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Sind fünf Talker im Ersten einer zu viel? Eine fiktive Geschichte darüber, wie sich Frank Plasberg (v. l.), Sandra Maischberger, Günther Jauch, Anne Will und Reinhold Beckmann über ihre angestammten Plätze und Gäste streiten. Foto: ARD

© ARD/Marco Grob

Fiktiv und doch nicht erfunden: Laber Rhabarber

Wie sich die Comedians Oliver Welke und Dietmar Wischmeyer die Redaktionssitzungen des ARD-Talk-Quintetts vorstellen.

Freitag, 10.00 Uhr. Günther Jauch

Redaktionskonferenz bei Günther Jauch. Der Superstar des ARD-Talks lauscht der Manöverkritik zur Sendung vom letzten Sonntag. Sein Redaktionsleiter erwähnt die fantastische Quote und meint dann scherzhaft: „Na gut, wenn wir mal ehrlich sind ... Nach so einem starken Münster-,Tatort‘ könnten wir wahrscheinlich auch sechzig Minuten live auf irgendeine Straßenkreuzung in Haselünne schalten, und wir würden trotzdem fantastische Quoten holen.“ Die Runde lacht herzlich. Günther Jauch lacht nicht. Er schaut den Redaktionsleiter mit kalten Augen an und macht sich eine Notiz. Der Redaktionsleiter schluckt.

Freitag, 10.01 Uhr. Reinhold Beckmann

Reinhold Beckmann liegt auf dem Boden vor seinem Schreibtisch und spielt auf einer nicht angeschlossenen E-Gitarre „Smoke on the Water“. Es geht ihm super. Draußen vor der Tür hustet jemand. Da sitzen seit einer halben Stunde seine dreiundzwanzig Mitarbeiter und warten auf den Beginn der Konferenz. Sollen sie doch warten. Reinhold Beckmann ist total schnurz, was das Establishment von ihm erwartet. Seit die faschistoiden Schweine von der ARD ihn auf den Donnerstag verbannt haben, können ihn sowieso alle mal kreuzweise. Aber mit Anlauf. Denn Reinhold Beckmann ist jetzt wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Er ist ein freier Mann. Ein Rocker. Ein Outlaw.

Freitag, 10.03 Uhr. Anne Will

Anne Will sitzt in ihrem Büro und gibt einem Journalisten der „TV Spielfilm“ ein Telefoninterview. „Und sagen Sie mal, Frau Will, nagt das denn noch an Ihnen, dass Sie den Sonntagssendeplatz für den Kollegen Jauch räumen mussten? Das war doch am Anfang bestimmt ziemlich bitter, oder?“ DIE Frage schon wieder. Anne Will lacht in den Hörer. „Natürlich nicht. Wir sind inzwischen doch total happy mit dem Mittwoch.“ Anne Wills Standardantwort. Aber während der „TV Spielfilm“-Lurch am anderen Ende der Leitung irgendwas hinterherbrabbelt, tauchen in ihrem Kopf schon wieder diese Bilder auf. Immer dieselbe Fantasie: Günther Jauch hat Joachim Gauck im Studio. Den Bundespräsi himself, die Numero uno, den Boss vom Schloss, den beliebtesten Zonen-Preacher aller Zeiten. Der aufgeblasene Jauch platzt fast vor Selbstzufriedenheit. Aber dieses Gefühl hält nicht lange an. Denn als der Gastgeber sich vom Stuhl erhebt, um den Präsidenten zu begrüßen, platzt doch tatsächlich seine Hose! Mit einem regelrechten Knall. Das Studiopublikum kreischt vor Begeisterung, während Jauch rot anläuft und sich die Hände schamhaft vor den bloßen Hintern hält. Joachim Gauck schüttelt angewidert den Kopf und ruft: „Herr Jauch, Sie sind eine Schande für die deutsche Talker-Zunft. Hiermit entziehe ich Ihnen die Talk-Lizenz. Für immer! Sie dürfen nie wieder irgendwem irgendeine Frage stellen! Nicht im Fernsehen und auch nicht privat!“ Die Klatschaffen im Studio trampeln mit den Füßen.

