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Fernsehen: Dein Feind, der Baum

Ein ZDF-Thriller im Bayerischen Wald räumt auf mit dem Mythos des idyllischen Nationalparks.

Als Baum ist man seines Lebens nicht sicher im Bayerischen Wald. Kaum hat man sich hingestellt und die Äste von sich gestreckt, kommt auch schon der Borkenkäfer und fängt an mit dem Beißen und Nagen. Besonders abgesehen hat er es auf Fichten, an ihnen vergeht er sich, bis die Nadeln herunterkommen, die Rinde abfällt, der Stamm sich grau verfärbt. Mit einer Kamerafahrt über genau solche zu Skeletten verwitterten Bäume, unterlegt mit unheilverkündender Musik, fängt der ZDF-Fernsehfilm „Bis an die Grenze“ am heutigen Montag an, und wenn man die derart abgefressenen Berggipfel sieht, ist klar: Wenn dein Freund, der Baum tot ist, geht’s dir auch bald an den Kragen.

Gleich vorneweg: Die Idee, die dem Film unter der Regie von Marcus Rosenmüller zugrunde liegt, bekommt die volle Punktzahl. Ein Thriller, der im Nationalpark Bayerischer Wald spielt, der nutzt, was Deutschland zu bieten hat an Bildern und Assoziationsraum, und er nutzt aus, dass sich der Nationalpark an einer Grenze befindet. Einerseits beliebtes Ausflugsziel, andererseits undurchdringlicher Urwald – so etwas gab es noch nie.

Der Plot ist schnell erzählt. Eva (Katharina Böhm) und Peter (Hans-Werner Meyer) tun das, was deutsche Kleinfamilien so machen. Sie fahren in den Urlaub, dieses Mal nach Bayern. Der Sohn nörgelt, wie steht er vor seinen Freunden da mit so einem piefigen Reiseziel. Die Tochter packt noch rasch das schicke rote Kleid ein. Außerdem im Gepäck ist das dunkle Familiengeheimnis, und das wird ausgerechnet dann enthüllt, als die vier auf einem Ausflug in den Nationalpark auf eine Schlepperbande stoßen und von da an um ihr Leben fürchten müssen. Im Regen, orientierungslos im dichten Wald, auf der Flucht muss Eva der Tochter erklären, dass sie nicht ihre leibliche Mutter ist, und die äußere Gefahr korrespondiert mit der inneren Erosion. Mitunter ist die Handlung krude, die Dialoge sind erstaunlich emotionsarm. Doch kennt der Drehbuchautor Wolf Jakoby sein Genre: Während ein Krimi in der Wirklichkeit bleibt und die Ratio die Oberhand bewahrt, muss ein Thriller uns mitnehmen in eine Welt, die wir nicht kennen, und genau dazu taugt ein dunkler Wald. Auch muss die Thriller-Figur eine psychische Schwäche haben, die sie anfällig macht für die Gefahr. Bei Eva ist es ihr Wunsch, Konflikten aus dem Weg zu gehen, was der Film gleich zu Anfang vorführt: Eva ist auf der Autobahn, ein Reh taucht auf, sie reißt das Steuer herum und kommt dabei selbst fast ums Leben. „Ausweichen ist scheiße!“ wird ihr einer sagen, und am Ende wird sie wieder am Steuer sitzen und dieses Mal die Konfrontation nicht scheuen und voll draufhalten.

Woran der Film trotz erzählerischer Ambition scheitert, sind seine Bilder. Zu sehr gleichen sie schlecht ausgeleuchteten Postkartenmotiven. Gruseln kommt so nicht auf. Das visuelle Potenzial, das die Landschaft bergen könnte, bleibt verschwendet. Verena Friederike Hasel

„Bis an die Grenze“, ZDF, 20 Uhr 15

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