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Nächste Staffel: Die neuen Folgen von „München 7“ sollen der ARD am Vorabend bessere Quoten bringen. Die Serie dreht sich um die Polizisten Xaver Bartl (Andreas Giebel, l.) und Felix Kandler (Florian Karlheim), die in der Münchner Innenstadt Dienst schieben. Foto: BR

© ARD/Barbara Bauriedl

München 7: Warten auf ein Wunder

Thomas Gottschalk ist hier gescheitert und auch Dieter Nuhr. Wie die ARD ihr Vorabendproblem lösen will.

Leichen pflastern seinen Weg. Der ARDVorabend hat vermutlich in seinem zweistündigen Revier zwischen 18 Uhr und 20 Uhr mehr mediale Karrieren gekillt als Quentin Tarantinos Django Gegner im Kino. Der Unterhaltungsriese Thomas Gottschalk wurde hier auf Zwergenformat gestutzt, Dieter Nuhr holte sich seine Zuschauerabfuhr mit „Null gewinnt“, und Bruce Darnell weint wahrscheinlich noch heute über seine ARD-Vorabendquoten. Nun wurde bekannt gegeben, dass die Serie „Fuchs und Gans“ mit Peter Bongartz keine Fortsetzung erfährt.

Dass muss den ARD-Koordinator Vorabend Frank Beckmann doch noch mehr ins Grübeln bringen. „Selbstkritisch muss ich einräumen, dass nicht jede unserer Serien von Anfang an auch qualitativ überzeugt hat. Mein Eindruck ist aber, dass wir von Folge zu Folge besser werden.“Die Akzeptanzwerte am Vorabend seien noch nicht zufriedenstellend. Das hänge vor allem mit den festen Sehgewohnheiten der Zuschauer in der Zeit zwischen 18 und 20 Uhr zusammen, die man erst mal aufbrechen müsse.

Nur: wie? Zig Programmplaner haben sich an dieser Aufgabe verhoben. Selbst der Kinohit 2012 „Türkisch für Anfänger“ hatte als Qualitätsserie im Ersten unterirdische Quoten. Beckmann will sich mit der Malaise nicht zufrieden geben. „Mittelfristig streben wir zweistellige Marktanteile an. Geduld bleibt eine der wichtigsten Eigenschaften, die man haben muss, um mit seriellen Formaten reüssieren zu können.“

Die traurige Wahrheit liegt bei einer durchschnittlichen Sehbeteiligung in der Zeit von 17 bis 20 Uhr von 1,65 Millionen Zuschauern im zweiten Halbjahr 2012. Zuletzt war ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen von einem halben Prozentpunkt, sagt Beckmann. Ein halbes Prozent ist viel, wenn man acht Prozent Marktanteil im umkämpften Werberahmenprogramm einfährt. „Hubert & Staller“, ein bayerisches Gespann, ist dafür verantwortlich, dicht gefolgt von „München 7“, der Grimme-Preis-prämierten Serie von Franz Xaver Bogner, die am Mittwoch mit acht neuen Folgen auf Sendung geht. Das Quotenproblem bleibt. Was einen Filmer wie Bogner wurmen muss.

BR-Fernsehdirektorin Bettina Reitz appellierte öffentlich: „Haltet durch. Ich weiß, dass diese Quoten auf die Stimmung beim Drehen schlagen. Aber irgendwann wird sich Qualität durchsetzen. Ganz bestimmt.“ Bogner gibt sich im Gespräch mit dem Tagesspiegel fast fatalistisch. „Ich hab bis jetzt die Quoten nicht gebraucht, die Beteiligten in der ARD denken nur in Quoten. Aber das ZDF hat 13 Jahre Zeit gehabt, um sein Programm aufzubauen, das bei den Leuten einen derart hohen Wiedererkennungswert hat. Die Leute sind vom ZDF nicht wegzubringen, das sich mit seinen ,Sokos‘ ja auch noch regionalisiert hat.“ Nur so ließen sich auch die drei- bis vierfachen Quoten des ZDF erklären.

