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Am Brandenburger Tor, sonntags um 13 Uhr bittet Peter Hahne seine Gäste zum ZDF-Talk, am vergangenen Sonntag war das Stephanie zu Guttenberg. Nach 13 Sendungen erreichte „Peter Hahne“ im Schnitt 1,42 Millionen Zuschauer. Für den kommenden Sonntag ist Günter Schabowski angekündigt, der in einer Pressekonferenz am 9. November 1989 die Reisefreiheit für DDR-Bürger verkündete. Foto: ZDF

© Jürgen Detmers

Zwischenbilanz: „Ich bin noch nicht im Nirwana“

100 Tage „Peter Hahne“: Ein Gespräch über mutige Gäste, konservative Talkmaster und Maybrit Illner.

Herr Hahne, seit knapp 100 Tagen sind Sie am Sonntag mit „Peter Hahne“ im ZDF auf Sendung. Was haben Sie erreicht, was aber auch nicht?

Erreicht habe ich schon mal, dass sich das neue Format zu ungewohnter Sonntagszeit schneller etabliert hat, als ich dachte. Die Zuschauer scheinen sich also für den so oft totgeschriebenen „Talk“ zu interessieren, wenn er in anderer Form daherkommt. Noch nicht erreicht haben wir, dass das Publikum eine innere Uhr hat wie bei „heute“ oder „Tagesschau“ und um Punkt 13 Uhr auf den ZDF-Knopf drückt nach dem Motto: Das ist eine heilige Zeit trotz eiliger Tagesplanung.

Es war an dieser Stelle schon einmal befürchtet worden, dass der Talker Hahne am Sonntag um 13 Uhr im Aufmerksamkeits-Nirwana landet.

Nein, den Zenit der Glückseligkeit, das heißt ja Nirwana, habe ich noch nicht erreicht, aber der Bedeutungslosigkeit bin ich auch nicht zum Opfer gefallen. Dafür sprechen nicht zuletzt die Gäste, denen das Format wohl wichtig ist, denn sie kommen meist live ins Studio vors Brandenburger Tor. Wenn ein Marktanteil von 10,8 Prozent ein Aufmerksamkeits-Nirwana ist, dann bin ich da gerne!

Was musste der politische Journalist Hahne zu seiner Überraschung lernen, nachdem er den Talk begonnen hatte?

Am meisten hat mich überrascht, dass man nach 38 Jahren politischem Journalismus überhaupt noch überrascht werden kann. Nämlich von Gästen, die mit Inhalt und Substanz überzeugen und nicht mit Ämtern und Funktionen. Da war der junge Student aus Passau, der die Republik mit seiner Rauchverbots-Volksabstimmung bewegte, oder das kämpferische Streitgespräch zwischen der LinkenPolitikerin Sahra Wagenknecht und dem Wirtschaftsforscher Michael Hüther über Hartz IV. Lernen musste ich, dass bei schwierigen Themen wie der Sarrazin-Debatte Politiker lieber 20-Sekunden-Statements absondern oder sich in einen Acht-Personen-Talk setzen statt sich zu trauen, eine halbe Stunde direkte Konfrontation auszuhalten.

Bei „Peter Hahne“ sind Konstellationen ausprobiert worden: das Einzelgespräch mit der gefallenen Bischöfin Margot Käßmann, das Streitgespräch zwischen dem CSU-Politiker Markus Söder und dem Grünen-Chef Cem Özdemir. Bei den Themen ging es von Homöopathie bis zum Nichtrauchergesetz. Was von diesem Allerlei schätzt das Publikum, was lehnt es ab?

Politik um des Streits willen und Prominenz des Effektes wegen lehnen die Zuschauer ab. Glaubwürdigkeit und Kompetenz zählen. Das bewies unsere vergangene Sendung, wo mit Stephanie zu Guttenberg nicht das Anhängsel eines Politstars saß, sondern eine engagierte Familienfrau und Mutter, die gegen Kindesmissbrauch und Internetpornografie zu Felde zieht. Und der kantige Praktiker Heinz Buschkowsky aus Neukölln hat jeden weichgespülten Bundespolitiker aus der virtuellen Parallelgesellschaft der Gutsituierten in den Schatten gestellt. Alltagsthemen wie Homöopathie kommen dann gut an, wenn ein bekanntes Gesicht auf eine Person der Praxis trifft und der Zuschauer sozusagen mit am Tisch sitzt.

Ist es Ihnen wichtig, dass Sie beim Zuschauer als Konservativer ankommen?

Bei mir stehen meine Gäste im Mittelpunkt, und eine Idealbesetzung wie Söder/Özdemir oder Wagenknecht/Hüther machen einen Moderator arbeitslos, weil ein Streit mit Niveau wie von selbst läuft und Politikern wie Zuschauern Spaß macht. Und konservativ heißt ja bewahrend. Sollten mich die Zuschauer als Konservativen empfinden, der Gesprächskultur und lebenswichtige Werte hochhält, wäre das ein großes Lob.

Jede Talkshow will über die Sendung hinaus wahrgenommen, in den Nachrichtenstrom aufgenommen werden. Da kann „Peter Hahne“ deutlich zulegen, oder?

Wenn jemand etwas zu sagen hat, muss das nicht unbedingt agenturträchtig sein. Mir geht’s um das Gespräch, nicht um die Schlagzeile. Und an Stefan Mappus oder Claudia Roth kam abends kein TV-Sender vorbei, weil sie bei mir exklusiv aufgetreten sind. Dass Özdemir und Söder gefühlt hundert Mal meinten, wie einig sie doch sind, lässt etwas von kommenden Konstellationen ahnen, weniger vom aktuellen Nachrichtenstrom. Aber zulegen können wir, das ist klar.

Von 100 Tagen zur 100. Sendung, was muss anders, was besser werden?

Wenn die Zuschauer mir weiterhin ihr Vertrauen und die Gäste ehrliche Worte schenken, dann ist ziemlich viel erreicht. Interessante, vielleicht unerwartete und so noch nicht gesendete Konstellationen für ein Zweiergespräch zu finden, das bleibt die Herausforderung. Besser werden kann man immer noch, da geht es mir wie gutem Wein: Je länger man dem gibt, desto gehaltvoller wird er!

Ihre ZDF-Kollegin Maybrit Illner arbeitet auch als Moderatorin für das „heute-journal“. Frau Illner droht wegen ihres Mannes, des Telekom-Chefs René Obermann, immer wieder eine unfreiwillige Pause. Sie haben „heute“ moderiert, Sie werden in Mainz dringend gebraucht, Herr Hahne!

Ich hatte das Vergnügen, auf dem Mainzer Lerchenberg viele Jahre auch im „heute-journal“ zu moderieren. Jetzt talke ich am Brandenburger Tor in Berlin und freue mich an der aktuellen Weisheit der uralten Bibel: Alles hat seine Zeit … Die tollen Reaktionen nach meinen ersten 100 Tagen Talk zeigen mir, dass auch die Weisheit von ZDF-Personalentscheidungen durchaus etwas Prophetisches hat, nämlich die richtigen Leute zur richtigen Zeit an den richtigen Platz zu setzen.

Das Interview führte Joachim Huber.

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