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Gar zu gerne möchte Konstantin Neven DuMont (links) aus dem Schatten seines Vaters Alfred heraustreten. Aber der Altverleger lässt nicht von der Macht. Foto: p-a/Schroewig/CS

© picture-alliance / SCHROEWIG/CS

Familienstreit: Hänneschen in der Wüste

Drama im Kölner Zeitungshaus Neven DuMont: Sohn Konstantin rebelliert gegen seinen Vater Alfred. Wie der Altverleger auf die Angriffe reagiert und welche Folgen der Streit für den drittgrößten deutschen Verlag hat.

Am Mittwochabend war er wieder da, der urlaubende und beurlaubte Verlegersohn. Konstantin Neven DuMont, 41, saß auf dem Podium in der Kölner Messehalle und lächelte entspannt den Fotografen zu. Unten im Saal war zu beobachten, was viele in der Stadt zurzeit wirklich bewegt. Es ging hoch her, über 3000 Menschen wollten am liebsten den Vorstand in die Wüste schicken und diskutierten bis Mitternacht über die Zukunft ihres Lieblingsvereins, des Bundesliga-Letzten 1. FC Köln. Um Konstantin Neven DuMont, als Mitglied des FC-Verwaltungsrats hier nur eine Randfigur, kümmerte sich niemand. Er beteiligte sich auch nicht. Er tat etwas, was er zuletzt selten getan hatte: Er schwieg.

Allerdings ist er es, der gerade – offiziell nur vorübergehend – in die Wüste geschickt worden war. Von seinem eigenen Vater, Alfred Neven DuMont, dem Patriarchen des Kölner Zeitungshauses, der sich seit 2009 eigentlich Schritt für Schritt aus dem Verlag zurückziehen wollte. Gegen den Willen des „Alten“, des 83-jährigen Herausgebers und Aufsichtsratsvorsitzenden, fallen nach wie vor keine grundsätzlichen Entscheidungen im drittgrößten Zeitungsverlag Deutschlands. Auch den Machtkampf mit seinem konfus und ungeschickt aufbegehrenden Sohn hat er, natürlich, gewonnen.

In einer internen „Depesche“ meldete sich Alfred Neven DuMont in der vergangenen Woche erstmals zu Wort, in einer bemerkenswerten Mischung aus inhaltlich klarer Ansage und beinahe fröhlichem Tonfall. Das Unternehmen sei völlig unvorbereitet „durch meinen Sohn Konstantin Neven DuMont, der seit mehreren Tagen beurlaubt ist und dessen Ämter und Funktionen ruhen, in eine misshellige Situation geraten“, schrieb er und distanzierte sich in einem Aufwasch gleich von „allen Äußerungen“ Konstantins. Sie würden nicht die Meinung des Unternehmens wiedergeben. „Nicht ohne Humor möchte ich abschließend feststellen, dass Sie mich noch eine Zeit lang ertragen müssen“, kündigte er seinen Mitarbeitern an. Bei denen herrscht, wie zu hören ist, eine Mischung aus Erleichterung und Fassungslosigkeit. Außerdem die Sorge, dass nach der Ära des publizistisch engagierten Alt-Verlegers Alfred Neven DuMont die Zeit der kühl kalkulierenden Manager anbricht.

Der Sohn jedenfalls hat sich ins Abseits manövriert, gab sogar dem Konkurrenzblatt „Bild“ Interviews und griff den Vater im „Focus“ direkt an. Konstantin sprach von einem Machtvakuum beim Unternehmen M. DuMont Schauberg und nannte als Beispiel für die verfehlte Politik des eigenen Hauses die „Frankfurter Rundschau“. Dort werde auf der Kostenseite „in den nächsten Monaten noch einiges passieren“. Tatsächlich passierte etwas. Die „Frankfurter Rundschau“ sparte sich ihren Herausgeber und strich Konstantin Neven DuMont aus dem Impressum. Auch das dürfte nicht ohne Zustimmung des „Alten“ geschehen sein. Das Tischtuch scheint zerschnitten, man spricht seit geraumer Zeit nicht miteinander.

Große Freude dürfte dieses neuerliche Drama in der eigenen Familie – nach dem Tod seines ältesten Sohnes Markus 1995 – Alfred Neven DuMont nicht bereiten. Aber am Donnerstag sandte er ein weiteres klares Signal. Konstantin hatte ihm via „Focus“-Interview vorgeworfen, er blicke bei der Digitalisierung und den nötigen Veränderungen der Geschäftsmodelle „nicht so richtig durch“. Seit Donnerstag gibt es das DuMont’sche Zentralorgan, den „Kölner Stadt-Anzeiger“, auch auf dem iPad. Die tägliche Ausgabe plus Bildergalerien und Bewegtbilder gibt es für 79 Cent im AppStore. Der „Stadt-Anzeiger“ machte dafür auf der Titelseite großflächig Eigenwerbung, mit einem Bild und ein paar Zeilen von Alfred Neven DuMont „über das Medium der Zukunft“. Allerdings trägt diese öffentliche Wortmeldung tragische Züge: Immer noch muss der 83-Jährige herhalten, als Aushängeschild des meinungsführenden Blattes in der Stadt und sogar als Experte für die schöne neue Medienwelt. Einen ernst zu nehmenden Nachfolger in der über 200 Jahre alten Verlegerdynastie, das hat die Affäre deutlich gemacht, gibt es nicht mehr. Die offene Führungsfrage verschärft zweifellos die Probleme, die ein Printunternehmen ohnehin in der digitalen Welt hat.

