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Fest im Griff. Bukow (Charly Hübner) nimmt Juri (Joan Pascu) in die Mangel. Foto: NDR

© NDR/Christine Schroeder

Krimi: Das Schweigen der Fischer

Klug und kräftig: Im Rostocker „Polizeiruf 110“ schlagen sich beide Ermittler mit ihrer Familiengeschichte herum.

„Meine Name ist Bukow, ich kriege alles raus!“ Wenn Charly Hübner als Kommissar Bukow in einer Fischerkneipe einen alten Jugendfreund auseinandernimmt, zittern die Wände. Bukow hat selbst eine halbkriminelle Vergangenheit, spricht nicht nur Russisch und Polnisch, sondern auch Plattdeutsch und sein Vater (Klaus Manchen) ist der Unterweltboss von Rostock. Der „Polizeiruf 110“ ist mit „Fischerkrieg“ also einmal wieder mitten im „Miliöh“ angekommen. Das Drehbuch von Florian Oeller hält für Bukow und seine Kollegin Katrin König (Anneke Kim Sarnau) so manche psychotherapeutische Herausforderung parat. König schlägt sich mit einem Fluchttrauma aus ihrer Kindheit herum, das sich bereits in der letzten Folge andeutete, und Bukow darf sein Verhältnis zum Vater durcharbeiten, der unter Mordverdacht steht.

Das mag alles ein bisschen viel sein. Doch hat man sich als Zuschauer einmal damit abgefunden, dass es im Rostocker „Polizeiruf“ vor allem um die Ermittler geht und dass die Kriminalfälle hauptsächlich dazu dienen, ihre Schicksale auszuleuchten, dann kann es einem fast egal sein, wer denn nun den todkranken Fischer Thomsen umgebracht hat. Der „Fischerkrieg“, die EU-Fangquoten, Themen wie Menschenschmuggel oder DDR-Fluchthelfer sind nur der Resonanzraum, in dem sich die beiden Hauptfiguren bewegen. Und manchmal rumpelt es etwas, wenn von einem Raum in den anderen gewechselt wird.

Die Charaktere sind wieder klug und kräftig gezeichnet. Bukow, in dem manche einen neuen Schimanski sehen, hat etwas gegen Regeln, wenn sie der Wahrheit im Weg stehen. „Mit seiner eigenen Wahrheit geht er allerdings recht kompliziert um“, sagt Charly Hübner über seine Figur. „Er wirkt grob, ist aber fein im Verstehen von Leuten und wittert alles.“ Auch wenn er wieder mit Wampe vollen Körpereinsatz bringt, zeigen sich in dieser Folge bei ihm doch vor allem psychische Implosionen. Sprachlos und einsam beackert er seine Vatergeschichte, um sich im Zweifel dann doch wieder mitten ins Getümmel zu werfen.

Am Drehbuch sind beide Hauptdarsteller beteiligt. „Wir treffen uns bei jedem Buch ab einem gewissen Stadium und erzählen, was sich für uns passend anfühlt und wo es noch irgendwo knirscht“, sagt Anneke Kim Sarnau, die als LKA-Beamtin verbissen und mit Schuhen, die immer ein bisschen an Hufe erinnern, durch die Geschichte stapft. In keinem Film des Rostocker „Polizeirufs“ sei bisher so wenig improvisiert worden wie hier, sagt Hübner. Autor Florian Oeller und Regisseur Alexander Dierbach „waren äußerst treffsicher und haben sehr klare Flächen geboten, auf denen wir gewissermaßen tanzen konnten.“

Auch die Nebenfiguren bekommen in „Fischerkrieg“ ihre eigene Tanzfläche. Klaus Manchen spielt Bukows Vater mit steinaltem Eskimogesicht und fesselt den Zuschauer in einer intensiven Verhörszene, in der er pragmatisch den Unterschied zwischen Menschenhandel und Fluchthilfe erklärt. Inga Busch gibt die nassforsche Journalistin. Die Kollegen Pöschel (wunderbar selbstverliebt: Andreas Guenther) und Thiesler (mit Gips: Josef Heynert) müssen zwar die leidige Informationsvermittlung übernehmen, sind dabei aber nicht nur Staffage, sondern können ein eigenes Profil entwickeln.

Die oftmals hektische Handkamera darf etwas pausieren. Dafür gibt es zum Einstieg eine Traumsequenz, die zum Glück nicht penetrant wiederholt wird. Traumbilder sind immer heikel. Meist sind sie verschwurbelt, überladen. Hier sollen sie stracks den Weg zum Familientrauma weisen. Angenehm realistisch sind die Hafenansichten von Rostock, die Markus Schott entwirft. Spannend an diesem „Polizeiruf“ ist die konfrontative Beziehung der beiden Protagonisten. In einer Szene steigt Bukow seiner Kollegin, während er sie provoziert, fast auf die Füße. Auch wenn es kracht, wird man den Eindruck nicht los, dass die beiden eine ganz spezielle Art zu flirten haben. Wenn sie sich ihm am Schluss anvertraut und mit Kinderstimme sagt „Ich such’ meine Eltern“, ist das auch ein großer Freundschaftsbeweis.

„Polizeiruf 110 – Fischerkrieg“,

ARD, 20 Uhr 15

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