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Die wahren Majestäten sind für Hannelore Hoger die Regisseure. Foto: Georg Wendt/dpa

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Hannelore Hoger im Porträt: Die Hineindenkerin

Schon als sechsjähriges Mädchen stand Hannelore Hoger auf der Bühne. Was sie in sich trägt, will die Schauspielerin seither zum Ausdruck bringen - am Theater, als Bella Block und jetzt in der ZDF-Komödie "Uferlos!".

Plötzlich ging das Licht aus. Hannelore Hoger stand auf der Bühne des Hamburger Schauspielhauses und hatte gerade einen Monolog aus dem „Zerbrochenen Krug“ beendet, als über ihr die Birne des Scheinwerfers zerbarst. Ein technischer Unfall als polternde Pointe ihres Auftritts. Das war Anfang der 80er Jahre, Hannelore Hoger lacht heute noch darüber. Sie weiß nicht mehr genau, wie viele Rollen sie schon gespielt hat, und welche davon vielleicht die schönste war. Aber es sind oft die unerwarteten Begebenheiten, die als Episoden eines Schauspielerlebens in Erinnerung bleiben. Hannelore Hoger kann von vielen Zufällen erzählen, sie ist ein heiterer Mensch.

Sie sitzt im Garten des Berliner „Hotels Savoy“. Eine in Schwarz gekleidete Dame mit getigerten Pumps und ausgewähltem Schmuck. Elegant und gleichzeitig unnahbar. Ihre Frisur sieht aus wie nach einem kurzen Sturm, die rot gefärbten Haare sind immer noch voluminös. Sie muss jetzt um die siebzig sein. Niemand weiß das so richtig. Für jemanden, für den Ziffern keine Rolle spielen, mag das selbst nicht wichtig sein. Die Agentur gibt als Geburtsjahr an: 1943. Wikipedia schreibt: 1942. Und Hannelore Hoger sagt: „Ich habe viel gearbeitet.“

Ihr kann man nichts mehr vormachen

Seit sie 14 ist, steht sie auf der Bühne. Sie spielte am Stadttheater Ulm, in Bremen, Stuttgart, Bochum und in Hamburg. Sie hat mit Regisseuren wie Kurt Hübner, Peter Zadek, Augusto Fernandez oder Alexander Kluge inszeniert und gedreht, Begegnungen, von denen sie heute noch schwärmt. „Ich selber weiß nichts“, sagt sie über ihren Beruf. „Der andere ist immer der entscheidende Faktor, mein Gegenüber, der Regisseur. Ohne den anderen sind wir verloren. Sympathie und Vertrauen sind die Grundvoraussetzung meiner Arbeit.“ Und um zu bestätigen, dass dies etwas ganz Gewöhnliches ist, fügt sie hinzu: „Das ist ja bei Ihnen nicht anders. Ich könnte auch ganz anders mit Ihnen reden, kurz angebunden, nur mit Ja oder Nein antworten. Also brauchen auch sie mein Vertrauen.“ Egal, wie alt sie nun wirklich ist, Hannelore Hoger kennt das Leben und das Geschäft. Ihr kann man nichts mehr vormachen.

Regisseure sind für sie die Majestäten des Theaters

Am Montag ist sie in der ZDF-Komödie „Uferlos!“ zu sehen. Darin spielt sie Marlies Gottlieb, eine alleinstehende Frau, die in Brandenburg auf einem Grundstück zurückgezogen mit ihren Singvögeln lebt. Als der Schwede Mikkel (Rolf Lassgard) in das Haus neben ihr einzieht, ist Schluss mit der Stille. In schwedischer Tradition, die wohl besagt, dass jeder willkommen ist, feiert Mikkel mit den Dorfbewohnern das Mittsommerfest. Und er setzt sich dafür ein, dass der alte Uferweg, den seine Nachbarin vor Jahren sperren ließ, wieder für alle geöffnet wird. Marlies Gottlieb versucht, das vehement zu verhindern. Sie verweigert Unterschriften, piesackt ihre Mitbürger, lässt Mikkels Jauchegrube überlaufen. „Ich mag ihre Art, das, was sie liebt, zu verteidigen“, sagt Hannelore Hoger über ihre Figur. „Sie ist ein bisschen so wie Don Quichotte, der gegen Windmühlen ankämpft. Ob ihre Mittel der Verteidigung allerdings immer die richtigen und lustigsten sind, weiß ich nicht.“ Wäre „Uferlos!“ nicht gerade als Komödie deklariert, könnte man den Film durchaus auch traurig finden. Marlis Gottlieb stößt sich an ihren Gegnern. Sie steckt ein, ohne zurückzuweichen und ist in ihrem Eigensinn oft mehr als einsam. Hannelore Hoger meint, „die Komik an sich gibt es ja auch gar nicht. Das Leben ist gleichzeitig komisch und ernst, sonst könnten wir es nicht ertragen. Auch die griechische Tragödie im Dauerzustand würden wir nicht aushalten.“

