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Interview: „Ich interessiere mich nicht für Geld“

Der britische Softwareentwickler Amir Taaki über die politische Seite der Netzwährung Bitcoin und darüber, warum sie Bäumen das Leben rettet.

Von Anna Sauerbrey

Herr Taaki, es gibt doch schon so viele Währungen. Wozu brauchen wir auch noch eine virtuelle?

Überlegen Sie mal, was echtes Geld an Ressourcen frisst! Man muss Bäume fällen für die Scheine, man muss es in Banken lagern und in Autos transportieren, man braucht Leute, die ständig am Schalter sitzen und es verteilen. Was für eine Riesenverschwendung!

Bitcoins kann jeder auf seinem Rechner selbst generieren. Ist das so eine Art digitale Alchimie?

Nein, mit Wertschaffung haben Bitcoins eigentlich nichts zu tun. Bitcoins sind die erste, dezentrale Onlinewährung. Keiner kontrolliert sie, deshalb muss man auch keinem vertrauen, keiner Bank, keiner Regierung. Wer Bitcoin verwendet, muss nur der Software vertrauen. Und die ist Open Source, jeder kann den Code anschauen.

Sind Bitcoins also politisch, eine anti-autoritäre Währung?

Ja, Bitcoins sind definitiv politisch. Heute rufen viele Leute danach, die Banken stärker zu kontrollieren. Wenn wir Bitcoins starkmachen, brauchen wir die Banken gar nicht mehr, keine Mittelsmänner zur Verwaltung des Geldes, die sich immer eine Scheibe abschneiden, dafür, dass sie nichts machen.

Also sind Bitcoins anti-kapitalistisch?

Nein, das habe ich nicht gesagt. Sie richten sich aber gegen den Korporatismus, die Herrschaft großer Unternehmen. Die korrumpieren den freien Markt.

So gerecht sind Bitcoins aber auch nicht. Sie werden hergestellt, indem Leute ihre Computer eine komplexe Rechenaufgabe lösen lassen. Dafür braucht man allerdings sehr gute Computer. Finden Sie das gerecht, dass die mit den besten Maschinen reich werden?

Das System der Herstellung von Bitcoins wird oft missverstanden. Die Computer der Nutzer werden vor allem eingebunden, um Rechenkraft zu gewinnen, mit der man Überweisungen verifiziert. Für diesen Sicherheitsservice gibt es eine kleine Belohnung.

Wie kommt man noch an Bitcoins?

Der bessere Weg ist es, eine Dienstleistung anzubieten. So habe ich es gemacht. Inzwischen kann man damit richtig Geld machen, so wie unserer Bitcoin-Beratung. Die Bitcoin-Pioniere haben vielleicht einen kleinen Vorteil. Aber auf die Dauer wird sich die Währung ohnehin dem Wettbewerb stellen müssen. Niemand zwingt einen, Bitcoins zu nutzen. Es wird weitere Internetwährungen geben. Das ist ja die Idee.

Wie bestimmt man den Wert eines Bitcoin?

Der Wert wird teilweise an Börsen bestimmt, in denen einige Leute Euros, andere Bitcoins anbieten. Sie verhandeln den Preis untereinander.

Also ist Bitcoin doch auch abhängig von den Währungen, gegen die es getauscht wird.

Ja, prinzipiell schon. Allerdings: Wenn man sich anschaut, was Bitcoins in Dollar wert sind und was sie in Pfund wert sind, entspricht das nicht dem Wertverhältnis von Dollar und Euro. Ein Bitcoin kostet gerade ungefähr 15 Dollar oder 11 Pfund. 15 Dollar sind aber nicht 11 Pfund, sondern ungefähr sechs, sieben Pfund.

Wie viele Bitcoins besitzen Sie zurzeit?

Jetzt gerade? Gar keine.

Warum das, trauen Sie etwa der Währung selbst nicht?

Doch, aber ich bin einfach kein Sparer, ich gebe alles gleich wieder aus. Jedes Mal, spätestens wenn sich meine Bitcoins verdoppelt hat, gebe ich die Hälfte jemandem, der etwas im Netz macht, das ich cool finde.

Wem haben Sie denn Ihre Bitcoins gegeben?

Zum Beispiel „Symphony of Science“, einem Musiker, dessen Musik mich total inspiriert. Er nimmt wissenschaftliche Dokumentationen, die manchmal wirklich künstlerisch und poetisch sind und er mischt sie mit klassischer Musik. Das klingt wirklich schön. Ich habe seine Webseite besucht und gesehen, dass man nur über PayPal spenden konnte. Ich hätte meinen Namen, meine Email, all diese Sachen eingeben müssen. Also habe ich ihn angeschrieben und gefragt, ob er auch Bitcoins annehmen würde – und das hat er gemacht. Ihre Zeitung könnte doch auch Bitcoins annehmen.

Und was machen wir dann damit?

Wenn Sie Bitcoins annehmen, können Sie leichter Mikrospenden sammeln. Im Moment ist es einfach zu kompliziert, für Sachen im Netz zu zahlen. Deshalb ist das Netz noch eine Meritokratie, die Leute produzieren Inhalt nur gegen Anerkennung. Das generiert schon eine Menge echt guter Sachen. Aber stellen Sie sich vor, man würde da Geld reinstecken. Die Internetkultur würde explodieren!

Wie sind Sie Bitcoin-Entwickler geworden?

Ich war ein freier Softwareentwickler. Vor drei Jahren habe ich angefangen, Online-Poker zu spielen.

