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Moderatorin auf Reisen: Marietta Slomka.

© ZDF

Interview: Marietta Slomka über Südamerika-Klischees, spannende Wechsel und Interviews mit Sigmar Gabriel

Es gibt nicht nur Brasilien und die Fußball-WM: Die Moderatorin des "heute-journal" hat acht Wochen lang den Kontinent zwischen Anden und Amazonien bereist.

Frau Slomka, Ihre zweiteilige Reportage will sich abseits der „gängigen Klischees von Panflöte und Poncho“ bewegen. Wo haben Sie sich denn bewegt?

In sechs verschiedenen Ländern Südamerikas, in Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien, Chile und Argentinien. Wir sind bewusst nicht nach Brasilien gegangen, denn durch die Fußball-Weltmeisterschaft steht das Land sowieso im Fokus der Berichterstattung. Wir fahren von Norden nach Süden, zeigen unterschiedliche Landschaften von der Karibik über die Anden bis in den Regenwald. Vor allem begegnen wir Menschen, die für die großen Themen dieses Kontinents stehen, für Probleme wie Hoffnungen.

Welche Rolle haben Sie in dem Stück? Sind Sie Presenterin?

Nein. Meine Aufgabe ist die ganz klassische Reporteraufgabe. Ich laufe nicht von links nach rechts durchs Bild, und die anderen machen den Film. Dazu hätte ich keine Lust, das würde mich nicht befriedigen. Ich bin unterwegs mit dem Kamerateam, arbeite beim Schnitt mit, schreibe den Text, der auch von mir vertont wird. Das ist klassisches Reporterhandwerk. Das habe ich schließlich gelernt, lange bevor ich vor die Kamera getreten bin. Ich stehe auch nicht für inszenierte Drehbuchstorys, bei denen Szenen oder Interviews fünf bis sechs Mal wiederholt werden, bis sie bestausgeleuchtet im Kasten sind. Sondern: Kamera auf die Schulter und los geht’s.

Sie haben sechs Länder Südamerikas bereist. In welcher Zeit haben Sie das geschafft?

Zweimal vier Wochen. Das sind die Slots, die man sonst für Urlaub und Ähnliches benutzt. Schnitt, Sichten und Texten habe ich dann an den moderationsfreien Tagen gemacht.

Können sich deutsche Journalisten heutzutage frei in Lateinamerika bewegen?

Von den politischen Rahmenbedingungen her konnten wir uns überall bewegen, wie wir wollten. Es gab keine Drehverbote. Ansonsten muss man mit all den Sicherheitsaspekten zurechtkommen wie jeder Südamerikaner auch. Also dreht man in bestimmten Gegenden nicht bei Dunkelheit, nicht in Straßen, die als unsicher gelten wie in Medellin. Dort hat sich aber schon vieles sehr verbessert, und es gibt spannende Städtebauprojekte.

Zum Beispiel ...

... eine Seilbahn, die hoch in ein Armenviertel fährt. Der Boden der Gondeln ist aus Stahlplatten, damit keine Kugeln durchschlagen können. Oben treffen sie deutsche Touristen, die ganz erstaunt fragen: „Sie sind doch Frau Slomka, was machen Sie denn hier?“ Medellin ist inzwischen auch ein interessantes Touristenziel. Klar: Es muss immer Rücksicht auf jeweilige Gegebenheiten und Situationen genommen werden. Heißt aber auch: Wenn das befolgt wird, kann man sich als Reisender gut bewegen.

Ihrer Meinung nach: Welches Südamerika-Bild herrscht in Deutschland vor?

Ich befürchte, in Deutschland tauchen schon die Poncho-, Panflöte- und Tangobilder vor dem inneren Auge auf. Auch Drogenkartelle und Guerillos und große Rinderherden in der Pampa. Diesen Bildern wollen wir entgehen und vor allem zeigen, wie Alltagsleben aussieht, wie gelebt und gewohnt wird. Wie sieht es bei einer Mittelschichtsfamilie in Santiago de Chile aus, was bewegt argentinische Aussteiger? Aber wie immer im wahren Leben: Ein Stückchen Wahrheit steckt in jedem Klischee. Die Ponchos gibt’s, die Drogen auch. Und natürlich gibt es auch in Südamerika Stereotype von einem Land über das andere.

Welche wären das?

Ein Spruch heißt: Wenn du daten willst, dann geh nach Argentinien, wenn du heiraten willst, dann geh nach Chile.

Im „heute-journal“ laufen Argentinien oder Ecuador unter ferner liefen. Warum?

Wir haben durchaus auch große Aufmacher-Themen aus Südamerika, zum Beispiel über die Studentenunruhen in Chile. Aber Ihre Beobachtung stimmt insofern, als andere aktuelle Themen wie Europawahl, Terrorismus, Naher Osten, NSA-Affäre im Vordergrund stehen und den Blick von Weltgegenden wie Südamerika schnell ablenken. Die Tage, an denen die genannten Themen nicht nach vorne drängen, die sind weniger geworden.

Ihr Sigmar-Gabriel-Interview hat Sie noch berühmter gemacht ...

… endlich hat mich Gabriel groß rausgebracht.

Irgendwelche Nach- oder Nebenwirkungen?

Das Interview ist doch schon wieder Schnee von gestern. Als ich mit Gabriel sprach, war ich gerade von meiner ersten Drehreise nach Südamerika zurückgekehrt. Im Vergleich zu den Verhältnissen dort wirkt dann so ein Interview relativ klein. Wenn man sich über ein Interview medial so erregen kann, dann hat unsere Republik vielleicht nicht ganz so große Probleme. Nehmen Sie nur mal als Beispiel, dass man in den Großstädten Südamerikas nicht wie in Berlin nach einem Restaurantbesuch abends einfach aufs Fahrrad steigen und gefahrlos allein nach Hause radeln kann. Wie selbstverständlich wir vieles nehmen, was in den meisten Weltregionen nicht selbstverständlich ist.

Nun haben Sie Südamerika bereist, da werden Sie schon auf die Weltkugel geschaut haben und gesagt haben: Jetzt will ich nach …?

Nein, ich habe noch keine neuen Reisepläne. Jetzt freue ich mich erst mal auf die Ausstrahlung und bin nach eineinhalb Jahren Arbeit an diesem Projekt auch ein bißchen stolz, dass die Filme fertig sind. Aber es gibt natürlich noch viele Ziele, die mich reizen würden. Die Mongolei oder Nordkorea zum Beispiel.

Wären Sie gerne Korrespondentin in Pjöngjang? Für Journalisten ist dieses geheimnisvolle Land doch ein Abenteuer wert.

Ob man dort leben möchte? Das wäre ein sehr harter Job.

Wann wird die „heute journal“-Moderatorin Marietta Slomka Korrespondentin?

Klar könnte ich mir einen solchen Wechsel irgendwann vorstellen, das wäre gar nicht so ungewöhnlich.

Wo sollte es denn hingehen?

Wo es spannend ist.

"Zwischen Anden und Amazonien", Dienstag, ZDF, 20 Uhr 15 (zweiter Teil am 26.6.)

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