Anne Will zuckt zusammen. Verdammt, sie hat sich schon wieder total in diesem doofen Tagtraum verloren. Hat sie etwa gerade laut und diabolisch gelacht? Am anderen Ende der Leitung herrscht Stille. Dann fragt der TV-Spielfilm-Mann : „Äh, Frau Will, alles in Ordnung bei Ihnen?“ „Was? Ja klar ... alles prima. Wir hatten, glaube ich, gerade eine Störung in der Leitung. Wie war noch mal die Frage?“

Freitag, 10.30 Uhr. Frank Plasberg

Auch die „Hart aber fair“-Crew konferiert, um das Thema für den kommenden Montag festzulegen. Vorher muss aber jeder Mitarbeiter dem Frank noch mal ganz offen und ungeschminkt sagen, was der Frank in der letzten Sendung BESONDERS gut gemacht hat. Ein Ritual, das vor kurzem eingeführt werden musste, nachdem der Programmbeirat der ARD in einem internen Papier moniert hatte, Plasberg würde „nicht mehr so konsequent nachhaken wie früher“. Das hatte gesessen. Der Frank versucht zwar, es sich nicht anmerken zu lassen, aber auch knallharte Journalisten haben Gefühle. Und jetzt müssen die Kollegen eben alle ein bisschen bei der Aufrichtung des verwundeten Egos mithelfen. Eine junge Redakteurin gibt gerade ihr Bestes, hat aber das Pech, dass sie als Letzte schleimen muss. Die Schleimer, die vorher dran waren, haben ihr schon die ganzen guten Sachen weggenommen.

„Äh ... ich fand die Krawatte vom Frank total gut ... zu dem Hemd ... Und das Licht war echt besonders gut diesmal ... für den Frank. Fand ich.“

Der Frank guckt enttäuscht.

"Die wollen was über Glasaugen machen"

Freitag, 11.20 Uhr. Sandra Maischberger

Die Mitarbeiter der Sendung „Maischberger“ warten auf Maischberger. Die Stimmung am Tisch ist gedrückt. Ein internes Papier des ARD-Programmbeirats hat kritisiert, „Maischberger“ würde immer unpolitischer. Von zu vielen Sexthemen war auch die Rede. Zugegeben, letzte Woche hieß die Sendung „Sex im Alter – muss das sein ?“, und sie hatten wieder mal Alice Schwarzer zu Gast. Genau wie vor drei Wochen in der Sendung „Bumsrepublik Deutschland – Pimpern wir uns alle zu Tode?“. Die Quote war der Hammer, und es gab auch jede Menge Presse. Kein Wunder: Wenn Rolf Eden in der laufenden Sendung wegen einer nicht abklingenden Dauererektion von einem Notarzt behandelt werden muss, bist du natürlich „Talk of the Town“.

Sandra Maischberger erscheint und setzt sich grußlos auf ihren Platz. Sie hat den Bericht des Programmbeirats unter dem Arm und entsprechende Laune. „Okay, Ideen für nächste Woche?“, fragt die Chefin ohne Vorreden in die Runde. Betretenes Schweigen. Der Druck ist mit Händen zu greifen. Dann fasst sich ein junger Mann mit Strickjacke ein Herz: „Du, Sandra, ich hab da was im ,Stern‘ gelesen, über deutsche Rentner in Thailand, das hat mich echt ...“ „Ja, du, Olaf, du, da muss ich dich direkt mal unterbrechen und eine kurze Zwischenfrage stellen: Hab ich mich eventuell in der Tür geirrt? Ist das hier möglicherweise gar nicht die Redaktion Maischberger? Hm? Sondern die Redaktion der VERDAMMTEN PRALINE?“ Totenstille in der Runde. Sandra wird sonst nie so laut. Sie knallt den Bericht des Beirats auf den Tisch. „Lest doch mal, was hier drinsteht! Wir müssen endlich wieder politischer werden! Lasst uns doch mal, was weiß ich ...’ne Euro-Sendung machen. So ’ne richtig schöne, klassische Euro-Armageddon-wir-wollen-die- D-Mark-zurück-Sendung von der Stange. So wie die Illner das jede zweite Woche macht. Das können wir doch auch. Mit dem Henkel! Genau, ladet mir den Hans-Olaf Henkel ein!“ Und wieder traut sich nur der Strickjacken-Mann: „Du, Sandra, es ist noch nicht amtlich, aber ich glaube, der Hans-Olaf geht am Sonntag zum Jauch.“ Sandra Maischberger platzt nun endgültig der Kragen.“ Zum Jauch! Natürlich! War ja klar! Na, prost Mahlzeit! Meine Fresse, ihr Penntüten, wacht endlich auf! Kapiert ihr denn nicht, was hier läuft? Fünf Talkshows sind eine zu viel! Die werden demnächst eine vom Schirm nehmen! Irgendwen erwischt’s! Wir spielen hier ,Reise nach Jerusalem‘, und die Musik ist bald zu Ende!“

