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Sind die Arbeitsbedingungen bei der Kölner Polizei noch zumutbar, wollte RTL herausfinden.

© dpa

Kölner Polizistin im RTL-Einsatz: Undercover zur Suspendierung

Eine Kölner Polizistin filmt für ein neues RTL-Format heimlich Kollegen. Die Frage ist: was darf investigativer Journalismus? RTL gesteht jedenfalls Fehler ein.

Über mehrere Wochen hat eine 26-jährige Kölner Polizistin ihre Kollegen mit versteckten Kameras gefilmt – für ein neues investigatives Format des Privatsenders RTL, das nun wohl nicht zur Ausstrahlung kommt. Die Polizistin wurde inzwischen vom Dienst suspendiert, der Kölner Polizeipräsident strebt - wie berichtet - ihre Entlassung an. Die Staatsanwaltschaft in Köln ermittelt gegen sie wegen Verletzung von Privatgeheimnissen. Der Journalistin, die bei RTL fest angestellt ist, und einem Kameramann wird Beihilfe und Anstiftung vorgeworfen. Gegen den TV-Sender wird entgegen anderslautender Berichte nicht ermittelt – einerseits, weil nicht gegen Unternehmen, sondern nur gegen Personen ermittelt werden könne, andererseits, weil für solche Ermittlungen kein Anfangsverdacht vorliege, wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch auf Nachfrage mitteilte. RTL kooperiert mit den Ermittlungsbehörden und hat einen Datenträger mit sämtlichem Material an sie weitergegeben.

Die Motive der Polizistin sind hingegen unbekannt. War es die Bezahlung oder handelte sie aus der Überzeugung heraus, dass sich durch die Aufnahmen die Situation für die Kölner Polizisten verbessern könnte? Sicher ist: Die von RTL benannten Gründe für Recherchen bei der Kölner Polizei, die nicht erst seit den Silvestervorgängen mehrfach Negativ-Schlagzeilen produzierte, könnten durchaus gerechtfertigt sein. Das meint unter anderem Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbandes. „Wenn bei der Kölner Polizei dauerhaft viel zu großer Stress herrscht und die Polizisten unter massiver Arbeitsüberlastung leiden, ist das Thema von hoher journalistischer Relevanz – das reicht möglicherweise auch für einen Undercover-Einsatz“, sagte Zörner dem Tagesspiegel.

Um Missstände aufzudecken, darf undercover gearbeitet werden

Solche Methoden können notwendig sein, wenn Journalisten versuchen, Missstände aufzudecken, um sie dadurch zu beseitigen. „Dabei muss es sich nicht einmal um Gesetzesverstöße handeln. Es reicht, wenn damit gravierende Missstände aufgedeckt werden“, sagte Günter Wallraff dieser Zeitung. Der Journalist gilt als Begründer von Undercover-Recherchen, eine Entscheidung des Bundesgerichtshof trägt den Namen „Lex Wallraff“. Doch dieses Recht hat Grenzen. Sie beginnen dort, wo Persönlichkeitsrechte verletzt werden oder der Privatbereich tangiert wird, „das habe ich bei meinen Arbeiten immer wieder betont“, sagt Wallraff. Um sich ein Urteil über den Vorfall in Köln bilden zu können, versucht der Enthüllungsjournalist nun, das Material zu sichten und Kontakt zu der Polizistin herzustellen. Die Recherchen bei der Kölner Polizei stehen in keinem Zusammenhang zur RTL-Reihe des „Team Wallraff“, wie der Sender bereits in der vergangenen Wochen betont hatte.

Investigativer Journalismus ist für Michael Wulf, den Geschäftsführer der RTL-News-Tochter InfoNetworks, nicht nur die verdeckte Recherche mit versteckter Kamera, „sondern auch die Tiefenrecherche, mit der wir an bestimmte Themen herangehen, um so einen besonderen Blickwinkel auf Geschichten zu bekommen. Für das ,RTL Nachtjournal‘ haben wir zum Beispiel gerade eine große Mafia-Geschichte mit unserem Partner Correctiv realisiert“, erläutert Wulf.

Investigative Recherchen beginnen für ihn meistens dort, wenn Journalisten auf offizielle Anfragen zumeist nur abwiegelnde Antworten erhalten, also ins Leere laufen. „Im besten Falle führt das zu den Team Wallraff-Enthüllungen etwa zu Burger King. Wichtig ist: die Hinweise müssen eindeutig sein und von verschiedenen Quellen stammen. Wir selbst müssen bei unseren Recherchen sehr verantwortungsvoll, penibel und unter ständiger juristischer Begleitung vorgehen.

Auch DJV-Sprecher Zörner verweist auf die rechtliche Seite: „In diesem Fall wurden diese Grenzen offenbar überschritten“, meint er. Für die Informationsgewinnung wäre das nicht einmal nötig gewesen. So gehört es zu den gängigen Arbeitsmitteln insbesondere von investigativen TV-Formaten, Insider vor der Kamera zu interviewen und dabei Bild und Ton so zu verfremden, dass keine Gefahr der Enttarnung besteht.

Das Thema Sicherheit bleibt im Fokus

Beim neuen RTL-Format ging es um das Thema Sicherheit im Allgemeinen, das nach den Silvestervorfällen in Köln und den jüngsten Terroranschlägen bei den Menschen sehr präsent ist. „Ein Hinweis, der uns immer wieder begegnete, war die offensichtliche Überlastung der Polizei angesichts der zahlreichen Herausforderungen“, so Wulf. So sei die Idee für die Recherche im Rahmen eines neuen Formats entstanden, das sich noch ganz am Anfang befand. „Wir haben dabei einen Fehler gemacht, das haben wir klar erkannt“, gibt Wulf zu. „Damit sich das nicht wiederholt, werden wir unsere bestehenden Kontrollmechanismen hinterfragen und anpassen. Unabhängig davon bleibt das Thema Sicherheit selbstverständlich im Fokus.“

Wenn von journalistischen Standards abgewichen wird, kann dies aber auch mit den Arbeitsbedingungen im Journalismus zu tun haben. Vor allem im TV-Journalismus herrsche ein gnadenloser Wettbewerb für die Produktionsfirmen, sagt Zörner. Um ihre Beiträge bei den TV-Sendern unterzubringen, können sie entweder über den Preis gehen. „Aber es besteht genauso die Gefahr, dass die Sachen angejazzt werden, um sie für die Sender attraktiver zu machen“, mahnt er. Darum liege es in der Verantwortung der Sender, der privaten genauso wie der öffentlich-rechtlichen, auf die journalistische Qualität zu achten und gegenüber den eigenen Mitarbeitern wie auch den Produktionsfirmen auf die Einhaltung der Medienethik zu drängen.

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