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„Therese geht fremd“, heißt der „ZDF-Sonntagsfilm“ am 16. Juni. Darin muss sich Therese Engel (Christiane Hörbiger) zwischen ihrem Mann Heinz (Ulrich Pleitgen, rechts) und Stephan Fürstenfeld (Thomas Sarbacher) entscheiden. Foto: ZDF

© Maria Krumwiede

Fauler Frauenzauber: Das "Herzkino" im ZDF betoniert ein veraltetes Geschlechterbild

Der Sonntagsfilm im Zweiten ist süßlich, bieder und voller Klischees. Jede Kritik daran ist berechtigt.

Das Wort „Formatfernsehen“ hat einen kalten, abweisenden Klang, obwohl die Strategie, die dahintersteckt, auf das Gegenteil aus ist, auf die Bindung des Publikums durch Gewöhnung an die Formel: zur richtigen Zeit am richtigen Ort, und es kommt stets das Gleiche. Aber ist das Publikum so versessen auf Regelhaftigkeit? Die Abwanderung großer Zuschaueranteile ins Netz via Mediatheken verstärkt sich, die User gehen nach eigenem Zeitplan vor, und währenddessen verordnet das Fernsehen seinem Programm einen immer rigideren Stundenplan; wer hat den nicht aus der Schulzeit in zwiespältiger Erinnerung? Auch für die Filmemacher, Journalisten und Drehbuchautoren ist dieser Formatzwang eher lästig – man darf nie mal zeitlich ausufern, alles ist vermessen, und sogar Inhalte, Looks und Grundstimmung unterliegen dem Gesetz der Wiedererkennbarkeit. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Denn das Publikum ist echt gemein. Es will immer dasselbe und stets etwas Neues. Ja, was denn nun? Eine Entscheidung wird nicht fallen. Fernsehmacher müssen innerhalb dieser ungemütlichen Paradoxie agieren.

Aber doch wohl kaum am Sonntagabend und zur Primetime? So kurz vor Beginn einer neuen Woche ist das Publikum Experimenten gegenüber nicht aufgeschlossen, es will sich auf sein Programm verlassen können. Das beweist die ARD mit dem „Tatort“. Die Quoten sind toll, das Publikum treu, und nicht einmal der Trailer durfte verändert werden. Auf diese Erfolgsgeschichte musste das ZDF eine Antwort finden. Und es besetzte den letzten Abend einer Woche mit dem „ZDF-Sonntagsfilm“. Das schöne Wort „Sonntag“ sollte mit „Film“ und „ZDF“ eine Verbindung eingehen, die sich in den Köpfen festsetzt. Natürlich reichte die Formatbezeichnung nicht. Es sollte auch um einen Typus Film gehen, auf den sich die Fans schon vorher freuen konnten, ähnlich wie bei Serien, eine wiedererkennbare Grundstimmung musste her. Und da die Krimi-Spannung an den „Tatort“ vergeben war, wich das ZDF auf Romantik aus, um Liebe sollte es gehen, die dazugehörigen Konflikte und schöne Landschaften mussten auch sein, vielleicht noch ein Schloss oder ein Herrensitz. Man erfand das Wort „Herzkino“. Soll heißen: Sonntagsfilme handeln von Herzeleid und Herzenslust und gehen zu Herzen. Das Publikum, soweit nicht völlig verroht, dürfte sich schwerlich entziehen.

Frauen sehen mehr fern als Männer

Dabei war natürlich das weibliche Publikum gemeint – was an sich schon eine Art Diskriminierung ist. Seit Agatha Christie ihre Miss Marple erfand, weiß man, dass Frauen Krimis mögen, wenn sie nicht sogar selbst bei der Kripo anheuern. Aber es stimmt schon: Frauen mögen auch Liebesfilme, während Männer dieses Genre meiden, sie wollen Action. Frauen indessen schauen mehr fern als Männer, einfach weil sie sich länger in ihren vier Wänden aufhalten. All dem muss Rechnung getragen werden, also her mit dem ZDF-Sonntagsfilm als frauenaffinem Melodram oder Movie.