Freitag, 11.50 Uhr. Anne Will

„Wie wär’s denn, wenn wir den Henkel einladen?“, fragt Anne Will ihre Redaktion. „Du, Anne, wollen wir uns nicht erst mal das Thema der Sendung überlegen?“, fragt ihre Producerin zurück und erntet dafür einen verständnislosen Blick von Will. Ihr geht das heute alles viel zu langsam. „Ja gut, von mir aus, legen wir halt erst das Thema fest. Aber wundert euch nicht, wenn der Henkel dann schon woanders zugesagt hat.“ Eine Redakteurin hat in der „Brigitte“ gelesen, dass die Kassen demnächst Glasaugen nicht mehr voll erstatten wollen. Da könne man doch endlich mal den Frank Elstner einladen. Ein Praktikant ruft : „Ja, genau, oder einen von den Piraten!“ Alle schauen den jungen Mann an. „Ich mein ... wegen der Augenklappe.“ Eisiges Schweigen. Die Gesichtsfarbe des Praktikanten tendiert Richtung violett.

Freitag, 12.10 Uhr. Günther Jauch

Günther Jauch checkt seine Mails. Allen anderen ist das am Konferenztisch selbstredend verboten. Die Runde brainstormt noch zum Thema „hinkende Prominente“ für die Knie-Sendung. Irgendwer meint, er habe mal gesehen, dass Claudia Roth ein Bein nachzieht. „Aber vielleicht lag das an dem Tag auch nur an ihren Schuhen. Ich recherchier da mal.“

„So, jetzt haltet mal alle kurz die Fresse!“, ruft Jauch scherzhaft in die Runde. Bisschen Spaß muss ja auch sein. „Hier, ich lese gerade, die Trümmertruppe von Tante Will hat sich schon auf ein Thema festgelegt: Die wollen was über Glasaugen machen. Haben sie gerade eben gemailt.“ Jauch macht eine Kunstpause, um die Spannung zu erhöhen. „Finde ich ehrlich gesagt weit sexyer als eure komische Knie-Idee. Da würde ich doch mal vorschlagen, das mit den Glasaugen machen WIR.“

Jauchs Redaktionsleiter, der noch nicht ahnt, dass er dem freien Arbeitsmarkt schon in naher Zukunft wieder zur Verfügung stehen wird, versucht einen zaghaften Einwand: „Ja, aber, du, Günther ... die hatten aber doch die Idee zuerst.“

„Na und? Wir SENDEN zuerst. Genauer gesagt, drei Tage vor Anne Will.“ Jauchs Mitarbeiter fangen an zu lachen. Sie glauben an einen weiteren wunderbar sarkastischen Scherz ihres Chefs. Jauch lacht nicht.

Auch Günther Jauch hat für heute die Nase voll

Freitag, 12.30 Uhr. Reinhold Beckmann

Nach nur drei Stunden Wartezeit begrüßt nun auch die Beckmann-Redaktion ihren Chef. Und es kommt noch besser: Er hat sich sogar was angezogen. Sein altes AC/DC-Glücks-T-Shirt. Ob sie ihm helfen soll, seine Hose zu finden, fragt jetzt seine Sekretärin. „Lass gut sein, Sabine, für die Planung der gammeligen Donnerstagssendung müssen wir uns ja nun wirklich nicht piekfein machen. Ist ja nicht so, dass da irgendwer guckt. Montags, das war ein anderer Schnack. DAS war noch ’ne Sendung. Aber da wollten se uns ja nicht mehr haben, die Pisser.“

Die frustrierten Gesichter seiner Mitarbeiter sagen Reinhold Beckmann, dass er es übertrieben hat. Die treuen Seelen haben ja recht. Auch wenn der Donnerstag das Hinterletzte ist, muss man für diesen Kacktag trotzdem irgendwas planen.

