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Terror, Türkei, virtuelle Realität. Dunja Hayali und der „donnerstalk“ überbrücken mit vier Ausgaben die Sommerpause von Maybrit Illner. Eigentlich ist das viel zu wenig.

© ZDF und Svea Pietschmann

Eine Begegnung mit Dunja Hayali: Die will was

Dunja Hayali kommt mit ihrer eigenen Sendung "ZDFdonnerstalk" zur richtigen Zeit. Eine Begegnung mit der Moderatorin und Journalistin, die keine Konflikte scheut - ohne fliegende Fetzen.

Ein sehr warmer Sommertag, nachmittags am Görlitzer Park. Dunja Hayali kommt mit dem Rad und nicht allein ins Café. Emma ist mit, ihr zwölf Jahre alter Golden Retriever. Ein bisschen hat man ja das Gefühl, die Moderatorin vom Bildschirm her gut zu kennen. Nicht nur wegen Emma, die fast immer dabei ist, auch bei Talkshowauftritten. Vielleicht macht es der Multikultiflair im Kiez, vielleicht die Unaufgeregtheit, die Nahbarkeit, die Hayali vermittelt; es ist ein seltsames Gefühl, eines der prominentesten und beliebtesten ZDF-Gesichter so ungestört zum Interview im Straßencafé zu treffen.

Kreuzberg, nahe SO 36, der Kiez von Dunja Hayali, seit zwölf Jahren. In den vergangenen Wochen war sie seltener hier, hat Reportagen gedreht für die Wiederauflage von „ZDFdonnerstalk“, womit das Zweite die Talkpause von Maybrit Illner überbrückt, wie 2015. Kein ganz gewöhnlicher Talk. Reportagen plus Talk plus jeweils zwei bis drei Gäste. In jeder Ausgabe drei gesellschaftspolitische Themen: zunehmende Gewalt, Gefälle zwischen Arm und Reich, arabische Clans in deutschen Großstädten, Radikalisierung von Islamisten.

Mittendrin Dunja Hayali, stets souverän bereit, darüber zu diskutieren, was auf den Nägeln brennt, ohne sich dabei in den Vordergrund zu spielen. Ob sie in SO 36 denn öfters auf der Straße angesprochen werde, wo dort doch auch zu vielen der Heiße-Eisen-Themen Diskussionsbedarf besteht?

„Ich bin hier gerne ich und nicht die aus dem Fernsehen. Wenn mich jemand normal anspricht, bleibe ich auch stehen und unterhalte mich.“ Da dürfen auch mal die Fetzen fliegen, aber respektvolle, nicht beleidigende Fetzen. „Leider ist bei einigen die Diskussionskultur auf der Strecke geblieben.“

Was treibt sie um? Warum sind sie so frustriert?

„Herz. Haltung. Hayali“, mit dem Slogan wirbt das Zweite großflächig, dazu das Bild der Moderatorin in Lederjacke. Ein Kumpeltyp, dem viele Zuschauer vertrauen, wo woanders den Medien möglicherweise nicht mehr so vertraut wird. Sie schalte bei Talkshows ab, wenn alle durcheinanderreden oder wenn man das Gefühl bekommt, hier geht es nicht um die Sache, nicht um Lösungen, nur darum, seine Meinung durchzudrücken, oder um Parteipolitik.

„Wir wollen uns in der Sendung austauschen, auch mit ganz normalen Menschen aus der Mitte oder am Rande der Gesellschaft.“ Für den „ZDFdonnerstalk“ war Dunja Hayali in einem Stadtteil von Mannheim unterwegs, in dem es Abwanderung von der SPD hin zur AfD gegeben hat. Sie hat Hartz-IV-Bezieher befragt: Was treibt sie um? Warum sind sie so frustriert? Was wünschen sie sich? Ihr Eindruck: „Politik muss zumindest glaubhaft versuchen, Versprechen zu halten, und sie muss sich mehr erklären. Demokratie heißt nun mal nicht, dass jeder bekommt, was er will.“

