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Medien: Folge der Elite

Nur wenige Aktive sorgen für die Twitter-Inhalte. Bundespressekonferenz hadert mit Seiberts Tweets

Die Twitter-Seite von Barack Obama hat über sieben Millionen Abonnenten, sprich Follower. Über das Twitter-Konto des US-Präsidenten wurden bislang 1299 Nachrichten – so genannte Tweets – verschickt. Teenie-Star Justin Bieber kommt auf 8,4 Millionen Follower und 8500 Tweets, die „New York Times“ steht bei drei Millionen Twitter-Abonnenten, wobei die US-Zeitung bislang 61 000 Tweets abgesetzt hat. Dass der Herdentrieb im Kurznachrichtendienst Twitter besonders gut funktioniert, ist bekannt. Neu ist hingegen, wie wenige Leithammel vor den vielen Twitter-Nutzern herlaufen. Einer Studie von Wissenschaftlern der amerikanischen Cornell-Universität und von Forschern des Internet-Unternehmens Yahoo! mit dem Titel „Wer sagt was zu wem auf Twitter?“ zufolge stammt die Hälfte des Inhalts auf Twitter von 0,05 Prozent der Nutzer. Anders gesagt: Gerade einmal 100 000 Aktive aus den Gruppen Prominente, Medien, Organisationen und Blogger liefern demnach den Stoff, den die rund 190 Millionen Nutzer von Twitter suchen.

Die Wissenschaftler haben für die Twitter-Trendsetter den Begriff „Elite-Nutzer“ geprägt. Interessant ist dabei zugleich, welche Profile die Elite selbst abonniert hat. Nach der Untersuchung bleiben die Nachrichtenproduzenten gerne unter sich. Prominente folgen Prominenten, Medien anderen Medien und Blogger lassen sich wiederum gerne von anderen Bloggern die eigene „Timeline“, auf der die Meldungen der abonnierten Profile aufgelistet werden, vollschreiben. Erst in einem nächsten Schritt gelangen die Neuigkeiten dann über Follower aus der breiten Nutzerschaft durch eigene Tweets und Retweets (Weiterleitung von Tweets) in Umlauf. Die Studie wirft somit die Frage auf, wie weit es sich bei Twitter tatsächlich um ein Jedermann-Medium handelt, bei dem frei nach Bertolt Brechts Radiotheorie jeder Hörer zum Sender werden kann, jedem Follower massenweise andere folgen. Eher gilt Marshall McLuhans „The Medium is the Message“.

Dabei tun sich viele Deutsche im Umgang mit Twitter offensichtlich einigermaßen schwer. Dazu passt eine Begebenheit aus der Bundespressekonferenz, die derzeit von mehreren Blogs wie „Indiskretion Ehrensache“ oder dem Politblog „Carta“ behandelt wird. Dazu kam es bei einer Sitzung der ehrwürdigen Institution aus der vergangenen Woche. Einige Korrespondenten der Bundespressekonferenz machten in Frageform ihrem Ärger darüber Luft, dass Regierungssprecher Steffen Seibert Journalisten und Öffentlichkeit nun ganz direkt via Twitter unterrichtet. Sie wollten wissen, ob sie künftig nur noch mit einem Twitter-Account über die relevanten Termine der Bundeskanzlerin informiert würden.

Stein des Anstoßes war Seiberts Bekanntgabe eines Reisetermins von Angela Merkel via Twitter. Sie plant im Juni einen USA-Besuch . Unter dem Twitter-Namen RegSprecher twittert Ex-ZDF-Mann Seibert seit gut einem Monat, rund 13 000 andere Twitter-Nutzer haben sein Profil abonniert. Bislang wurden daraus 120 Nachrichten verschickt. Ein eigenes Twitter-Konto benötigt man dafür nicht: Um Seiberts Tweets zu lesen reicht es aus, die Adresse twitter.com/regsprecher einzugeben.

Zu den Top-Prominenten unter den Twitterern weltweit zählen der Studie zufolge Ashton Kutcher (Twitter-Name aplusk), Lady Gaga (ladygaga) und Ellen Degeneres mit ihrer gleichnamigen TV-Show. Bei den Medien sind die Breaking News von CNN (cnnbrk) , die New York Times (nytimes) und Asahi aus Japan die Top-Twitterer, bei Organisationen liegt Google vor Starbucks und Twitter. Die Top-Blogs Mashable, Problogger und Kibeloco sind in Deutschland weniger bekannt. Dafür gilt auch hierzulande, dass die gleichen Seiten, die auch im Web den Ton angeben, auch bei Twitter für das Hintergrundrauschen sorgen: Zu den Lieferanten der Top-Tweets gehören „Bild“ und „Spiegel“, „taz“ und Heise- News, die Bahn, Paul van Dyk und der SV Werder Bremen. Kurt Sagatz

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