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Gerichtsthriller: Fernsehen für Erwachsene

„Einen Anwalt hat die Wahrheit nicht zu interessieren.“: Regisseur Matti Geschonneck hat wieder mal einen großartigen Film gedreht.

Eine Villa voller Blutspuren, ein aufgebrachter Mann, der auf eine Tür eindrischt, hinter der sich eine verstörte, misshandelte Frau eingeschlossen hat. Als die Polizei bei den Eheleuten Lamberg eintrifft, scheint die Lage eindeutig. Der schwerreiche Düsseldorfer Unternehmer (Jörg Hartmann) wird verhaftet und wegen Körperverletzung und Vergewaltigung angeklagt. Der Prozess ruft zwei Frauen auf den Plan, die sich bald in einer Art Duell gegenüberstehen: Barbara Auer spielt eine Richterin, die in dem anfangs so klaren Fall entscheiden soll, und Ina Weisse eine Strafverteidigerin aus einer Erfolgskanzlei in Berlin, die für ihr ebenso hartnäckiges wie skrupelloses Vorgehen bekannt ist. Tatsächlich gelingt es der Verteidigerin, alle Anklagepunkte so zu entkräften, dass sie eine vorläufige Haftentlassung ihres Mandanten erwirkt. Doch damit beginnt sowohl für sie als auch für den Zuschauer eine Achterbahnfahrt. Aus dem fiesen Schmierlapp wird kurz ein bedauernswertes Opfer, dann wieder ein brutales Schwein. Nichts ist mehr sicher und der Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit wird auf höchst irritierende Weise deutlich.

„Einen Anwalt hat die Wahrheit nicht zu interessieren.“ Dieser Satz des Strafverteidigers und Bestsellerautors Ferdinand von Schirach stand gewissermaßen wie ein Motto über der Entstehung des ZDF-Films am Montagabend: „Das Ende einer Nacht“. Regisseur Matti Geschonneck („Duell in der Nacht“) und Drehbuchautor Magnus Vattrodt, die gerade mit einem Grimme-Preis für ihren famosen Beziehungsfilm „Liebesjahre“ ausgezeichnet wurden, haben sich bei ihren Recherchen das deutsche Gerichtssystem genau angesehen, sich mit Richtern und Strafverteidigern getroffen und diverse Prozesse in Wuppertal, Köln und Düsseldorf besucht. „Tatsächlich gibt es in deutschen Gerichtssälen kaum echte Dramatik“, sagt Matti Geschonneck. „Das läuft alles unaufgeregt und eher subtil ab.“

Umso bravouröser ist es, dass „Das Ende einer Nacht“ ein extrem spannender Gerichtsthriller geworden ist. Dafür gibt es viele Gründe. Da sind zunächst einmal die Schauspieler, die bis in die Nebenrollen (Matthias Brandt, Christoph M. Ohrt) hinein zu Hochform auflaufen. Jörg Hartmann, der für die Serie „Weissensee“ im letzten Jahr den Deutschen Fernsehpreis als Bester Schauspieler erhalten hat, ist nicht nur ein großer Verwandlungskünstler, sondern auch immer für Überraschungen gut. Sein etwas braves Äußeres ist dabei eine gute Tarnung für Hinterhältigkeiten. Ina Weisse schaut man gerne zu, wie sie blond und schön durch die Hochglanzwelt marschiert und zunächst alles im Griff hat. Im Zusammenspiel mit Barbara Auer, deren Figur anfangs ihrer Gegenspielerin einiges an Verachtung entgegenbringt, entstehen mithilfe punktgenauer Dialoge intensive, fast erotische Filmmomente.

Die ruhigen Bilder von Kamerafrau Judith Kaufmann lassen Luft und schaffen Raum für Zweideutigkeiten. Die Hochglanzkulisse und die Luxusausstattung gaukeln eine Sicherheit vor, die genüsslich Stück für Stück demontiert wird. Und dann ist da die perfekte Konstruktion des Drehbuchs mit seinen vielen Wendungen, bei denen man problemlos mitgeht auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage: „Was ist in dieser Nacht wirklich passiert?“

Das Ende ist mutig und konsequent. „Mir war schon klar, was wir den Zuschauern da antun“, sagt Drehbuchautor Vattrodt. „Der Film ist vielleicht ein bisschen anstrengender, aber ich finde, dass wir vergleichsweise unterhaltsam geworden sind.“ In der Tat haben Spannung und Komik hier genauso ihren Platz wie der Tiefgang des Themas. „Unterhaltung kann den Zuschauer durchaus herausfordern oder Dinge hinterfragen“, findet Vattrodt. „Man sollte da niemanden unterschätzen.“ Matti Geschonneck nennt so etwas „Fernsehen für Erwachsene“.

„Das Ende einer Nacht“,

20 Uhr 15, ZDF

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