zum Hauptinhalt
Beim offiziellen Siegerfoto aller Nannen-Preisträger war Jacob Appelbaum (fünfter von rechts) von „seiner“ Büste gar nicht zu trennen. Foto: G + J

© G + J

Neuer Ärger um Journalistenpreis: Henri-Nannen-Büste dringend gesucht

Preisträger Jacob Appelbaum wollte seine Nannen-Büste umschmelzen lassen. Aber ist die Büste seine Büste? Und wo ist sie?

Jacob Appelbaums Ankündigung war unmissverständlich. Er wolle die Skulptur einschmelzen lassen, „um sie zu einem passenderen Kopf zu formen. Dieser Kopf wird dann die wichtigste Figur des investigativen Journalismus darstellen: die anonyme Quelle.“ Es ging und es geht um die Büste von Henri Nannen, „Stern“-Gründer und Namensgeber des renommierten Journalistenpreises, den das Verlagshaus Gruner + Jahr jedes Jahr vergibt. In der Kategorie „Investigation“ gewannen vier „Spiegel“-Journalisten – Jacob Appelbaum, Marcel Rosenbach, Jörg Schindler und Holger Stark – für die Beiträge „Kanzler-Handy im US-Visier? / Der unheimliche Freund“, erschienen bei „Spiegel online“ und im gedruckten „Spiegel“ im Oktober 2013.

Die Freude bei der Preisverleihung am 16. Mai in Hamburg war riesig, Appelbaum und seine Kollegen hegten und hätschelten die Büste. Am 23. Mai machte Appelbaum plötzlich beim Mannheimer Festival „Theater der Welt“ eine Kehrtwende, er distanzierte sich von der Auszeichnung. Er hatte zwischenzeitlich die Personalie Nannen recherchiert und begründete seine Ablehnung eben mit jener Vergangenheit Henri Nannens, der im Zweiten Weltkrieg in einer Propagandakompanie der Wehrmacht gearbeitet hatte. Nannen, der Nazi. Appelbaum kündigte an, die Büste ein-, respektive umschmelzen zu lassen und zudem seinen Anteil am Preisgeld zu spenden.

Neue Recherche: Wer hat die Büste mitgenommen?

Von der Aktion ward seitdem nichts mehr gehört. Das wesentliche Problem ist die Büste selbst. Hat Appelbaum sie am Abend der Preisverleihung mitgenommen? Vielleicht nahm er an, dass er eine bekommen sollte, weil er bei der Preisverleihung die Sechs-Kilo-Bronze von Rainer Fetting in die Hand gedrückt bekam, allein das gesamte ausgezeichnete „Investigativ“-Team bekam nur einen „Henri“. Appelbaum hätte daran nur einen rechnerischen Anteil von 25 Prozent. Erschwerend kommt hinzu, dass an der NSA-Recherche weitere „Spiegel“-Leute beteiligt waren: Nikolaus Blome, Hubert Gude, Ralf Neukirch, René Pfister, Laura Poitras, Gregor Peter Schmitz. Das drückt Appelbaums Bronze-Portion weiter.

Wollte der erklärte Nicht-Preisträger also doch noch alle sechs Kilo zur Schmelze bringen, müsste er erst die übrigen Preisträger davon überzeugen, dass sie ihm ihre Ansprüche auf die Büste überlassen, auf dass der Metallfacharbeiter in Berlin ans Werk gehen könnte. Appelbaums Kollegen waren von Appelbaums damaliger Distanzierung überrascht, es gab keinerlei Abstimmung – und sie distanzierten sich unter inoffiziellem Grummeln in dieser Frage von Appelbaum. Seine Sache, nicht unsere. Anders die Büste, ein Fall für „Akenzeichen XY“. Ein G+J-Sprecher sprach von einem Mysterium. Nach Version 1 ist Appelbaum mit einer – nicht seiner – Büste damals in die Hamburger Nacht verschwunden. Nach Version 2 wurde die Büste per Post zum „Spiegel“ geschickt. Dort verliert sich auch diese Spur. Alle Anfragen an die Redaktion und die Kommunikationsabteilung zum Komplex „Appelbaum und die Büste“ werden mit der Auskunft beschieden, man möge sich doch an den freien Mitarbeiter wenden. Jacob Appelbaum schweigt in der Causa. Er sei auf Reisen, heißt es aus der „Spiegel“-Redaktion. Aber auch ein Appelbaum auf Reisen twittert, was das Smartphone hergibt. Appelbaum also sagt rein gar nichts, seine Kollegen schweigen mit. Vielleicht ist ihm und den anderen das alles peinlich.

Frage zwei: Wo ist das gespendete Preisgeld?

Und das Preisgeld, das Jacob Appelbaum zwei antifaschistischen Gruppen spenden wollte? Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten konnte keine Auskunft geben. Das wisse nur der Buchhalter – und der sei in Urlaub. Das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin war am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Ob für Appelbaums Schmelzaktion ungebrochen Hoffnung besteht? Auch Laura Poitras, beim Nannen-Preis 2014 wegen ihres hartnäckigen Einsatzes für die Pressefreiheit ausgezeichnet, hatte Ende Mai Nachdenken darüber angekündigt, ob sie ihre Trophäe einschmelzen lassen werde. Wieder war Nannens Vergangenheit der Grund. Geschehen ist bisher nichts. Dabei hätte Poitras als Solo-Preisträgerin den unschätzbaren Vorteil zu haben, was Jacob Appelbaum so dringend braucht: eine unteilbare Büste.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false