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Noch auf Sendung, aber das Ende ist nahe. ZDFkultur wird erst ein Schleifen- und Wiederholungsprogramm, dann wird der Stecker gezogen. Foto: dpa

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Lieber Halligalli als Händel: Vorhang runter!

ZDF will seinen Digitalkanal ZDFkultur einstellen. Wenn der Sender Sparzwänge als Grund angibt, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Kultur hat es schwer in den ZDF-Programmen.

Der Erfolg eines Fernsehprogramms hängt entscheidend vom Gefühl seiner Macher fürs richtige Timing ab. An welchen Wochentagen läuft der neueste Dreiteiler am besten, welcher Vorlauf verhilft dem Politmagazin zu einer anständigen Quote? Thomas Bellut beschäftigte sich, als er von 2002 bis 2012 Programmdirektor des ZDF war, just mit diesen Fragen. Und er hat, seitdem er als Intendant in Mainz regiert, sein Gespür für Timing in Entscheidungen umgesetzt.

Am Freitag verkündete Bellut nun, dass er dem ZDF-Fernsehrat und den Bundesländern vorschlagen werde, den Digitalkanal ZDFkultur in seiner jetzigen Form einzustellen. Der Sender solle – bis zur endgültigen Entscheidung der Bundesländer – so rasch wie möglich auf ein Wiederholungs- und Schleifenmodell umgestellt werden. Über den Zeitpunkt der Um- und dann Einstellung schwieg sich das ZDF aus, rasch aber soll es gehen, schon in seiner März-Sitzung hat der Fernsehrat das Thema auf seiner Agenda.

Intendant Bellut sieht den goldenen Zeitpunkt gekommen, seine schon öfters geflüsterte Ankündigung vom Finale bei ZDFkultur wahr zu machen. Sein Argument nimmt er aus der Aktualität: Die von der Politik geforderte Beitragsstabilität zwinge das ZDF zu Sparmaßnahmen. Bellut geht von der Erwartung aus, dass der neue, umstrittene Rundfunkbeitrag dem Sender nicht mehr als die gewohnten 1,8 Milliarden Euro Gebühren pro Jahr einbringen wird. Das mag, muss aber nicht stimmen. Solch prophezeiten Nullrunden plus die Vorgabe der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, wonach das ZDF bis 2016 im Personalbereich 75 Millionen einsparen muss, spielen Bellut in die Karten: Ich kann doch nichts anders! ZDFkultur, gestartet im Mai 2011, hatte 2012 einen Etat von 18 Millionen Euro.

Warum erwischt es dieses Programm? ARD und ZDF verweisen gerne darauf, sie seien von der Rundfunkpolitik mit jeweils drei Digitalkanälen beauftragt worden, damit das öffentlich-rechtliche Fernsehen sich den Herausforderungen der neuen, fragmentierten TV-Welt stellen kann. Die öffentlich-rechtlichen Sender nahmen die Einladung zur Expansion gar zu gerne an, das ZDF als zentralistischer Sender bedeutend energischer und erfolgreicher als die föderal verstreute ARD.

ZDFinfo war das Hätschelkind von Chefredakteur Peter Frey, ZDFneo der Augapfel des damaligen Programmdirektors Thomas Bellut und seines Nachfolgers Norbert Himmler. Und, ja, beide Programme gediehen, wie es die Marktanteile für Januar 2013 beweisen: ZDFneo 0,8 Prozent, ZDFinfo 0,5 Prozent, weit hinten ZDFkultur mit 0,1 Prozent. Und dass die Jung-Matadore Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt mit „Neoparadise“ vom Jugendsender ProSieben wegengagiert wurden, um dort das Format als „Circus Halligalli“ am kommenden Montag fortzusetzen, war dem ZDF Beweis genug, wie sehr die Richtung im Digitalsektor stimmt.

Die Entscheidung gegen ZDFkultur ist konsequent. Das Zweite Deutsche Fernsehen ist nicht gegen Kultur eingestellt, es kann und will aber so wenig wie möglich damit zu tun und in seinem Programm haben. Mit großem Fleiß und nachhaltigem Ehrgeiz ist im Hauptprogramm, dem erklärten Revier für die Quotenjagd, an den Kulturformaten so lange herumgedoktert worden, bis am Freitag nur noch ein Restposten übriggeblieben ist: mal „Aspekte“, mal „Das blaue Sofa“, Ende. Und so war auch ZDFkultur gedacht – als Entlastung, Entschuldigung, Entjungferung. Kein Wunder, dass die von seinen Protagonisten abgebrochene Talkshow „Roche & Böhmermann“ erst ins Zweite wandern sollte, als Rumor und Furor da waren. Es passt auch ins Bild, dass laut ZDF „die innovativen Programmformate von ZDFneo und 3sat übernommen werden“. Beispiele wurden nicht genannt, nur so viel, dass einst von 3sat übernommene Sendungen wie das „3SatFestival“ dorthin zurückwandern werden.

In der ZDF-Denke heißt das: Kompetenzen bündeln und Synergien erhöhen. Also werden weitere Plattformredaktionen geschaffen. Die bislang von Guido Knopp geleitete Redaktion Zeitgeschichte wird mit der Redaktion, die „Terra X“ produziert, zusammengelegt, die Service-Redaktion „Volle Kanne – Service täglich“ wird mit „Wiso“ ebenfalls zu einer Plattformredaktion. Erstaunlich, was in Sparzeiten auf dem Lerchenberg zusammenpasst und nicht mehr passt.

Was das Ende von ZDFkultur mit dem geplanten Jugendkanal von ARD und ZDF zu tun hat? Die ARD will keinen ihrer drei Digitalkanäle aufgeben, wohl aber EinsPlus mit einem ZDF-Digitalprogramm zu einem Jugendkanal fusionieren. Und beide, ARD und ZDF, warten auf den nötigen Auftrag aus der Politik. Heißt: Am Ende könnte ZDFkultur als Jungbrunnen fortsprudeln.

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