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Ziel der professionellen Hetzer ist derzeit auch das Instagram-Profil von Angela Merkel. Kommentare in kyrillischer Schrift werden vom Bundespresseamt nun gelöscht.

© Tsp

Medienkrieger in St. Petersburg: Putins Troll-Armee

„Kreative Schreiber“ arbeiten in St. Petersburg, verbreiten Kreml-Botschaften und fluten das Instagram-Profil von Kanzlerin Angela Merkel.

Die Kleinanzeige in dem St. Petersburger Lokalblatt scheint maßgeschneidert für Ljudmila Sawtschuk zu sein. Gesucht werden „kreative Schreiber“ für Online-Projekte. Beim Vorstellungsgespräch im Dezember 2014 erfährt sie, dass es sich um politische Texte handelt. Kurznachrichten mit jeweils etwa 200 Zeichen und fünf so genannten Tags: Schlag- und Schlüsselwörter, die ebenso vorgegeben werden wie der Tenor der Nachrichten. Positives ist bei „Putin“, „Russlands Armee“, „Krim“ oder „Donbass“ gewünscht, Negatives bei „Kiewer Junta“, Nato und Obama. Sawtschuk nimmt den Job an – und wird Teil der russischen Troll-Armee, die offenbar im Auftrag der Kreml-Administration in Online-Foren, Blogs oder Kommentarspalten russischer und internationaler Medien mit regelrechten antiwestlichen Hetzkampagnen und Kreml-Agitprop attackieren.

Eines ihrer aktuellen Ziele: die Instagram-Seite von Angela Merkel. Seit die Bundeskanzlerin vor einer Woche ihr Profil auf dem Foto-Portal veröffentlicht hat, müllen die Trolle es zu mit gehässigen, teils sogar beleidigenden Kommentaren. Besonders viele Kommentare in kyrillischer Schrift gab es zu den Fotos vom G-7-Gipfel in Elmau. Das Social-Media-Team des Bundespresseamts kommt kaum hinterher, diese wieder zu löschen.

Für diesen Fleiß werden die Trolle gut bezahlt: 41 000 Rubel monatlich gibt es, das sind knapp 750 Euro und erheblich mehr als der Durchschnittsverdienst in Russland. Den vollen Lohn bekommen aber nur diejenigen, die die Norm erfüllen: 135 Posts pro 12-Stunden-Schicht.

40 Abteilungen sorgen in St. Petersburg für Posts

So erzählt es Ljudmila Sawtschuk, die im Februar aus der Spam-Fabrik gefeuert worden ist. Die 34-Jährige hatte Bedenken bekommen und der Petersburger Stadtteilzeitung „Mojrajon“ vom Treiben in dem Bürogebäude am Stadtrand von St. Petersburg berichtet – damit verstieß sie angeblich gegen ihren Arbeitsvertrag, der sie zum Schweigen verdonnerte. Neben Sawtschuk berichtete noch ein weiterer Ex-Troll von seinem Job: Marat Burkchard, der als Undercover-Journalist in der Troll-Fabrik gearbeitet hat. Der Job sei der abenteuerlichste gewesen, den er je hatte, erzählte er dem US-Auslandssender Radio Liberty. Produziert wird der Kreml-Spam in etwa 40 verschiedenen Abteilungen mit jeweils rund 20 Mitarbeitern, darunter ein Ressort für Sondervorhaben und ein fremdsprachiges, wo fast der doppelte Lohn gezahlt wird. Es gebe Überwachungskameras und Stichproben, ob Posts den Vorgaben entsprechen.

Er als überzeugter Liberaler habe sein Rückgrat „heftig verbiegen“ müssen, sagte Burkchard. Trotzdem sei er mehrmals abgemahnt worden. Burkchardt gehörte zu einem Team, das vor allem Diskussionsforen in der russischen Provinz mit Beiträgen befüllen und dort bereits veröffentlichte kommentieren sollte. Damit es echt wirkt, habe es eine klare Rollenverteilung gegeben: Ein Troll mimt den Bösewicht und kritisiert die Macht, zwei Opponenten machen ihn nieder. Einer davon musste dazu ein passendes Foto einstellen, der andere einen Link, der seine Behauptung bestätigt. Jeder Kommentar musste auf 35 regionalen Foren gepostet werden. Ob es auch Erfolgskontrollen gegeben habe? Njet, sagte Burkchard: Wer liest schon solchen Mist?

Russische Mainstream-Medien schweigen

Dank Sawtschuk und Burkchardt ist das Treiben in den Troll-Fabriken überhaupt erst bekannt geworden. Russische Mainstream-Medien verlieren darüber bisher kein Wort. Aus Angst vor Konsequenzen. Denn Nettozahler soll die Kremladministration sein, die bei der Abwicklung des Geldtransfers offensichtlich den Unternehmer Jewgeni Prigoshin zwischengeschaltet hat. Ihm gehört eine Kette von Restaurants, die auch der Kreml beim Catering für Bankette engagieren soll.

Offiziell aber firmiert die Troll-Fabrik als „Agentur für Internetforschungen“, im Handelsregister ist sie als Baufirma eingetragen, sagte Sawtschuks Anwältin Darja Suchych. Unter der im Register hinterlegten Mobilfunknummer meldet sich ein Mann, der ebenfalls Ex-Troll ist. Seinen Namen nennen will er nicht, auch nicht gegen seinen früheren Arbeitgeber klagen, wie es jetzt Ljudmila Sawtschuk plant. Sie habe nie einen Arbeitsvertrag gehabt, Lohnzahlungen seien stets in bar erfolgt. Beides verstößt gegen russisches Recht. Der Prozess beginnt in Kürze. Dabei, so Sawtschuks Anwältin, werde es um mehr gehen als um Arbeitsrecht.

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