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Wer bin ich? In der Pilotfolge von „Stuckrad Late Night“ klebte Thilo Sarrazin beim Ratequiz den Namen Joseph Goebbels auf die Stirn von Benjamin von Stuckrad-Barre (rechts). Am Donnerstag ist Sarrazin erneut zu Gast bei der Late-Night-Show auf ZDFneo.Foto: ZDF

© Svea Pietschmann

Talk 2010: Liebling Sarrazin

Benjamin von Stuckrad-Barre macht eine Late-Night-Show bei ZDFneo. Christian Ulmen, Hajo Schumacher und Jörg Schönbohm machen auch mit.

Noch einmal will Benjamin von Stuckrad-Barre mit Thilo Sarrazin spielen, so sehr war er von der Begegnung mit dem Banker im Juni überrascht. Damals hatte er Sarrazin in die Pilotfolge zu seiner Late-Night-Show eingeladen und spielte mit ihm „Wer bin ich?“. Sarrazin klebte Stuckrad-Barre einen gelben Notizzettel mit dem Namen Joseph Goebbels an die Stirn und antwortete auf seine Fragen, dass der Mann „sehr gut mit Worten“ gewesen sei, „ein Menschenverführer“.

Mit einem einfachen Quiz hatte Stuckrad-Barre mehr aus Sarrazin herausgeholt, als es seinen Kollegen in den großen Talkshowrunden bisher gelungen sein dürfte. Mehr als 100 000 Mal wurde das Ratespiel auf Youtube angeklickt, ein enormer Erfolg für eine Sendung, die es bisher nur als Pilotfolge gab.

Wenn Provokateur und Ex-Popliterat am Donnerstag in der ersten richtigen Folge von „Stuckrad Late Night“ im digitalen Spartenkanal ZDFneo erneut aufeinandertreffen, dürfte die Begegnung kaum weniger spannend ausfallen. Im besten Fall gelingt dem 35-jährigen Stuckrad-Barre mit seiner Show das, womit er bisher bereits als Autor und Reporter glänzt: Kunstvolle, wache Beobachtungen von Menschen und Alltagsszenen, wie er sie für Springer-Zeitungen wie „Die Welt“ schreibt und zuletzt in seiner Textsammlung „Auch Deutsche unter den Opfern“ veröffentlichte.

Dabei hat Stuckrad-Barre die Sendung, die ab dem 6. Januar immer donnerstags auf ZDFneo zu sehen ist, nicht nur seinem Intellekt, sondern auch seinem guten Aussehen zu verdanken. Genau diese Eigenschaften suchte das ZDF beim neuen Moderator. Passenderweise war auch Stuckrad-Barre auf der Suche, zusammen mit dem Schauspieler und Produzenten Christian Ulmen, mit dem er früher zusammen bei MTV gearbeitet hat und heute gut befreundet ist. „Christian und ich wollten eine Sendung machen, die uns fehlt“, sagte Stuckrad-Barre am Freitag in Berlin. Heraus kam die „Stuckrad Late Night“.

Darin will der Frontmann die Ereignisse der Woche Revue passieren lassen, mit und über die Personen des politischen und gesellschaftlichen Lebens sprechen. „Deutsches Theater“ nennt Stuckrad-Barre die Sendung deshalb auch. Unterstützt wird er von einem Ensemble, zu dem Journalist Hajo Schumacher und Jörg Schönbohm, der ehemalige CDU-Innenminister Brandenburgs, gehören. Von einer Art Loge sollen die beiden als „Linker“ und als „General“ Stichwortgeber und Korrektor von Stuckrad-Barre sein. Ulmen tritt in seiner Rolle als Uwe Wöllner auf und soll aktuelle Begriffe wie „Leaken“ erklären.

Eine One-Man-Show will Stuckrad-Barre nicht. Bereits bei seinen Lesungen hatte sich Benjamin von Stuckrad-Barre, der 1998 durch sein Buch „Soloalbum“ als sogenannter „Popliterat“ bekannt wurde, stets Gäste wie RBB-Moderator Jörg Thadeusz an seine Seite geholt. „Sonst verfällt man automatisch ins Repertoire“, sagt Stuckrad-Barre. Außerdem könne er sich auch mal zurücklehnen und die Rolle des Beobachters einnehmen, wenn er nicht ständig selber sprechen müsse – und beobachten ist schließlich das, was er am besten kann. „Mitlatschen“ nennt es Stuckrad-Barre, wenn er sich als Reporter unauffällig unter die Entourage von Politikern wie Sigmar Gabriel oder Schauspieler Tom Cruise mischt. Doch „mitlatschen“ ist in einer Fernsehsendung kaum möglich, die minutiös geplant ist und bei der die Protagonisten sich nicht unauffällig bewegen können, sondern zusammen mit dem Moderator im Scheinwerferlicht stehen. Stuckrad-Barre sieht in einem solchen Gerüst keinen Nachteil. „Ich bin eher zappelig und chaotisch veranlagt, deshalb ist es gut, durch einen getakteten Ablauf Halt zu bekommen.“ Die Sendung wird am Mittwoch in Berlin aufgezeichnet, so viel Sicherheit muss sein.

Erste Fernseherfahrungen sammelte Stuckard-Barre in den 90er Jahren mit seiner Literatursendung „Lesezirkel“ bei MTV. „Aber damals war ich noch zu klein und überfordert“, sagt Stuckrad-Barre. Angst vor einem erneuten TV-Flop hat er jedoch nicht. „Ich finde, es ist legitim, ein wenig herumzuprobieren, und wenn’s schiefgeht, dann ist es immer noch hundert Mal besser als das, was sonst im Fernsehen kommt.“ 20 Folgen sind mit ZDFneo geplant, Gregor Gysi und Guido Westerwelle als Gäste eingeladen. Für Thilo Sarrazin fallen Stuckrad-Barre gleich vier Namen ein, die er ihm gerne auf die Stirn kleben würde.

„Stuckrad Late Night“, Donnerstag,

22 Uhr 30, ZDFneo

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