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Entspannt in Italien ermitteln.  Die Medizinstudentin Malpomena del Vecchio (Katharina Wackernagel) und der Polizist Roberto Rossi (Leonardo Nigro) im „Urbino-Krimi“.

© dpa

Italien-Krimis in der ARD: Morde mit Aussicht

Kriminalistisches Fernwehfernsehen: Eine neue ARD-Reihe bedient einen Trend. Und kann sich manchmal nicht entscheiden - zwischen italienischen Sehenswürdigkeiten und Spannung.

Ein Krimi ist ein Krimi ist ein Krimi: Am Anfang ist der Mord, am Ende die Lösung. Um dieses Schema wenigstens ein bisschen zu variieren, hat die ARD-Tochter Degeto vor einigen Jahren beschlossen, Kommissare im Ausland ermitteln zu lassen. Den Anfang machten die Verfilmungen der Brunetti-Krimis von Donna Leon (Venedig), später folgten „Mordkommission Istanbul“, „Toni Costa – Kommissar auf Ibiza“, „Commissario Laurenti“ (Triest), „Kommissar LaBréa“ (Paris) und „Kommissar Dupin“ (Bretagne). In diesem Jahr jedoch geht es Schlag auf Schlag. Erst Bozen, dann Athen, kürzlich Tel Aviv, an diesem Donnerstag Urbino: Die Degeto hat es offenkundig auf die Verschmelzung der Programmgenres Fernwehfernsehen und Krimi abgesehen. Da fällt der demnächst startende „Zürich-Krimi“ völlig aus dem Raster.

Wie einige der anderen Krimireihen basieren auch die „Urbino-Krimis“ auf literarischen Vorlagen. Die Romane von Uli T. Swidler über den „Poliziotto“ von Urbino bringen alles mit, was die Degeto in ihren Donnerstagsfilmen (und manchmal auch am Freitag) bieten möchte: mysteriöse Mordfälle, eine schöne Frau zwischen zwei Männern und vor allem einen pittoresken Handlungsort. Der Auftaktfilm „Die Tote im Palazzo“ wirkt jedoch, als sei Regisseur Uwe Janson und seinem zuletzt bevorzugten Kameramann Marcus Stotz viel daran gelegen, bei aller inhaltlichen Passgenauigkeit wenigstens optisch aus dem Rahmen der anderen Reihen zu fallen.

Das Duo hat unter anderem mit „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ das wohl kunstvollste der bisherigen ARD-Märchen geschaffen. Auch ihr erster „Urbino-Krimi“ beeindruckt durch eine Bildgestaltung, der anzusehen ist, wie viel Sorgfalt unter anderem auf die Lichtsetzung verwendet wurde. Viele Einstellungen sind leicht verfremdet, immer wieder kurz eingestreute Rückblendenbilder lassen den Film temporeicher wirken, als er ist. Dass andererseits die Sonnenuntergänge über der malerischen mittelitalienischen Stadt besonders kitschig aussehen, wirkt fast wie ein ironisches Augenzwinkern.

Vom selbstbewussten Charme des Deutschen

Nicht minder sehenswert ist Leonardo Nigro als Roberto Rossi, dem Titelhelden der Romane. Der hierzulande zwar regelmäßig im Fernsehen präsente, aber trotzdem kaum bekannte Schweizer Schauspieler ist ein interessanter Typ und als gebürtiger Italiener ohnehin eine glaubwürdigere Besetzung als manche seiner Mitstreiter.

Katharina Wackernagel beispielsweise spielt, als habe sie sich zur Vorbereitung auf ihre Rolle als italienische Landadelige mit zwar gezügeltem, aber dennoch spürbarem Temperament alte Filme mit Gina Lollobrigida oder Claudia Cardinale angesehen. Ihre gestenreiche Verkörperung der ewigen Medizinstudentin Malpomena del Vecchio ist gerade angesichts ihres sonst eher nüchternen Spiels zumindest ungewohnt.

