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Griechenland-Krise: Ouzo mit Wasser

Völkerverständigung: In Athen trotzt eine deutsche Zeitung der Krise.

Mitten im Zentrum von Athen, in einer Nebenstraße am Omonia-Platz, liegt die Redaktion der „Griechenland Zeitung“. Fünf ständige und zehn freie Mitarbeiter erstellen Woche für Woche im vierten Stock eines unscheinbaren Bürogebäudes ein kleines Blättchen, das sich in diesen Krisenzeiten erhöhter Aufmerksamkeit erfreut. „Unser Leitspruch ist: Griechenland auf Deutsch“, sagt der Herausgeber der unabhängigen Zeitung, Robert Stadler. Seit Oktober 2005 erscheint das Blatt in der Nachfolge der „Athener Zeitung“ in einer Auflage von 10 000 Exemplaren. Investigativen Journalismus könnten sie sich mit dieser kleinen Besetzung nicht leisten, so Stadler, doch sie seien im griechischen Alltag fest verwurzelt und ständig konfrontiert mit den Problemen. Die Wirtschaftskrise sei auch im Pressebereich zu spüren, viele Kollegen im Gewerbe klagen bereits über Gehaltskürzungen oder ausstehende Gehaltszahlungen.

Dass das Interesse der Leser seit Bekanntwerden der Krise in Griechenland zugenommen hat, zeige sich auch an den Leserbriefen. Die Krise im Land nimmt in den vergangenen Monaten in der Berichterstattung einen besonders breiten Raum ein. Daneben finden sich auf den 16 Seiten der „Griechenland Zeitung“ zum Preis von zwei Euro Sport- und Kulturnachrichten, Veranstaltungstipps sowie ein Feuilleton.

„Die politische Lage ist wie Ouzo mit Wasser“, zitiert Stadler ein altes Sprichwort: „trübe“. Er habe, seit er 1989 nach Griechenland kam, noch nie solche Spannungen zwischen dem politischen System und der Gesellschaft erlebt, sagt der Herausgeber. Eine gute Nachricht hat er immerhin. Ende des Jahres soll im Süden von Athen, im Faliron-Delta, mit dem Bau einer neuen Nationaloper und einer hochmodernen Nationalbibliothek begonnen werden. Dafür konnte der italienische Stararchitekt Renzo Piano gewonnen werden. Drumherum soll ein 75 Hektar großes Erholungsgelände an der Küste entstehen.

Auf kritische Fragen reagiert der Herausgeber ausweichend. Sind Korruption und Klientelwirtschaft nicht viel zu verwurzelt im Land, um eine rasche Besserung erwarten zu können? Ist Bestechung ein bewährtes Schmiermittel im Alltag? Stadler gibt zu, dass die Griechen sich bisher im Allgemeinen nicht so sehr mit dem Staat identifiziert und diesen vor allem als Versorgungsmaschine begriffen haben. Auf griechische Mentalitäten aber geht Stadler nicht näher ein. Schließlich diene seine deutsche Zeitung ja der Völkerverständigung. Stefan Berkholz

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