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ELEFANTENRUNDE: Weg vom Duellchen

Reinhard Appel: Journalisten statt Moderatoren

Vielleicht täuscht das Gedächtnis, vielleicht war jene „Elefantenrunde“ für die Zuschauer auch so eine Enttäuschung wie das TV-Duell vom vergangenen Sonntag. Wer sich bei Youtube die Sendung vom 2. Oktober 1980 anschaut, den aber packt es. Der Schlagabtausch der Spitzenkandidaten, live übertragen von ARD und ZDF, dauerte dreieinhalb Stunden. Für die seit elf Jahren regierende sozialliberale Koalition traten der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) an, für die Opposition waren der CDU-Vorsitzende Helmut Kohl und der Kanzlerkandidat der Unionsparteien, Franz Josef Strauß, ins Bonner Fernsehstudio gekommen. Das war drei Tage vor der Bundestagswahl 1980.

Das lebhafte, bis ins Persönliche polemische Streitgespräch stand unter der Gesprächsleitung von Reinhard Appel (ZDF) und Charly Weiss (ARD). Appel, damals Chefredakteur des zweiten Programms, hatte schon mehrere „Elefantenrunden“ moderiert, war über die Gesprächsreihen „Journalisten fragen – Politiker antworten“ und „Bürger fragen – Politiker antworten“ mit dem Genre bestens vertraut. Weiss hatte als ZDF-Korrespondent in Hongkong und Saigon, in London und Washington gearbeitet. 1978 wechselte er zur ARD und arbeitete dort als Programmkoordinator für die Bereiche Politik, Gesellschaft und Kultur (heute trägt die Aufgabe den Titel „ARD-Chefredakteur“). Beide, Appel wie Weiss, sind über den politischen Zeitungsjournalismus zum Fernsehen gekommen.

Reinhard Appel hat das TV-Duell am Sonntag gesehen. Seine Kritik richtet sich an die vier Moderatoren Maybrit Illner (ZDF), Frank Plasberg (ARD), Peter Kloeppel (RTL) und Peter Limbourg (Sat 1). „Sie sind nicht zur Geltung gekommen, waren statisch, standen sich gegenseitig auf den Füßen.“ Zwei Moderatoren wären in diesem Format genug, wenn sie offener, aggressiver im Gestus und mit dem Recht auf Zwischen- und Ergänzungsfragen agieren könnten. Der frühere ZDF-Chefredakteur erlaubt sich die Frage, ob die Moderatoren einer wöchentlichen Talkshow ausreichend qualifiziert seien. „Meiner Meinung nach können in diesem Format nur Journalisten reüssieren, die täglich der Politik und dem Wahlkampf auf der Spur sind. Und das sind eben die politischen Journalisten.“

Reinhard Appel geht noch weiter. Nach seiner Beobachtung gibt es über das Fernsehen hinaus „genügend offensiv operierende Journalisten in den Zeitungsredaktionen“. Wenn man wollte, sagte Appel, könnten die Fernsehsender die Bundespressekonferenz quasi als „Castingstelle“ benutzen. Dort würde sehr kundig, sehr präzise, sehr hartnäckig mit den Politikern umgegangen. Für das Format des TV-Duells müssten sich die Sender bei erneuten Austragungen mehr verkämpfen. Nicht die Politiker und deren Berater dürften die Regeln formulieren, sondern die Sender: „Die Regeln müssen journalistengerechter werden“, sagte Appel.

Schon 1980 dachten die ARD und ZDF weniger an eine „Elefantenrunde“ als an ein Duell. Schmidt vs. Strauß, das wurde erwogen, das roch nach Sensation. Für diesen Fall hätten die Freien Demokraten ihren Vorsitzenden Hans-Dietrich Genscher zum dritten Kanzlerkandidaten ausgerufen und auf dessen Teilnahme gepocht. Reinhard Appel vergisst nicht, zu erwähnen, dass Genscher damals im ZDF-Verwaltungsrat saß und bei Nichtberücksichtigung erheblichen Druck auf die Senderspitze ausgeübt hätte.

Druck und Gegendruck. Als Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger sich einer „Elefantenrunde“ verweigern wollte, drohte Appel mit der Politik des „leeren Stuhls“. „Der Platz für den CDU-Kanzler wäre die ganze Sendung über frei geblieben“. Dies vor Augen hätte Kiesinger wenige Stunden vor Beginn seine Teilnahme zugesagt. Andere Zeiten, andere Sitten: Angela Merkel (CDU) hat für die „Berliner Runde“ im ZDF abgesagt. Der Sender akzeptiert, dass für Merkel Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff Platz nimmt. Joachim Huber

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