischen Bühne war zu groß. Es spricht für die Kinder, dass sie auf diese Weise die Diskrepanz zwischen ihren Wunschträumen und dem kulturindustriellen Event, für das sie instrumentalisiert werden sollten, offensichtlich gemacht haben.

Dem Sender wird hoffentlich, und sei es durch miserable Quoten, bald klar werden, dass dieses Format unethisch und untragbar ist.  

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