Dritter im Bunde ist Hannes Jaenicke: Der deutsche Kriminalhauptkommissar Gruber musste nach einer schweren Schussverletzung seinen Dienst quittieren und will jetzt in Italien das Dolce Vita genießen, mischt sich aber gern ein, wenn es gilt, einen Mordfall zu klären. Dass Rossis Sandkastenfreundin Malpomena von dem selbstbewussten Charme des Deutschen unübersehbar angetan ist, gefällt dem einheimischen Polizisten allerdings gar nicht, zumal er Gruber ohnehin nicht mag.

Das Personal birgt also genug Potenzial für emotionale Konflikte wie auch eine kernige Männerfreundschaft. Aber auch die Geschichte hat ihren Reiz, zumal Janson sie mit moderaten Thrillerelementen versieht. Im Gewölbe unter dem städtischen Palazzo mit seiner weltberühmten Renaissance-Sammlung entdeckt Rossi eine rituell aufgebahrte Leiche. Die junge Frau ist erst vergewaltigt und dann offenbar vergiftet worden.

Einen gewissen Mystery-Touch

Weil sämtliche Kommissare an einem Virus erkrankt sind, muss Verkehrspolizist Rossi, unterstützt von der angehenden Rechtsmedizinerin Malpomena, die Ermittlungen übernehmen. Da das Drehbuch mit teilweise parodistischer Freude alle möglichen Italien-Klischees berücksichtigt, spielt gerade angesichts des vermeintlichen Ritualmords natürlich auch der Aberglaube eine große Rolle. Janson nutzt die entsprechenden Szenen, um seinem Film einen gewissen Mystery-Touch zu geben.

Das Autorentrio Swidler, Janson und Andreas Knaup sorgt ohnehin dafür, dass sich die filmischen Zutaten die Waage halten. Die Geschichte hätte auch das Zeug zum Thriller. Dank des Personals ist „Die Tote im Palazzo“ aber auch Komödie. Der leicht xenophobe Rossi zum Beispiel überzieht Gruber zunächst mit Strafzetteln, bevor er schockiert feststellen muss, dass der Deutsche kein Tourist, sondern ein Kollege und zu allem Überfluss sein neuer Nachbar ist.

Tatsächlich eine Witzfigur ist Rossis Chef, den Tonio Arango in der für ihn typischen leicht überzogenen Art verkörpert. Die Stärken des leicht geckenhaften Nevio Cottelli, der seine Besucher auf einem Stuhl von Kindergartengröße platziert und eine leidenschaftliche Liaison mit seiner Assistentin (Patrizia Carlucci) hat, liegen eindeutig nicht in der Kriminalistik.

Zur heiteren Seite gehört natürlich auch die ungeklärte Beziehung zwischen Roberto und Malpomena. Auch sonst sorgen Intermezzi immer wieder für muntere Momente. Gelegentliche Zwischenschnitte auf die örtlichen Sehenswürdigkeiten wirken zwar etwas unmotiviert und sehen so aus, als sei Janson eingefallen, dass er auch noch das für die Donnerstagskrimis obligate Augenfutter einstreuen muss, aber dafür sind einige Kamerafahrten über die Dächer der Stadt umso schwungvoller.

Ob in Venedig, Triest, Athen, Istanbul, Tel Aviv oder in diesem Falle Urbino – das Ganze ist dann, wie so viele dieser Fernwehfernsehkrimis, eher auch was für Italien-, für Tourismus- als für Krimifans. Die reizvolle Bildgestaltung verleiht Urbino immerhin eine ganz spezielle Atmosphäre. Unterm Strich ein gelungener Start, der Lust auf mehr macht, zumal die Geschichte voller Überraschungen steckt. Die regelmäßig eingestreuten Italianismen („Buongiorno“) sind allerdings ähnlich überflüssig wie in den Donna-Leon-Verfilmungen aus Venedig.

„Der Urbino-Krimi: Die Tote im Palazzo“, Donnerstag, ARD, 20 Uhr 15

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