In Köln selbst ist die Situation bizarr. Während das Schauspiel um die Nachfolge in der DuMont’schen Dynastie bundesweit seit Wochen die Gazetten beschäftigt, erfährt man in den Kölner Medien über die Kapriolen einer der einflussreichsten Vorzeigefamilien der Stadt – fast nichts. Der WDR berichtete zwar im Hörfunk gelegentlich über die Affäre, doch in der quotenstarken Fernseh-„Lokalzeit Köln“ geht es meist nur um Unfälle, Karneval und natürlich den FC.

Und die regionale Presse, neben dem „Stadt-Anzeiger“ sind das noch die „Kölnische Rundschau“ und das Boulevardblatt „Express“, ist – mit Ausnahme der „Bild“-Zeitung – ohnehin komplett in der Hand von DuMont. Allein die dürre Pressemitteilung von Konstantin Neven DuMonts Beurlaubung wurde an die eigene Leserschaft weitergereicht. Deutlich länger fiel gestern ein Kommentar von Chefredakteur Peter Pauls auf der Medienseite des „Stadt-Anzeigers“ aus, in dem er den Springer-Blättern vorwarf, eine Kampagne gegen einen Konkurrenten zu fahren. Doch Berichte über das Drama von Köln fanden sich in den vergangenen Wochen quer durch die Verlagsrepublik – von „taz“ bis „FAZ“.

Denn hier wird ein wahrhaft saftiges Schauspiel geboten. Michael Stürmer verglich es in der „Welt“ mit der griechischen Ödipus-Tragödie. Anderenorts ist von „Konstantingate“ die Rede. Aber es taugt auch als Stück für das Hänneschentheater, die ebenfalls vor über 200 Jahren gegründete Kölner Puppenbühne. Das Hänneschen, übrigens keine unsympathische Figur, gibt zweifellos Konstantin Neven DuMont. Er ist ein schlaksiger, freundlicher Typ, der im Jahr 2000 den Karnevalsverein „Goldene Jungs“ mitgründete. Vater von vier Kindern. Keiner von den geschniegelten Medienmanagern, sondern einer, der bei öffentlichen Auftritten eher ungelenk daherredet. Mit Standesgrenzen hat er es nicht so, er gibt niemandem das Gefühl, auf ihn herabzublicken.

Eher branchenuntypisch auch, dass er redet, bloggt und twittert, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Als er sich in die Ferien verabschiedete, meldete er seinem Online-Publikum frohgemut: „Juchu, heute beginnt mein Urlaub.“ Möglicherweise hat sein unkonventioneller Umgang mit den neuen Medien den Kronprinzen die Karriere gekostet, aber was letztlich den Ausschlag gab, bleibt auf den Fluren der gut abgeschotteten Führungsetage. Der Journalist Stefan Niggemeier hatte Konstantin Neven DuMont vorgeworfen, der Verleger überschwemme seinen Blog mit teilweise beleidigenden Kommentaren und benutze dafür zahlreiche Pseudonyme. Der Jungverleger leugnete erst einmal die Vorwürfe. Niggemeier legte nach und verwies auf die Internetadresse der Blogbeiträge, die auf Neven DuMonts Computer hindeuteten. Der räumte ein, Dritte müssten sich Zugang verschafft haben.

Es wirkt etwas grotesk, dass sich so einer als junger Hoffnungsträger auserkoren sieht, ein 700 Millionen Euro schweres Zeitungshaus in die digitale Zukunft zu führen. Durch die Übernahme der „Frankfurter Rundschau“ sowie des Berliner Verlags mit „Berliner Zeitung“, „Berliner Kurier“ und der „Hamburger Morgenpost“ hatte sich M. DuMont Schauberg (MDS) vom regionalen zum nationalen Spieler entwickelt. Nach der Wende hatte der Verlag bereits die „Mitteldeutsche Zeitung“ in Halle/Saale erworben. Durch Beteiligungen an Rundfunk- und Onlinefirmen hat sich das Unternehmen außerdem zu einem breiter aufgestellten Medienkonzern entwickelt.

Für Konstantin Neven DuMont, so scheint es, ist das eine Nummer zu groß, und man fragt sich, ob den Beteiligten nicht früher hätte auffallen müssen, dass ihm der Vorstandsanzug nicht wirklich passt. Vieles spricht nun dafür, dass der Erbe sich seinen siebenprozentigen Anteil im geschätzten Wert von um die zehn Millionen Euro ausbezahlen lässt.

Wie es dann in diesem Stück aus Soap und Drama weiter geht, darüber darf spekuliert werden. Die Familien DuMont und Schütte teilen sich jeweils die Hälfte der Anteile. Im vierköpfigen Vorstand sitzt mit Christian DuMont Schütte, 53, auch ein Vetter Konstantins – und damit ein Vertreter des anderen Familienzweigs. Vor Jahren hatte er seinen Namen geändert und das DuMont hinzufügen lassen. Nun sieht es so aus, als wäre der in der Öffentlichkeit zurückhaltende gelernte Bankkaufmann der einzige Familienerbe, der die Geschicke des Unternehmens nach Alfred Neven DuMonts Ausscheiden bestimmen wird.

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