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Geschützte Räume. Am vergangenen Mittwoch kamen Ermittler in die „Berliner Morgenpost“. Zugleich rief Justizsenator Thomas Heilmann an.

© IMAGO

Redaktionsdurchsuchung bei der Morgenpost: Polizeibeamter soll für Tätigkeit als Bodyguard bezahlt worden sein

Die Polizei darf zwar Zeitungsredaktionen durchsuchen – sie muss aber gute Gründe haben. Die „Berliner Morgenpost“ weist den Vorwurf der Beamtenbestechung zurück. Der Polizist sei für eine Tätigkeit als Bodyguard bezahlt worden.

Wenn Politiker mit Chefredakteuren telefonieren, kann es heikel werden – für die Politiker. Entgegen den Lehren aus dem Fall Wulff hat diesmal Berlins Justizsenator Thomas Heilmann zum Hörer gegriffen. Anders als der frühere Präsident gegenüber der „Bild“, drohte der CDU-Politiker gegenüber der „Berliner Morgenpost“ nicht mit strafrechtlichen Konsequenzen, er kündigte sie an. So kamen am vergangenen Mittwoch mit dem Anruf Beamte von Staatsanwaltschaft und Polizei in die Redaktion und durchsuchten das Büro des Chefreporters. Sie verdächtigen ihn, einen Beamten des Landeskriminalamts (LKA) bestochen zu haben. Seit Monaten sucht die Polizei nach einem Maulwurf in ihren Reihen, der Informationen über Polizeiaktionen gegen Rocker weitergegeben haben könnte.

Wie im Fall Wulff machte auch hier die Sichtweise der betroffenen Redaktion schnell die Runde, freilich ohne dass diese selbst als Quelle aufträte. Nach Tagesspiegel-Informationen hat die Zeitung 3000 Euro an den LKA-Beamten gezahlt, jedoch nicht für Interna, sondern für dessen Job als Bodyguard des Reporters bei einer Recherchereise in das niederländische Kinderhändlermilieu. Auch sind weitere 100 Euro an den Beamten geflossen , allerdings nur für zwei Jacken, die dieser dem Reporter besorgt hat. Beschlagnahmte Computer werden derzeit wegen der Beschwerde des Axel-Springer-Verlages noch nicht untersucht.

Laut einem „Spiegel“-Bericht sind die Vorwürfe der Fahnder sogleich nach deren Eintreffen zerstreut worden. Jedenfalls sehe die „Morgenpost“ dies so. Offenbar hat es tatsächlich einen Vertrag für die Reisebegleitung nach Amsterdam gegeben, der Nebenjob soll im Landeskriminalamt jedoch weder angezeigt noch genehmigt worden sein. Offizielle Bestätigungen dafür gab es am Sonntag nicht. Der Verdacht auf Bestechung bleibt damit wohl. Wie es aussieht, wussten die Ermittler bereits von dem Nebenjob ihres Kollegen, sehen ihn möglicherweise aber als Tarnung an. Immerhin war es viel Geld für einen Kurztrip über Ostern. Der verdächtige Polizist wurde versetzt, seit Sommer ist er im Visier der Strafverfolger.

Ein Einzelfall, dessen Hintergründe unklar sind. Journalistenverbände hindert das nicht, die Aktion als Eingriff in die Pressefreiheit zu rügen. Sie sei unverhältnismäßig, die Behörden riskierten den Quellenschutz, der für die freie Presse unabdingbar sei.

Inwieweit Staatsanwälte gegen Journalisten vorgehen dürfen, ist seit Jahrzehnten umstritten. In seinem berühmten Urteil zur „Spiegel“-Affäre hatte das Bundesverfassungsgericht Redaktionsräumen einen besonderen Schutz zugesprochen. Als wegweisend gilt auch das „Cicero“-Urteil von 2007. Beamte können wegen der Verletzung von Geheimhaltungspflichten mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Wenn Journalisten über Dienstgeheimnisse berichten, dürfen die Ermittler daraus jedoch nicht automatisch einen Beihilfeverdacht ableiten, sagte das Gericht. Der Leitsatz des Urteils ist ins Gesetz übernommen worden. Auch stellten die Richter ein weiteres Mal klar, dass Beschlagnahmungen und Durchsuchungen bei der Presse unzulässig sind, wenn es vorwiegend darum geht, die Identität des Informanten zu ermitteln.

Weil die Karlsruher Richter traditionell die Pressefreiheit stärken, sind Maßnahmen gegen Journalisten aber nicht tabu. So kann es weiterhin strafbar sein, wenn ein Journalist einen Amtsträger überredet, Dienstgeheimnisse preiszugeben – oder ihm sogar Geld dafür zahlt, wie es jetzt die Fahnder im „Morgenpost“-Fall vermuten. Je nachdem, ob die Weitergabe als Diensthandlung gewertet wird, kommt dann auch eine Strafbarkeit wegen Bestechung für den Pressevertreter und wegen Bestechlichkeit für den Amtsträger in Betracht.

Es hatte den Vorstoß gegeben, Journalisten im Namen der Pressefreiheit künftig zumindest nicht mehr wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat zu verfolgen, dafür fand sich im Bundestag aber keine Mehrheit. Einen absoluten Schutz vor Strafe kann es nicht geben: Ein Journalist, der sein Geld nebenbei im Drogen- oder Menschenhandel macht oder eine Autoschieberbande befehligt, hat keinen verfassungsrechtlichen Beistand verdient.

Das hohe Schutzniveau der Pressefreiheit muss die Justiz dennoch bei jedem ihrer Schritte bedenken. Eine sensible Konfrontation. Sollte sich der Verdacht gegen den „Morgenpost“-Mitarbeiter in kürzester Zeit in Luft auflösen, hätte Berlins Justizsenator wahrscheinlich ein Problem. Sein Anruf im Springer-Verlag zeigt, dass sich die Ermittler sicher fühlen. Es scheint, als wolle Heilmann für diese Gewissheit mitbürgen wollen.

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