Der Vater des Erfolgs beim ZDF heißt Axel Laustroer. Seit 1996 betreut der Redakteur die „Soko“-Reihe, die im März ihr 35-jähriges Bestehen mit der 500. Folge feiert und laut Laustroer herausragende Quoten einfährt: „Alle liegen um die 20 Prozent Marktanteil.“ Eigentlich will sich Laustroer zur ewigen Problemzone des öffentlich-rechtlichen Konkurrenten nicht äußern. Aber eine Krimimarke „Heiter bis tödlich“ zu nennen, sei schon sehr gewagt: „Der Zuschauer will nicht, dass man neben einer Leiche Witze reißt. Das ist immer noch ein Kapitalverbrechen, das auch von den Ermittlern mit entsprechendem Ernst behandelt werden sollte. Für mich ist es kein Zufall, dass ausgerechnet die beiden Serien, in denen die Ermittler Uniform tragen, die erfolgreichsten unter dem ,Heiter bis tödlich‘-Label sind.“

Skandalös findet ein ehemaliger Vorabend-Produzent, dass ARD und ZDF beide mit Krimiformaten um die Zuschauergunst buhlen. „Es kann nicht sein, das die gegeneinander programmieren. Da könnte man als ARD auch kostengünstiger Dokus ausstrahlen und hätte sicher keine geringeren Quoten.“ Die Frage sei, ob man nicht auf die geänderten Sehgewohnheiten der Zuschauer reagiere, die bei RTL 2 massenhaft „Berlin Tag und Nacht“ oder „Köln 50667“ einschalten.

Franz Xaver Bogner hat sich diese „Pseudorealgeschichten“ genau angeschaut: „Da fasst du dich ans Hirn, aber das ist Kult für die Jugendlichen. Mich würde ja interessieren, ob man das Ganze auch in gut machen kann. Wenn man an die Zukunft denkt, sollte man herkömmlich erzählte Geschichten verlassen, die man bis jetzt gemacht hat. Man müsste den Look weiterentwickeln und mit einer anderen Form besser punkten. Ich würde gern mit einem Team eine Reihe konzipieren, die mit dem modernen Sehen mithalten kann, aber sich von den Inhalten und der Menschenführung her nicht ändert. Wo man nicht zynisch wird und Leute weggeworfen werden.“ Bogner müsste sich für seine Pläne vermutlich einen anderen Sender suchen, denn ARD-Vorabendkoordinator Frank Beckmann will keine öffentlich- rechtliche Version des RTL-2-Erfolgsjunks: „Wenn es nach mir geht – klares Nein. Denn ein solches ,Scripted reality‘-Format passt nicht in ein öffentlich rechtliches Qualitätsprogramm.“

Also wird weiter probiert und verbrannt im Vorabend des Ersten. Beckmanns Tipp ist „Heiter bis tödlich – zwischen den Zeilen“, das am 14. Februar erstmals auf Sendung geht. „Die Serie mit Josephine Schmidt und Ole Puppe hat großes Humor-Potenzial. Klar ist aber auch, das bei diesem Innovationsprozess nicht jeder Schuss ein Treffer ist und das deshalb die eine oder andere Serie dann auch nicht fortgesetzt wird – so leid es mir für die Macher tut.“ Gut möglich aber auch, dass die ARD gegen Windmühlen kämpft. Denn Kay Meinschien, der Exsprecher der 2011 eingestellten Soap „Marienhof“ hat beobachtet, dass die Quoten seit der Verlegung der Ladenöffnungszeiten auf 20 Uhr nach unten gingen. „Je später die Ausstrahlung, desto mehr schauten noch zu.“

Ein Umstand, dem demnächst auch die noch verbleibende Soap „Verbotene Liebe“ (18 Uhr) zum Opfer fallen könnte. Ihr Marktanteil liegt bei 6,5 Prozent. Sicher zu wenig für Beckmann, der sich aber mit dem gesamten Vorabend noch in Geduld üben will: „Die Qualität vieler Episoden wird über kurz oder lang auch zu mehr Zuschauern führen. Vielleicht nicht morgen, aber in absehbarer Zeit.“ Dem Vernehmen nach will das Erste der „Heiter bis tödlich“-Reihe Zeit bis Ende 2013 geben, sich zu etablieren.

„Heiter bis tödlich: München 7“, Mittwoch, 17 Uhr 55, ARD

Jörg Seewald

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