Thematisch ist das für ein aktuelles Magazin ja nicht ganz so einfach in diesen Tagen, Wochen. Schrecknisse, Terror, Angst. „Die Ereignisse überschlagen sich, Sie können kaum planen. Wer weiß schon, was morgen passiert.“ Am Mittwoch postete Hayali rasch noch die Themen ihrer Sendung vom Donnerstag: „Terror/Türkei/Virtuelle Realität.“

Nizza, Türkei, Würzburg, München. Ansbach. Hass auf die westliche Welt, Hass auf Deutsche, Hass auf Fremde, Hass auf Menschen, woher der ganze Hass? Dunja Hayali rührt in ihrem Milchkaffee, streichelt Emma, schaut rüber zum Görlitzer Park, als ob es da eine Antwort auf diese Fragen gebe. Im Februar hat die Moderatorin für einen bewegenden Moment gesorgt, als sie die Goldene Kamera in der Kategorie Beste Information erhielt.

In ihrer Dankesrede ging es vor allem um Hass, der Dunja Hayali seit einiger Zeit entgegenschlägt. Sie sagte: „In einem Land, in dem die Meinungsfreiheit so ein hohes Gut ist, darf und muss jeder seine Sorgen und seine Ängste äußern können, ohne gleich in die rechte Nazi-Ecke gestellt zu werden. Aber: Wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt noch mal ein Rassist.“ Stehende Ovationen im Saal.

Solch’ Engagement macht nicht nur Freunde

Dazu muss man wissen: Ebenfalls im Februar untersagte das Landgericht Hamburg per Einstweiliger Verfügung einem Facebook-Nutzer beleidigende Hasskommentare auf der Facebookseite von Hayali. Eine Persönlichkeit, die auch polarisiert: die nahbare, streitbare Moderatorin und Journalistin, die ihre Gesprächspartner nie lächerlich macht. Mit Haltung.

Die auf eine AfD-Demo geht und den Menschen dort klar und sachlich die Fragen stellt, die man stellen muss, und ihnen Argumente entgegenhält. Sie will da was herauskriegen. Gerade in Zeiten von Flüchtlingskrise und Terrorreflexen zeigt sich, was für ein politisch denkender Mensch Hayali ist, das kann man gut auf ihrer Facebook-Seite sehen.

Ihre Biografie: 1974 in Datteln geboren, Westfälin mit irakisch-christlichen Eltern und Wohnsitz in Berlin-Kreuzberg. Katholikin, in der Jugend Messdienerin. Studium an der Sporthochschule in Köln, Schwerpunkt Medien- und Kommunikationswissenschaften. Unterstützerin des Vereins „Gesicht Zeigen“, als Botschafterin unterstützt sie die Initiative „Respekt! Kein Platz für Rassismus“.

Solch’ Engagement macht nicht nur Freunde. Kaum ein Tag, an dem sich nicht bei Hayali auf Twitter jemand dergestalt meldet: Journalisten seien mit dafür verantwortlich, dass der Terrorismus nach Deutschland gekommen ist, „weil wir mehr Mitleid mit den Attentätern als mit den Opfern“ hätten; das auch als Reflex auf ihre Arbeit.

Hat sie keine Angst bei ihrem Job? Nein, noch nie. „Da habe ich schon den Tunnelblick, lasse mich voll drauf ein, mit allem, was dazugehört. Mich interessiert das ernsthaft, was die Leute denken, warum sie so sind, wie sie sind.“ Entsetzlich finde sie allerdings, dass man als Journalist an gewissen Brennpunkten nicht mehr ohne Personenschutz arbeiten kann.

Zum Glück gibt’s als Schutz noch Emma, die nach fast zwei Stunden Gespräch am Görlitzer Park zum Aufbruch drängt. Bodyguards braucht Dunja Hayali bei ihrem Hauptjob nicht. Seit 2007 moderiert sie das „ZDF-Morgenmagazin“. Nichts gegen das Morgenmagazin mit seinen 26 Prozent Marktanteil – wer die Moderatorin jetzt wieder in diesem Talkreportageformat sieht, fragt sich, ob das nicht doch, liebes ZDF, ein bisschen wenig Fernsehpräsenz, ein bisschen wenig Hauptabendprogramm mit Dunja Hayali ist. Bei dem Format.

„ZDFdonnerstalk“, Donnerstag, ZDF, 22 Uhr 15

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