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Interview: „Frauen waren Lustobjekte“

Am Montag startet der Sechsteiler "Borgia" im ZDF: Andrea Sawatzki über den Reiz historischer Rollen, Gier und Englisch-Hilfe von ihrem Mann.

Frau Sawatzki, mit 25 Millionen Euro ist „Borgia“ eine der teuersten Fernsehproduktionen. Gedreht wurde in Prag, mit 126 Mitwirkenden aus 18 Nationen. Welchen Stellenwert hat da noch der Einzelne?

Die Frage habe ich mir noch nie gestellt. Ich frage mich eher, ob es mir Spaß gemacht und etwas gebracht hat. Und das kann ich durchaus bejahen. Es war ein großartiges Erlebnis.

Wo ist der Unterschied zwischen einem Großprojekt und einer kleinen Produktion, was Ihre Arbeit als Schauspielerin angeht?

Man ist schon ein Glied in einer langen Kette und muss sich mehr einpassen in das große Ganze. Das wiederum schafft das Gefühl, dass man gut aufgehoben ist. Wir haben in der Zeit viele Freundschaften geschlossen und hatten stark das Gefühl, an einem Strang zu ziehen. In einer Gemeinschaftsproduktion ist jede Rolle wichtig, gerade weil man sich in einer anderen Zeit befindet. Da reicht es nicht, nur zu spielen, man muss sich auch in diese Zeit, die Renaissance, eingliedern.

Wie kann man sich das vorstellen: sich eingliedern in die Zeit?

Es wurde von uns erwartet, dass wir in dem Zeitraum keine andere Produktion annehmen, jederzeit verfügbar sind und immer wieder lange Strecken in Prag am Set verbringen. Ich hatte 26 Drehtage, war aber auch oft dort, wenn ich nicht dran war, einfach um zuzuschauen. Das war sehr aufregend, weil die Barrandov-Studios, in denen die Sixtinische Kapelle, der Vatikanspalast und der Petersplatz nachgebaut wurden, so gewaltig sind. Das war wie eine andere Welt. Sobald man diese Räume betrat, gab es eine völlige Zeitverschiebung.

Das klingt, als wäre es dadurch fast leichter, eine historische Figur zu spielen als eine heutige.

Es ist auf jeden Fall eine innigere Arbeit gewesen, vielleicht anstrengender, weil die Figuren sich doch anders verhalten als heute und nicht eins zu eins nachvollziehbar sind. Gerade bei meiner Figur, der Ziehmutter von Lucrezia Borgia, die ich anfangs als fragmentarisch empfand, musste ich mir schon einiges ausdenken. Später wird sie dann noch richtig fanatisch und steigert sich gefährlich in ihre Religion hinein und in ihre Hörigkeit dem Papst gegenüber. Das war zunächst nicht so fassbar.

Erleichtern die Kostüme die Arbeit, oder ist es dadurch auch mühsamer?

Ich arbeite sehr gern mit extremen Kostümen und Masken, weil ich mich gerne weit von mir selbst entferne. Die Kostüme haben da vieles erleichtert. Durch die schweren, engen Kleider wurde der Gang ganz anders, weil man so viel zu schleppen hatte und kaum Luft kriegte. Auch durch die Perücke bekam man eine andere Haltung und daher insgesamt ein anderes Lebensgefühl. Das hieß aber auch, man kam aus der Rolle nicht heraus. In einer langen Pause konnte ich mich nicht irgendwo hinlegen und etwas lesen, sondern musste brav sitzen, damit nichts knittert und die Haare nicht verrutschen. Allein die Perücke herzurichten, hat jeden Morgen eineinhalb Stunden gedauert.

Die Familie Borgia lebte am Anfang des 15. Jahrhunderts. Könnten Sie sich vorstellen, in jener Zeit zu leben?

Ich glaube, das wäre nichts für mich. Die Frauen waren Gebärmaschinen und Lustobjekte. Ich hätte keine Lust, Kinder zu bekommen und sie mir dann irgendwann wegnehmen zu lassen, weil mein Mann sagt: Ich brauche die jetzt für meine Politik. Und die hygienischen Zustände waren sehr abenteuerlich. Man konnte sich nicht wirklich waschen, sich nicht allein an- und ausziehen. Es gab keine Toiletten. Und es existierte natürlich auch zu viel offensichtliche Gewalt. Heute ist die Gewalt bei uns ja eher verbal, die Intrigen eher unsichtbar. Damals wurde dem Nächstbesten einfach der Kopf abgehackt, wenn er gestört hat.

Wie diese Familie Borgia miteinander umgeht, ist das in mancher Hinsicht auch heute noch aktuell?

Was mich sehr beeindruckt, ist, den Jugendlichen im Film zuzusehen. Ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte zu beobachten, und wie sie versuchen, an ihr Ziel zu gelangen oder ihrem Vater zu gefallen. Obwohl sie einerseits gehorsam sein wollen, beginnen sie ihr eigenes Leben zu leben. Das ist natürlich aktuell und sehr spannend. Und dann ist da die Machtgier, die Ungeduld der Menschen, der Neid. Was das angeht, da hat sich wohl nicht wirklich viel verändert von damals bis heute.

Adriana ist Ihre erste historische Rolle. Mit welcher Erwartung sind Sie zum Casting gegangen?

Ich wollte die Rolle wahnsinnig gern spielen, obwohl ich mich eigentlich nie für internationale Großproduktionen interessiert habe. Aber als ich das erste und vielleicht einzige Mal in meinem Leben angefragt wurde, wollte ich es auch schaffen. Mein Englisch ist nicht so sehr gut, also habe ich mit meinem Mann, Christian Berkel, der sehr gut Englisch spricht, extra das British English einstudiert, weil es ja keine amerikanische Produktion war. Ich habe mit spitzen Lippen meine Adriana vorgesprochen. Und das war genau falsch. Es hat dann zum Glück doch geklappt, nur sagte mir Regisseur Oliver Hirschbiegel hinterher: „Es ist alles toll, wie du die Figur spielst, aber dieses Posh-Englisch, das musst du etwas ablegen.“

Sie haben ja nun dieses wunderbare Renaissance-Gesicht. Waren Sie denn schon in der Ausstellung im Berliner Bode-Museum: „Gesichter der Renaissance“?

Nein. Aber da muss ich unbedingt rein. Eine Nachbarin sagte mir: „Da ist eine Frau, die hat genau deine Frisur.“

Das Gespräch führte

Simone Schellhammer.

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