„Wisst ihr was, Kinners“, beeilt sich Beckmann, etwas Konstruktives beizutragen, „holt mir einfach wieder ein, zwei Dinosaurier ins Studio, den Schmidt oder den Scholl-Latour, je nachdem, wer noch atmet, und dann erzählen die was vom Krieg, dem Ersten oder dem Zweiten, is doch egal, das meiste wird eh vernuschelt, ich geb zwischendurch ein paar Stichworte, und dann kommt der Abspann, Feierabend!“ Reinhold Beckmann steht auf.

„Prima, hätten wir das doch auch geklärt. Tschö mit ö. Wenn was is, ich bin nebenan. Klebstoff schnüffeln.“

Freitag, 13.08 Uhr. Günther Jauch

Auch Günther Jauch hat für heute die Nase voll. „Alles klar, Sendung steht. Wir klauen der Will die Augensache, der Henkel kommt, und ihr setzt noch irgendwelche anderen Pappkameraden drumrum ... aber nicht den Baring, der hat beim letzten Mal so streng gerochen.“

Günther Jauch erhebt sich. Plötzlich fliegt die Tür auf und eine aufgelöste Sekretärin stürmt den Konferenzraum.

„Angela Merkel ist zurückgetreten! Die Meldung kommt eben rein.“ Die Nachricht schlägt ein wie eine Bombe. „Was? Gibt’s ja nicht! Hammer! Weiß man schon, warum?“

„Wahrscheinlich irgendwas mit ihrer

Doktorarbeit.“

„Oder man hat doch ’ne Stasi-Akte gefunden.“

„Ja, oder sie hat einfach keinen Bock mehr.“

Am Tisch schreien jetzt alle durcheinander. Man hat nur noch zwei Tage Zeit bis zur Sendung des Jahres. Wen einladen? Erst mal bei allen alten Merkel-Feinden anfragen. Den Koch, den Merz, den Wulff, den Köhler und vor allem den Röttgen. Wegen der Ausgewogenheit müssen aber natürlich auch Merkel-Freunde her. Die Runde grübelt mehrere Minuten, kommt aber auf niemanden.

„Scheiß drauf, dann eben nur Feinde – plus Henkel natürlich“, ruft der aufgeregte Redaktionsleiter. Nur einer bleibt ganz ruhig: Günther Jauch. Erst nach langem Nachdenken meldet er sich zu Wort : „Hmmm ... Ist natürlich keine schlechte Geschichte, der Merkel-Rücktritt. Keine Frage, könnte man machen ... Trotzdem: Die Glasaugengeschichte hat auch was. Ist näher bei den Leuten. Während diese Merkel-Sache ja auch ganz schnell was Trockenes kriegen kann. Was Journalistisches, um nicht zu sagen: Langweiliges. Insofern vielleicht doch mehr ein Thema für die Will. Oder was meint ihr?“

Günther Jauch macht an diesem Sonntag eine Sendung über Glasaugen, die sich nur noch Reiche leisten können. Er überlässt das Merkel-Thema großmütig den Kollegen, die nach ihm kommen. Aber weder Plasberg noch Maischberger oder Will greifen zu. Keiner der drei hat Lust, sich mit einem „abgelegten Jauch-Thema“ die Quote zu versauen. Reinhold Beckmann allerdings stellt sich der Aktualität. Weil ihm eh alles egal ist. Und tatsächlich kommt sogar die Kanzlerin persönlich in seine Sendung, um die Motive für ihren Rücktritt zu erklären.

Die Einschaltquote liegt deutlich unter dem ARD-Schnitt. Reinhold Beckmann ist auch das egal.

Gekürzter Vorabdruck des Textes „Das ARD-Talk Quintett. Laber Rhabarber“ aus dem Buch „Frank Bsirske macht Urlaub auf KrK. Deutsche Helden privat“. Oliver Welke und Dietmar Wischmeyer porträtieren darin 77 prominente Mitbürger.

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