zum Hauptinhalt
CNN Turk berichtet live vom Putschversuch in der Türkei.

© dpa

Nach Kritik an Türkei-Berichterstattung: Breaking News - jetzt auch im deutschen Fernsehen!

Zu teuer, zu aufwändig, also überflüssig? Ein deutsches CNN ist vielen Einwänden zum Trotz eine Programm-Notwendigkeit

Nizza, Türkei, Würzburg: Wer dieser Tage fernsieht, muss ständig mit „Breaking News“ rechnen. Das tägliche, das linear ausgestrahlte Fernsehprogramm aber rechnet nicht aktuell mit Anschlägen, Krisen, Katastrophen (womit es mit der Lebenserwartung seines Publikums übereinstimmt). Die Reaktionen der Sender sind Laufbänder, „Tagesthemen extra“, ZDF-spezial für die bis zu 70 Millionen TV-Zuschauer täglich, die zuerst zur Fernbedienung und nicht sofort zum Smartphone greifen. Das Resultat ist unbefriedigend: Die „Breaking News“ zerschießen das Normalprogramm und lassen die Sender zwischen „Tatort“-Fortsetzung und „Tagesschau“-Unterbrechung hin und her schwanken.

Im deutschen Fernsehen fehlt es nicht an Information: Nachrichten in den Hauptprogrammen, Phoenix, tagesschau24, ZDFinfo, n-tv und N 24. Es fehlt an Format: Werbung allein kann keinen privaten Newskanal im CNN- oder BBC-Design finanzieren; die Programme von ARD und ZDF sind von medienpolitischer Kleinstaaterei, Standort-Egoismen und Als-ob-Anstrengung geprägt. Hier ein bisschen, dort ein wenig – und im Moment der „Breaking News“ überfordert.

Wer 23 Programme sendet, der soll sich einen News-Kanal nicht leisten können?

Ein deutsches CNN? Ein 24-Stunden-Nachrichtenkanal ist sehr teuer, heißt es im Abwehrreflex. Wer sich Phoenix, ZDFinfo und tagesschau24 leistet, Nachrichtenzentralen in Hamburg und in Mainz, der darf so lange rechnen, Ressourcen umwidmen, Kapazitäten umschichten und Beitragsmilliarden neu kalkulieren, bis ein öffentlich-rechtlicher Nachrichtenkanal ordentlich finanziert ist. Wer sich die Sendergeschichte von ARD und ZDF vor Augen führt, der wird mit der Ausspreizung in 23 Free-TV-Programme konfrontiert, das vor dem Start stehende Jugendangebot noch gar nicht eingerechnet. Nicht Diversität aber, sondern Information ist Kernauftrag, Essenz und Daseinsbegründung der Öffentlich-Rechtlichen.
Ein deutsches CNN wäre eine Erlösung für die Hauptprogramme im Spagat und für den Fernsehzuschauer auf der Suche. Ein deutsches CNN wäre aber eine enorme Herausforderung für die Macher. Das Nachrichten-Fernsehen steht unter Schock – unter dem Schock von Facebook, Twitter, Periscope; die sozialen Medien setzen die klassischen Medien, insbesondere das durch Bild-und-Ton-Qualität artverwandte Fernsehen unter Live-Stress. Kein TV-Reporter wird mit seinem Kameramann jemals so schnell am Tatort sein wie ein Augenzeuge mit seinem Smartphone. Philando Castile stirbt im Live-Stream seiner Freundin, ein ARD-Reporter filmt privat den Amoklauf mit Lastwagen per Handykamera, der türkische Präsident Erdogan ruft seine Anhänger via Face Time auf die Straßen.

Wettlauf mit Live-Videos

Jeder Nachrichtenkanal gerät mit den Live-Videos und der Echtzeit-Dramatik in einen Wettlauf. Beides gilt es auszuhalten, das Mittendrin-Gefühl muss bedient, die Sensation in gleicher Sekunde journalistisch eingeordnet, das Geschehen dimensioniert werden. Aber keine Angst! Wer kennt sich im Live-Medium Fernsehen besser aus als die Fernsehmacher? Ein deutsches CNN wäre nicht die Kapitulation vor der Information, ein solches Programm wäre die Kommunikation von Information.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false