Damit haben Sie Ihren Lebensunterhalt verdient?

Ja. Aber dominieren einige wenige Unternehmen den ganzen Markt. Die zocken die Leute mit Gebühren ab für eine Dienstleistung, die sie eigentlich nichts kostet. Also habe ich angefangen, eine kostenlose Poker-Seite zu programmieren. Der Markt wäre innerhalb kürzester Zeit implodiert, alle würden zu dem kostenlosen Angebot abwandern. Im Zuge der Arbeit an dieser Seite habe ich mich auch über verschiedene Bezahlsysteme informiert und bin so auf Bitcoin gestoßen.

Und daran hängen geblieben?

Ja, das Poker-Projekt liegt zurzeit auf Eis. Ich war so begeistert von Bitcoins. Ich dachte, wow, dass ist echt gut, das wir die Welt besser machen! Also bin ich umgestiegen und habe unter anderem die Bitcoin-Consultancy gegründet. Wir beraten Unternehmen, die das als Bezahlsystem wollen.

Was sind das für Unternehmen?

Alle möglichen Onlinehändler. Inzwischen wird das von vielen seriösen Seiten verwendet. Seit die großen Medienunternehmen in Großbritannien darüber berichten, wächst das Interesse sehr stark an. Das Geld, was ich verdiene, nutze ich, um Leute zu bezahlen, die Bitcoins weiterentwickeln.

Verdienen Sie denn gar nicht daran?

Ich interessiere mich nicht so sehr für Geld. Ich habe keine Verwendung dafür.

Bitcoin wird aber nicht nur von braven Onlinehändler verwendet. Sondern auch von Seiten, auf denen man zum Beispiel Drogen kaufen kann. Auch die schätzen Anonymität im Zahlungsverkehr.

Sie spielen auf Silkroad an. Klar, das gibt es. Aber die Schwarzmarkt-Seiten sind inzwischen in der Unterzahl unter den Seiten, die Bitcoin verwenden. Man kann nicht Bitcoin dafür bestrafen, dass das System missbraucht wird. Auch, wenn man Bitcoins wieder abschaffen würde, würde das ganze Böse da draußen ja weitergehen. Die ganzen guten Seiten würden aber verschwinden.

Was glauben Sie, wie es mit den Bitcoins weitergeht?

Wir hoffen, dass wir für unsere Online-Wechselbörse in England die Anerkennung kriegen. Großbritannien hat mit die schärfste Finanzregulierung, es wäre ein gutes Signal. Wir wollen, dass unsere Wechselbörse vorbildlich ist und mit allen Gesetzen im Einklang – nur für den Fall, dass die Regierung irgendwann anfängt, sich für das Thema zu interessieren und Bitcoin möglicherweise regulieren möchte. Es wäre total schade, wenn etwas so Schönes wie Bitcoin für illegal erklärt würde – nur, weil irgendwelche älteren Politiker das System einfach nicht verstehen.

Wie muss Bitcoins noch verbesser werden, damit es mehr Leute nutzen?

Bitcoins sind wie das Internet. Am Anfang war es ein Werkzeug für technisch versierte Leute. Aber über die Zeit haben viele Leute es so weiterentwickelt, dass alle es nutzen können. So muss es auch bei mit den Bitcoins sein.

Und ganz konkret?

Das eine ist die Software der Börsen. Wir hoffen, dass viele Leute daran mitarbeiten, sie schnell zu verbessern. Wenn die Börsen besser sind, müssen wir Anwendungen entwickeln, mit denen die Händler gut umgehen können, damit das Geld auch wirklich verwendet wird.

Was hat die britische Hausfrau davon, wenn es eine Währung im Internet gibt?

Bitcoins machen zum Beispiel Auslandsüberweisungen viel günstiger und schneller. Es dauert nicht mehr fünf Tage, bis das Geld irgendwo ankommt. Sondern eine Stunde. Und das alles ganz ohne Gebühren. Und es könnte das bezahlen online sicherer machen. Sony sind jetzt tausende von Kreditkartennummern abhanden gekommen. Mit Bitcoin wäre das nicht passiert.

Bitcoin hat doch selbst Sicherheitsprobleme. Im Juni hat ein Nutzer berichtet, ihm seien 500.000 Dollar in Bitcoins von seinem Rechner gestohlen worden.

Na, ja, dieser Typ hat seine Bitcoins auf einem Windows-Laptop gelagert. Davon kann ich jedem nur abraten, Windows ist total unsicher. Er hatte keinen Virenschutz und keine Firewall. Was soll man da erwarten! In Zukunft brauchen wir verschlüsselte Portemonnaies für Bitcoins. Im Moment muss jeder noch selbst für die Sicherheit seines Geldes sorgen.

Hackerkollektive wie Anonymous nutzen Botnetze, ganze Herden gekaperter Computer, um für sich große Mengen von Bitcoins zu generieren. Kann man da etwas gegen machen.

Ähm. Nein. Aber das macht auch nichts. Ich habe ja erklärt, dass das Netzwerk sicherer ist, je mehr Rechner sich an seiner Rechenleistung beteiligen.

Amir Taaki ist ein britischer Softwareentwickler. Er engagiert sich für die Verbreitung von Bitcoin. Er berät Unternehmen und hat die Online-Wechselstube „Britcoin“ entwickelt. Dort kann man Bitcoin gegen Pfund tauschen. Das Gespräch führte Anna Sauerbrey.

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