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Mode-Blogs: Du bist Style

Modefans betreiben und bevölkern Fashion-Blogs. Stilbibeln wie „Elle“ sehen keine Konkurrenz.

Ende der Siebziger trafen sich der Fotograf Paul Hartnett und der damalige Art Director der englischen „Vogue“, Terry Jones, auf Londons Straßen rund um die Kings Road und dem Kensington Market. Sie stellten Punks und Partygänger vor Hauswände, fotografierten die grell Frisierten samt ihren neonfarbenen Leggins, zerfetzten Jeans und ihrem überdimensionalen Schmuck und erfanden die „Street Style“-Fotografie. Es waren die ersten Fotostrecken mit Mode von der Straße. Abgedruckt wurden sie nicht in der „Vogue“, sondern im heute legendären Magazin „i-D“, das Jones gründete.

Inzwischen haben Modebegeisterte diese Art der Fotografie im Internet weiterentwickelt. Sie betreiben sogenannte Fashion-Blogs, hier zeigen sie Menschen, die ihnen auf der Straße oder bei Partys, Modeschauen oder Vernissagen aufgefallen sind – wegen ihrer besonders modischen oder außergewöhnlichen Kleidung. In Modemetropolen wie Paris, London, New York und Mailand sind die Blogger dafür ebenso unterwegs wie in Berlin, Buenos Aires oder Rio de Janeiro. Ein schneller „Klick“ mit der Digitalkamera vor der Hauswand, auf der Treppe oder in der Ecke einer Galerie – und wenige Stunden später sind die Outfits auf den Websites der Blogger zu sehen.

Ihre Fangemeinde wächst kontinuierlich: Mehrere tausend Mal werden Seiten wie facehunter.blogspot.com, glamcanyon.blogspot.com oder die deutschen Portale styleclicker.net und stilinberlin.blogspot.com am Tag aufgerufen. Von Trendforschern, Designern, Redakteuren und anderen Menschen, die Mode lieben – sie studieren hier, was weltweit auf den Straßen getragen wird. Regionale Unterschiede werden sichtbar, „Street Style“ und Fashion World kommen sich näher.

Als „Eye candy for the style hungry“, bezeichnet der Blogger Yvan Rodic seine Seite facehunter, Augenfutter für Geschmackshungrige. Der Schweizer ist so etwas wie der König der Fashion-Blogger, zusammen mit dem Amerikaner Scott Schuman, dessen Seite thesartorialist.blogspot.com von fast 25000 Menschen täglich angeklickt wird. Die Besucher können die Outfits kommentieren, selten kommt dabei mehr heraus als belangloses Eitelkeitsgeschwätz wie „gorgeous“ (hinreißend) oder „amazing“ ( fantastisch). Doch thesartorialist zeigt auch, wie Menschen aussehen können, für die Mode ein Spiel, Kleidung also mehr ist als ein Stück Stoff. Das kommt an. An die tausend solcher Blogs soll es mittlerweile geben, die Seiten vernetzen sich gegenseitig, und jede größere Stadt scheint ihren selbst ernannten Stilexperten zu haben. Selbst bei „Second Life“ gibt es schon Mode-Blogs, bei denen Spieler ihre frisierten Avatare bewerten lassen können. Der deutsche Designer Michael Michalsky hat zwei Erklärungen für den Boom der Seiten: „ModeBlogs amüsieren“, sagt er. „Sie demokratisieren die Mode, zeigen, dass Stil nicht unbedingt etwas mit Geld zu tun haben muss.“

Machen die Internetportale also bald Stilbibeln wie „Vogue“ und ihren Hochglanzschwestern „Elle“, „Amica“ und Co. Konkurrenz? Die traditionellen Modemagazine haben durch die Blogs ihr Monopol verloren, über kommende Trends zu informieren. Die auf den Laufstegen gezeigte Mode präsentieren die FashionBlogs schneller als die Magazine mit ihrem Erscheinungsrhythmus. Für den Journalisten und Autoren Adriano Sack steht fest: „Mode und Internet sind wie füreinander geschaffen. Beides sind komplexe Kommunikationsmittel, die vom permanenten Wandel leben.“ Sack betreibt das Internetportal ilikemystyle.net. Anders als bei den Blogs gibt es bei ilikemystyle.de keinen klar definierten Absender. Jeder, der mag, kann sein Foto zeigen und bewerten lassen. „Aber nicht jeder hat die Kompetenz von Suzy Menkes“, sagt Designer Michalsky und meint damit die berühmte Modekritikerin der Zeitung „International Herald Tribune“. Modefans als Blogger bewerten die gezeigten Outfits einfach nach eigenem Geschmack – gerade wegen dieser Subjektivität sind sie so beliebt.

Antje Drinkuth, die Modechefin des Berliner Mode- und Musikmagazins „Style“ sieht die Blogs als Ergänzung, nicht als Konkurrenz. Der Vorteil eines Magazins sei eben die Möglichkeit, mit Modestrecken Geschichten zu erzählen. „Man hat Zeit für Inszenierungen. Dafür ist das Internet zu flüchtig“, sagt Drinkuth. Adriano Sack findet diese Modestrecken allerdings oft langweilig, selbstverliebt und konservativ. Blogs hingegen sagen nicht, was getragen werden soll. Sie zeigen, was getragen wird. Außerdem habe das Konzept „Hochglanz“ durch ein Überangebot deutlich an Glanz verloren, meint Sack.

Seitdem Schumans thesartorialist vom „Time“-Magazin zu einem der hundert wichtigsten „Stilbeeinflusser“ gekürt wurde, werden die Blogs gerne als Inspirationsquelle für Designer bezeichnet. Für Michael Michalsky gilt das genauso wenig wie für die Berliner Modedesignerinnen Antonia Goy oder Katja Will von „C’est tout“. Sie gehen lieber selbst auf die Straße, anstatt sich durch Fotos auf Blogs zu klicken. „Ich lasse mich vom Nachtleben inspirieren, von Menschen in Clubs, Restaurants und bei Ausstellungen“, sagt Michalsky.

„Elle“-Modechefin Kerstin Schneider findet die Blogs ideal, um sich zu informieren, was Menschen weltweit auf der Straße tragen. Aber: „Mode-Blogs wird immer die Haptik fehlen, die ein HighEnd-Modemagazin ausmacht.“ Haute Couture wirke auf gutem Papier besser als auf dem Computerbildschirm. Die Authentizität der Blogs brauchen die Magazine nicht. Ist es doch gerade jene künstlich geschaffene Traumwelt, die Modebegeisterte zum Hochglanz greifen lässt.

Yoko Rückerl

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