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Akteneinsicht: André Meister (li.) und Markus Beckedahl von Netzpolitik.org.

© picture alliance / dpa

Netzpolitik.org feiert Geburtstag: Zombies & Vorratsdaten

Zwischen Landesverratsaffäre und Medienpreis des Bundestages: Das Blog Netzpolitik.org feiert seinen elften Geburtstag.

Von Anna Sauerbrey

Es ist kein runder, aber es ist ein besonderer. Am Freitag hat das Blog Netzpolitik.org seinen elften Geburtstag mit einer Konferenz und einer „Landesverräter-Party“ der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg gefeiert. Die Konferenz ist auch der Versuch, nach einem Sommer des Ausnahmezustands den Weg zurück in die Normalität zu finden. Die Ermittlungen gegen das Blog wegen Landesverrats, ausgelöst durch eine Anzeige von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, hatte im Juli und August eine Welle der Solidarität und eine mittelgroße politische Affäre ausgelöst. Die Ermittlungen wurden mittlerweile eingestellt, das Programm der Konferenz dreht sich um die vielen anderen netzpolitischen Themen, die anstehen. Ein bisschen genießen müssen die Blogger ihren Heldenstatus natürlich trotzdem. „Wir sind jetzt ehemalige staatlich geprüfte Landesverräter“, sagt Netzpolitik-Gründer Markus Beckedahl.

Ganz erledigt hat sich die Affäre für Netzpolitik.org noch nicht. Gerade erst haben die Anwälte der Blogger Akteneinsicht erhalten. Netzpolitik.org will darüber demnächst berichten. Nur so viel: Hinweise darauf, dass die in der Anzeige genannten Blogger Beckedahl und André Meister im Zuge der Ermittlungen abgehört wurden, gibt es keine. „Das gilt allerdings nur für polizeiliche Maßnahmen“, betont Meister, „ob die Dienste uns abgehört haben, wissen wir nicht.“ Die Blogger wollen weiter versuchen, genauer zu erfahren, welche Informationen über sie gesammelt wurden und auf welchen Wegen. Auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen antwortete die Bundesregierung Ende August lediglich, es habe „ausschließlich standardisierte, niedrigschwellige Erkenntnisanfragen“ gegeben.

„Das steht alles auf der To-do-Liste“

Ein führender SPD-Politiker sagte auf dem Höhepunkt der Affäre einmal in einem Hintergrundgespräch auf die Frage, ob der Verfassungsschutzpräsident nun zurücktreten müsse, dass Netzpolitik.org jetzt soviel Unterstützung bekomme, sei doch Strafe genug. Tatsächlich hatte die große Aufmerksamkeit für Netzpolitik.org auch ihr Gutes. Das Blog, das derzeit noch als eingetragener Verein organisiert ist, lebt so gut wie ausschließlich von Spenden.

Allein in den ersten beiden Wochen nach Bekanntwerden der Landesverratsermittlungen kam nach Angaben der Blogger so viel zusammen, wie im ganzen Jahr 2014, rund 180 000 Euro. Ob das ein einmaliges Phänomen war, oder ob ein paar Daueraufträge eingerichtet haben, wisse er noch nicht, sagte Beckedahl am Freitag. Auch, ob die Klickzahlen dauerhaft in die Höhe gegangen sind, müsse man erst noch analysieren. „Das steht alles auf der To-do-Liste“, sagt André Meister. Bislang habe zwischen Landesverratsaffäre und Konferenzorganisation die Zeit gefehlt. Derzeit beschäftigt Netzpolitik.org fünf Mitarbeiter auf 3,75 Stellen. Sollte die Unterstützung dauerhaft größer sein, könne man aber über mehr Mitarbeiter und eine andere Organisationsstruktur nachdenken.

Comics mit glühenden Augen

Themen gibt es ja weiterhin genug. Am Freitagvormittag lassen sich rund 150 Konferenzteilnehmer, die meisten zwischen 25 und 35, in der Kulturbrauerei noch einmal in das Einmaleins des netzpolitischen Herbstes einführen. Noch im September wird der Bundestag wohl die Vorratsdatenspeicherung beschließen - Netzpolitik-Mitarbeiterin Anna Biselli hat dazu eine Präsentation vorbereitet, auf der Zombies aus Computerspielen und Comics mit glühenden Augen herumtoben.

In Brüssel gehen die Verhandlungen über den digitalen Binnenmarkt und damit über die Netzneutralität in den Trilog. Und am kommenden Donnerstag geht die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses weiter. Netzpolitik.org will wie gewohnt aus Sitzungen bloggen, auch, wenn sie bis in die Nacht dauern. Für die Berichterstattung aus dem Geheimdienstausschuss haben die Grünen das Blog für den Medienpreis des Bundestages vorgeschlagen.

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