Es ist seltsam, wie wenig sich die Redaktion des Sonntagsfilms bei den Ankündigungen und Rahmungen dieser Reihe auf die filmischen Qualitäten verlässt, die sie ihrem „Herzkino“ zutrauen müsste; häufig wird vor dem Filmtitel der Name einer Schriftstellerin genannt, von der die Vorlage stammt. Wahrscheinlich trägt man mit diesem Trick der Tatsache Rechnung, dass Frauen mehr lesen als Männer. Jedenfalls weckt „Rosamunde Pilcher: Schlangen im Paradies“ sofort gewisse Erinnerungen und Assoziationen, die das Zielpublikum zum Einschalten bewegen sollen. „Tessa Hennig: Mutti steigt aus“ war am 12. Mai im Programm, und „Katie Fforde“ führte am 26. Mai zu „Harriets Traum“ (in Wiederholung). Inga Lindström ist auch eine begehrte Film-Patin, sie stand im letzten Jahr für „Vier Frauen und die Liebe“ und „Die Sache mit der Liebe“. Während „Eine Liebe in den Highlands“ sowie „Diagnose: Liebe“ dann wieder von Katie Fforde literarisch verantwortet wurden. Die Resonanz auf all die Liebe? Sie ist so schlecht nicht. Am 12. Mai konnte „Tessa Hennig: Mutti steigt aus“ 14,9 Prozent des Primetime-Publikums gewinnen, der Tatort („Borowski und der brennende Mann“) allerdings lag mit 27 Prozent Marktanteil klar darüber. Pilchers „Schlangen“ errangen am 28. April 17,7 Prozent, der Tatort („Feuerteufel“) aber 27,7 Prozent. Solange sich die Relationen in etwa so halten, wird das ZDF einigermaßen zufrieden sein und sich mit seiner Konzeption des „Sonntagsfilms“ bestätigt fühlen.

Die Kritik liebt die Reihe nicht. Die Verdikte reichen von „süßlich“, „bieder“, „kitschbeladen“ bis „zusammengeschraubt“, und sie sind grosso modo berechtigt. Es sind immer wieder die schönen Strände oder Gebirge, die verführen sollen, dazu die gut aussehenden Mannsbilder mit derselben Aufgabe. Die Frauen, um die es geht, sind meist ebenfalls schön, wenn sie auch Probleme haben, die sie dann durch einen (neuen) Mann oder die Rückkehr zum reuigen alten lösen. Der Einheitsbrei ist so dick, dass ein Film, der inhaltlich mal nicht da hineingehört wie beispielsweise „Die Kinder meiner Tochter“, in dem sich Jürgen Prochnow als alter Starrkopf mit seinen muslimischen Enkelkindern auseinandersetzen muss, Gefahr läuft, gar nicht als eigenständiges Werk wahrgenommen zu werden, sondern sozusagen im Herzkino untergeht. Das ist der Fluch der Formatierung: Wenn mal was aus der Schublade rausguckt, wird es nicht etwa besonders beachtet, sondern so lange reingedrückt, bis die Schublade zugeht. Umgekehrt funktioniert es genauso. Verdiente und beliebte Schauspielerinnen wie Rita Russek, Maren Kroymann und Eleonore Weisgerber sind im Sonntagsfilm „Mutti ...“ nur noch Bannerträgerinnen des Format-üblichen Eskapismus.

Aber ist nicht die Liebe, auch mit sechzig, ein großes Thema, darf sich nicht ein Abend in der Woche ganz ihm widmen? Es ist nicht die Liebe, die stört, es ist das Frauenbild. Wenn man eine inhaltliche Summe ziehen darf, so lautet sie: Love is all you need, aber angesprochen sind ausschließlich Frauen. Männer brauchen noch manches mehr. Man mache mal den Test und ersetze in Fällen, in denen ein Frauenname im Titel auftaucht, diesen durch einen Männernamen. „Therese geht fremd“ mit Christiane Hörbiger lief 2011. Wie klänge „Eduard geht fremd“? Irgendwie fremd, oder? Statt „Harriets Traum“ könnte man probeweise formulieren: „Harrys Traum“, und man denkt an einen Kinderfilm. Noch besser klappt die Entlarvung bei Titeln von Vorabendserien. „Erwin und die Liebe“ würde Stirnrunzeln hervorrufen, genauso wie „Olaf, folge deinem Herzen“. Man kann eben Männer nicht von ihren Herzensangelegenheiten her inszenieren. Aber bei Anna und Alisa hat man damit kein Problem. Es ist klar, dass nur die Liebe, sprich ein Mann, das Schicksal einer Frau entscheidet. Die fremdgehende Therese ist zwar von Beruf Philosophieprofessorin, aber der Film interessiert sich dafür nicht. Er zeigt die Abwege und den Heimweg, und die Pfade, um die es geht, sind solche der Liebe. Frauen wandeln darauf hin und her. Männer interessieren sich für Action, weil es auch in ihrem Leben Action ist, die sie suchen, sprich berufliche Bewährung in der Konkurrenz mit anderen Männern. Diese Spannung ist entscheidend für sie. Zwar kommt die Liebe meist auch irgendwann mal dran, aber sie ist bei ihnen niemals „all you need“.

Man kann es drehen und wenden wie man will, was da Pilcher-/Fforde-/Hennig-mäßig im ZDF den Sonntag regiert, ist fauler Zauber von vorgestern. Noch fällt das (ältere, weibliche) Publikum darauf rein, aber der Moment, an dem ein Publikum umdenkt und ganz was anderes will, kommt meistens plötzlich.

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