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Münchner Medientage: Online, schlafen oder tot

Können Print und TV die Jugend noch erreichen? Die Münchner Medientage diskutieren die Zukunftsfragen der Branche - und kommen zu erstaunlichen Ergebnissen.

Elefantenrunde wird flapsig die Diskussionsrunde zur Eröffnung der Münchner Medientage genannt. Der Auftakt der 27. Medientage bescherte eine pikante Konstellation. Die Koalitionsverhandlungen in Berlin hielten Ministerpräsident Horst Seehofer fern. Dafür ließ seine frisch ernannte Medien- und Wirtschafts-Superministerin Ilse Aigner in ihrer Begrüßungsrede aufhorchen. Nur eine Woche nach ihrer Ernennung legte sie ein Bekenntnis zu freien Netzen und weniger Reglementierung ab.

BR-Intendant Ulrich Wilhelm führte in seiner Rede den zentralen Begriff des Vertrauens in die Diskussion ein. In Zeiten immer größerer Datenmengen und deren Missbrauch durch Geheimdienste müsse das Vertrauen in die Sicherheit dieser Daten gewährleistet werden, zumal das Zukunftsszenario immer mehr persönliche Daten von jedem Bürger einfordere. Für Raunen im Münchner Messesaal sorgte seine Aussage, dass die klassischen Medien nicht länger die „Gatekeeper“ seien und in Zukunft die Quote in ihrer heutigen Form nicht mehr relevant sein könne, weil sie die Mediennutzung nur noch ungenügend abbilde.

ZDF-Intendant Thomas Bellut assistierte Wilhelm mit konkreten Zahlen: Die „heute-show“ werde von etwa drei Millionen Zuschauern gesehen, aber 400 000 würden auch noch in den nächsten Tagen die Sendung in der Mediathek komplett anschauen. Bellut wollte damit eigentlich seine These vom unverzichtbaren Qualitätsfernsehen untermauern. Den Ball nahm ProSiebenSat1-Vorstand Conrad Albert gern auf, weil durch den Verzicht auf Quoten eine größere Darstellungshygiene gewährleistet sei. „Wenn sie jetzt noch auf Werbung verzichten, ist alles wieder richtig“, ermunterte er die Öffentlich-Rechtlichen, wofür er von Bellut nur ein kopfschüttelndes „Sie würden sich wundern“ erntete.

Als Moderatorin hatten die Bayern in diesem Jahr erstmals „taz“-Chefredakteurin Ines Pohl eingekauft, die journalistischer aber auch unlustiger als ihr Vorgänger Helmut Markwort durch die Diskussion zum Thema „Mobile Life: Herausforderung für Medien, Werbung und Gesellschaft“ führte. Das Bekenntnis nahezu aller Diskussionsteilnehmer zum digitalen Wandel und der Zukunft im Netz, der aber mit alten Regularien nicht zu bewältigen sei – Sky-Chef Brian Sullivan: „Der Geist ist aus der Flasche. Wir kriegen ihn nie mehr zurück“ – verleitete Pohl zur Feststellung: „Manchmal habe ich das Gefühl, wir diskutieren hier auf dem Podium im Postkutschentempo während da draußen die mediale Wirklichkeit in Lichtgeschwindigkeit voranschreitet.“

Zu dem Gefühl mag auch VPRT-Vorstand Tobias Schmid, oberster Lobbyist des Privatfernsehens mit seiner bitteren Feststellung beigetragen haben, dass ein heute gefasster Entschluss etwa sieben Jahre brauche bis er zu europäischem Recht werde. „Da sind Universen dazwischen.“ Eine gute Nachricht für den Zeitungsverleger Dirk Ippen, der gern für Wettbewerb eintritt, aber den lokalen Werbemarkt nur ungern mit privaten Fernsehsendern teilen möchte. Die müssen, das ließ die Äußerungen von BLM-Präsident Siegfried Schneider und Aigner erahnen, dafür bald nicht mehr ihren Programmplatz mit Drittanbietern teilen. Das sei eine Regelung, die aus der Zeit stamme, als es noch nicht genug Frequenzen gab. Dieses Problem habe sich ja nun erledigt.

Die meisten Lacher erntete aber Ippen für einen Satz, der ihm eher so rausrutschte: „Die Jugend ist das Problem.“ Aus seiner Sicht stimmt das. Ironisch formulierte Ippen das Zukunftsszenario so: „Online, schlafen oder tot.“ Der klassischen Tageszeitung gab er sogar eine Überlebensgarantie: „Zeitungen sind Solidargemeinschaften. Sie geben Orientierung. Man sagt ja auch ,Meine Zeitung‘, aber nie mein Internet oder mein Sender.“ Zumindest , wenn man nicht zu dieser Problem-Jugend gehört. Jörg Seewald

Jörg Seewald

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