Geboren wurde sie in Hamburg, als Tochter einer Schneiderin und eines Schauspielers, der am Ohnsorg-Theater engagiert war. An diesem Ort des Volksschauspiels lief Hannelore Hoger bereits im Alter von sechs Jahren das erste Mal über die Bühne, mit 14 spielte sie dort ihre erste Rolle. Ein Jahr später wollte sie Schauspielerin werden. Für sie gab es ja bis dahin nichts anderes, und sie wusste auch gar nicht, was es sonst noch geben könnte, sagt sie. Nach dem Studium tauchte sie ein in die Theaterwelt der sechziger Jahre, die nicht nur die Helden auf der Bühne produzierte, sondern auch Heldengeschichten hinter dem Vorhang. Bis heute zählen die Regisseure, mit denen Hannelore Hoger arbeitete, zu den Majestäten des Theaters. Ihre grau-blauen Augen fangen an zu funkeln wie die Mecklenburger Seenplatte unter der Sonne, wenn sie anfängt, über die alten Zeiten zu sprechen. Für jemanden wie sie hat die Vergangenheit mittlerweile mehr Raum eingenommen als die Zukunft. In den 70ern spielte sie die Emma Mörschel in „Kleiner Mann, was nun?“, Rosa Fröhlich in „Professor Unrat“ und den Narren in „King Lear“. Diesen Rollen näherte sie sich nie allein, denn ein Theaterstück sei damals noch ein Gemeinschaftsgebilde gewesen. Man kann sie sich gut vorstellen, wie sie unter rauchenden Männern in der Theaterkantine sitzt, schwarzer Kajal, gerader Pony, roter Mund. Hannelore und die Nouvelle Vague. „Was ich von früher vermisse sind Zeit, Freude und Zusammensein. Heute ist der Druck viel größer. Die Zeit wird immer weniger, und dadurch auch die Kreativität. Aber gerade diese braucht die Zeit.“

Sie lacht, als hätte sie heimlich alle ausgetrickst

Seit 1985 arbeitet sie ohne festes Engagement, seit 20 Jahren spielt sie im ZDF die Polizistin Bella Block, eine starke, fordernde Frau, eine beharrliche Arbeiterin, die sehr mürrisch werden kann, aber auch sehr sanft. Bislang sind 33 Folgen der Reihe gesendet worden. Hannelore Hoger wurde für ihre Darstellung dieser Figur mit dem „Grimme Preis“, dem „Goldenen Löwen“, der „Goldenen Kamera“ und dem „Bayerischen Fernsehpreis“ geehrt. „Bella Block“ ist zu einem Ausrufezeichen für das deutsche Fernsehen geworden. Und für die Zuschauer. Hannelore Hoger wird mit dieser Rolle gleichgesetzt, wie einst Margaret Rutherford mit Miss Marple. Läuft sie mit ihrem roten Schopf über den roten Teppich, läuft für das Publikum dort Bella Block mit rotem Schopf. „Ich werde oft gefragt: Haben Sie das auch schon mal so erlebt? Da antworte ich: Meistens nicht!“, erklärt Hannelore Hoger und muss laut lachen. So, als ob sie heimlich alle ausgetrickst hätte. Dann ergänzt sie: „Natürlich ist mein Leben nicht die Rolle, aber die Art des Hineindenkens bin ich.“ Für Hannelore Hoger liegt der Sinn der Schauspielerei darin, dass man das, was man in sich trägt, zum Ausdruck bringt. Das gelinge ihr mal mehr und mal weniger, je nachdem wie die Rolle veranlagt sei, sagt sie. Aber die Art wie sie sie spiele, habe immer mit ihrer Person, ihrer Fantasie, ihrem Inneren zu tun.

Noch zwei Folgen, dann ist Schluss

Neulich war sie auf Lesereise unterwegs. Mit ihrer tiefen, rauchigen und ruhigen Stimme liest sie Loriot, Flaubert, Tucholsky. Auf einer der Veranstaltungen hat sie jemand gefragt, wie lange sie eigentlich an so einer Lesung arbeite. Hannelore Hoger antwortete: 40 Jahre. Und so kann man es auch erfassen – alles, was sie in dieser Zeit erlernt hat, ist das Fundament, auf dem sie steht.

Sie greift zu ihrer Tasche und holt sich eine Zigarette heraus. Sie raucht nicht viel, nur ab und an. Der Druck, die Anspannung, das Gehetze. Sie sieht ein wenig erschöpft aus. Noch zwei Folgen im Höchstfall, dann sei Schluss mit Bella Block. „Es ist an der Zeit, es zu beenden“, sagt sie. „Ich bin mit der Rolle gealtert. Ich will nicht noch im Altersheim spielen, sondern vorher gerne noch mal woanders hin, in die Welt hinaus spazieren.“ Hannelore Hoger findet, sie hat genug getan.

„Uferlos!“, ZDF, Montag, 20 Uhr 15

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